DGI und DGZMK veröffentlichen neue S3-Leitlinie
Die Deutsche Gesellschaft für Implantologie (DGI) und die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) haben die erste S3-Leitlinie zur Behandlung periimplantärer Infektionen an Zahnimplantaten veröffentlicht. Autoren sind DGI-Präsident Prof. Dr. Frank Schwarz und Prof. Dr. Jürgen Becker, Düsseldorf.
Systematisch entwickelt, wissenschaftlich begründet und praxisorientiert: Die erste S3-Leitlinie zur Behandlung periimplantärer Infektionen ist nicht nur national, sondern auch international die erste Leitlinie zu diesem Thema auf höchstem Qualitätsniveau. Sie beschreibt jenen Therapiekorridor, in dem sich Zahnärztinnen und Zahnärzte bei der Behandlung von Patienten mit periimplantärer Mukositis oder Periimplantitis sicher bewegen können. „Das Ziel der Leitlinie ist es, Kolleginnen und Kollegen eine Entscheidungshilfe zur Therapie periimplantärer Infektionen zu bieten“, sagt DGI-Präsident Prof. Dr. Frank Schwarz, Düsseldorf, der zusammen mit Prof. Dr. Jürgen Becker und elf Co-Autoren die Leitlinie in rekordverdächtigem Tempo erstellt hat. Die Experten haben die klinische Wirksamkeit adjuvanter oder alternativer Maßnahmen im Vergleich zu konventionellen nichtchirurgischen und chirurgischen Therapieverfahren bewertet. Es ist die erste von insgesamt vier Leitlinien, mit deren Entwicklung Experten von 16 Fachgesellschaften und Organisationen bei der zweiten DGI-Leitlinienkonferenz im September 2015 begonnen haben.
Die Prävalenzen auf Patientenebene variieren laut Literatur für die periimplantäre Mukositis zwischen 19 und 65 Prozent und für die Periimplantitis zwischen einem und 47 Prozent. Die gewichtete durchschnittliche Prävalenz beträgt 43 Prozent für die periimplanäre Mukositis und 22 Prozent für die Periimplantitis. Studien belegen die Folgen einer Nichtbehandlung: Nach einem Beobachtungszeitraum von fünf Jahren betrug die Konversion einer klinisch manifesten periimplantären Mukositis in eine Periimplantitis ohne Therapie 43,9 Prozent. Durch eine regelmäßige vorbeugende Therapie konnte die Inzidenz in der Kontrollgruppe hingegen auf 18 Prozent reduziert werden. Eine experimentell induzierte Periimplantitis zeichnet sich durch eine spontane Progression aus und führt unbehandelt zum Implantatverlust.
Schon bei der Planung und der Behandlung gilt es, bestimmte Risikofaktoren zu beachten und zu vermeiden, die bei der Entstehung periimplantärer Entzündungen eine Rolle spielen. Es ist natürlich wichtig, Fehlpositionierungen von Implantaten zu vermeiden, ebenso den fehlerhaften Sitz und/ oder mangelnde Präzision der Sekundarteile und Überkonturierungen von Restaurationen.
„Eine frühzeitig erkannt und behandelte periimplantäre Mukositis ist eine wichtige präventive Maßnahme zur Verhinderung einer Periimplantitis“, betont Prof. Schwarz. Dafür ist die konsequente Implantatnachsorge unerlässlich und Bestandteil der Behandlung. Allerdings berichten die Autoren aller im Leitlinienprozess bewerteten Publikationen von residualen Blutungswerten nach einem Beobachtungsintervall von drei bis zwölf Monaten. „Eine vollständige Abheilung der periimplantären Mukositis kann demnach nicht bei allen Patienten vorhersehbar erreicht werden“, kommentiert der DGIPräsident. Daher sollten regelmäßige Nachkontrollen – möglichst alle drei Monate – erfolgen, um eine Nachbehandlung rechtzeitig einzuleiten.
Schlüsselparameter für die klinische Diagnostik periimplantärer Infektionen ist die Blutung auf Sondierung (BOP), die vor allem bei fortgeschrittenen Läsionen einer Periimplantitis von putriden Exsudationen begleitet sein kann. Der marginale Knochenabbau lässt zumeist auch die periimplantären Sondierungstiefen steigen. „Die Taschenbildung ist ein zuverlässiges diagnostisches Kriterium einer Periimplantitis, sagt Prof. Schwarz. Der radiologisch nachweisbare Knochenabbau unterscheidet die Periimlantitis von einer Mukositis.
Vor Therapiebeginn sollten generell systemische und lokale Risikofaktoren identifiziert werden. Ebenso gilt es, weitere Faktoren wie zum Beispiel einen fehlerhaften Sitz und/ oder mangelnde Präzision der Sekundarteile, Überkonturierungen von Restaurationen oder Fehlpositionierungen der Implantate zu berücksichtigen.
1. Empfehlungen zur nichtchirurgischen Therapie der periimplantären Mukositis
- Bei einer periimplantären Mukositis soll eine regelmäßige professionelle, mechanische Plaque-Entfernung erfolgen.
- Eine Optimierung der häuslichen Mundhygiene durch den Patienten kann den Therapieerfolg positiv beeinflussen.
- Durch alternative oder adjuvante Maßnahmen kann die klinische Effektivität einer nichtchirurgischen Therapie der periimplantären Mukositis im Vergleich zu einem manuellen Debridement nicht signifikant verbessert werden.
2. Empfehlungen zur nichtchirurgischen Therapie der Periimplantitis
- Alternative oder adjuvante Maßnahmen zu einem manuellen Debridement sollten für die nichtchirurgischen Therapie der Periimplantitis eingesetzt werden. Evidenz liegt für die alternative Monotherapie mittels Er:YAG-Laser und Glycingestützten Air- Polishings sowie für den adjuvanten Einsatz lokaler Antibiotika mit kontrollierter Freisetzung (einmalige Anwendung von Doxycyclin), CHX-Chips und antimikrobieller photodynamischer Therapie vor.
- Der Behandlungserfolg und die Stabilität der erzielten klinischen Ergebnisse (> sechs Monate) sollten aber insbesondere bei initial tiefen Taschen von >7 mm als prognostisch ungünstig eingestuft werden.
- Wenn das Behandlungsziel durch eine nichtchirurgische Therapie nicht erreicht werden kann, sollten insbesondere fortgeschrittene Läsionen frühzeitig einer chirurgischen Therapie zugeführt werden.
3. Empfehlungen zur chirurgischen Therapie der Periimplantitis
- Welches chirurgische Protokoll zu bevorzugen ist, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus der Literatur nicht ableiten.
- Bei einer chirurgischen Therapie soll zunächst das Granulationsgewebe vollständig entfernt werden.
- Die Dekontamination exponierter Implantatoberflächen ist wichtig. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann nicht beurteilt werden, ob eine spezifische Reinigungsmethode anderen überlegen ist. Häufig wurden jedoch mechanische (zur Reduktion des Biofilms) und chemische (zur Reduktion und Inaktivierung des Biofilms) Verfahren kombiniert.
- Zum jetzigen Zeitpunkt kann der zusätzliche Nutzen einer peri- und/ oder postoperativen Antibiotikagabe nicht bewertet werden. Eine unterstützende one-shot-Gabe bei der chirurgischen Therapie der Periimplantitis kann erfolgen.
- Nach Dekontamination können augmentative Verfahren zu einer radiologisch nachweisbaren Auffüllung intraossarer Defektkomponenten führen.
- Alle chirurgischen Therapieansätzen bergen grundsätzlich ein hohes Risiko für die postoperative Entstehung mukosaler Rezessionen.
- Zur Stabilisierung der periimplantären Mukosa kann eine Weichgewebs-augmentation erwogen werden.
- Eine Explantation sollte bei Implantatlockerung, nicht behebbaren technischen Komplikationen, komplexen Implantatdesigns (wie Hohlzylinder), Therapieresistenz oder Übergreifen der Infektion auf anatomische Nachbarstrukturen erfolgen.