Zehn Jahre DG PARO-Vorstandsarbeit: Die Zukunft kann kommen
Ein Interview mit Prof. Peter Eickholz, der Ende April von seinem Amt als Präsident der DG PARO zurückgetreten ist und Prof. Christof Dörfer, seinem Nachfolger. Ein Rück- und ein Ausblick auf die Vorstandsarbeit.
Als Prof. Dr. Peter Eickholz 2006 antrat, war die Parodontitisprävalenz in Deutschland mit 8 bis 11 Millionen behandlungsbedürftigen schweren Fällen hoch. Die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO) hat seither viel Aufklärungsarbeit über Ursachen, Prävention und Therapie der Parodontitis geleistet. Sie hat wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxen getragen und die Aus-, Fort- und Weiterbildung forciert. Heute gibt es mehr parodontologische Kompetenz in den Zahnarztpraxen. Und auch die aus den Behandlungszahlen der KZBV für 2015 hochgerechneten 3,5 bzw. 5,5 Millionen behandlungsbedürftigen schweren Fälle von Parodontalerkrankungen sind deutlich weniger als 2005, aber immer noch zu viel. Was zu tun bleibt, erläutern Prof. Christof Dörfer und Prof. Peter Eickholz im Interview.
Frage: Herr Prof. Eickholz, nach zehn Jahren Arbeit im DG PARO-Vorstand, davon viereinhalb Jahre als Präsident, sind Sie Ende April 2016 als DG PARO-Präsident zurückgetreten. Was hat Sie dazu bewogen?
Eickholz: Vor dem eigentlichen Ende meiner Amtszeit im September 2014 zeichnete sich ab, dass der Präsident elect das Amt des DG PARO-Präsidenten nicht würde übernehmen können. Damals habe ich dem Vorstand angeboten, meine Tätigkeit als Präsident solange fortzusetzen, bis ein kontinuierlicher Übergang mit einem neuen Präsident elect gewährleistet ist. Dazu musste die Satzung der DG PARO geändert werden, die ursprünglich nicht vorsah, dass der Präsident wiedergewählt werden kann. Im April hatten wir als Vorstand den Eindruck, dass dieser Übergang gut gelungen war und das 25-jährige Jubiläum der EFP war ein guter Anlass, Platz für neue Ideen zu machen. Außerdem kann ich mich nicht über Unterbeschäftigung beklagen.
Frage: Herr Prof. Dörfer, ist die DG PARO gut aufgestellt für zukünftige Herausforderungen?
Dörfer: Die Vorstandsarbeit konnte ohne Brüche freundschaftlich und reibungslos fortgesetzt werden. Begonnene Projekte laufen weiter und neue können in Angriff genommen werden. Das Räderwerk der DG PARO ist gut geölt. Die Zukunft kann kommen!
Frage: Herr Prof. Eickholz, was hat sich in der deutschen Parodontologie während Ihrer Vorstandszeit geändert?
Eickholz: Kurz vor meiner Wahl in den DG PARO-Vorstand 2006 war die DMS IV veröffentlicht worden. Alle waren damals begeistert von der niedrigen Kariesprävalenz. Über die gestiegene Parodontitisprävalenz wollte außer den Parodontologen niemand gerne sprechen. Auf der Basis der Zahlen aus der DMS IV lässt sich berechnen, dass 2005 etwa 8 bis 11 Millionen Bundesbürger an behandlungsbedürftigen schweren Parodontalerkrankungen (ST ≥ 6 mm) litten. Das sind zehn Prozent der Gesamtbevölkerung.
Frage: Wie geht eine wissenschaftliche Fachgesellschaft wie die DG PARO mit solch einer Situation um?
Eickholz: Zunächst kann eine Fachgesellschaft auf die Problematik aufmerksam machen und Bewusstsein schaffen. Die DG PARO hat von Anfang an auf den Missstand der hohen Parodontitisprävalenz aufmerksam gemacht und sich gegen alle Versuche, die Prävalenz der Parodontitis in Deutschland klein zu reden, gewehrt. Wir haben versucht, die Aufmerksamkeit der Politik zu bekommen und bisher drei parlamentarische Abende mit Gesundheitspolitikern aller im Bundestag vertretenen Parteien und Vertretern der zahnärztlichen Institutionen (DGZMK, BZÄK, KZBV) veranstaltet.
Dörfer: Wenn es um parodontologische Themen geht, ist die DG PARO sicher die erste Adresse: „Wir sind Parodontologie“. Aber die Bemühungen um die öffentliche Aufmerksamkeit für Parodontalerkrankungen erfolgen sinnvollerweise im Schulterschluss mit den großen zahnmedizinischen Organisationen wie DGZMK, BZÄK und KZBV. Es geht uns ja in erster Linie um die Gesundheit unserer Patienten.
Was ist mit den Zahnärzten?
Frage: Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung für die Problematik der Parodontalerkrankungen in der Politik. Was ist mit den Zahnärzten?
Eickholz: Es ist ein erster Schritt. Zuerst muss das Problem einer breiten Öffentlichkeit bewusst werden. Es muss in die Hinterköpfe, auch bei den zahnärztlichen Kollegen. Das ist ein zentrales Betätigungsfeld der DG PARO: Wir sind sehr aktiv in Aus-, Fort- und Weiterbildung. Die Hochschullehrer in der DG PARO arbeiten daran, an allen zahnmedizinischen Standorten ein breites und tiefes Lehrangebot in Parodontologie zu etablieren und zu sichern. Die Mitarbeit am Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Zahnmedizin (NKLZ) ist ein Beispiel dafür. Wir veranstalten wissenschaftliche Tagungen und bieten Fortbildungskurse an. Darüber hinaus besteht über die DG PARO die Möglichkeit, sich über ein berufsbegleitendes Master- bzw. ein vollzeitiges Spezialistenprogramm weiterzubilden. Diese Ausbildungsmöglichkeiten bauen systematisch aufeinander auf. Die DG PARO fördert so auf allen Ebenen intensiv die parodontologische Kompetenz der Kollegen. Im Jahr der Erhebung der DMS IV wurden 815 200 systematische PAR-Fälle über die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) abgerechnet. Seither hat die Zahl der jedes Jahr abgerechneten Fälle kontinuierlich zugenommen und erreichte in 2014 1 027 100 (KZBV-Jahrbuch 2015). Das sind über diese 9 Jahre durchschnittlich 132 000 Fälle mehr pro Jahr im Vergleich zu 2005.
Frage: Welche konkrete Auswirkung kann das auf die Prävalenz von Parodontalerkrankungen haben?
Eickholz: Lassen Sie uns mit durchschnittlich 1 Million abgerechneter Fälle seit 2005 rechnen. Wenn wir mit ca. 500 000 Neuerkrankungen pro Jahr rechnen müssen (Kassebaum et al. 2014), verbraucht sich aktuell die Hälfte dieser Schlagzahl an den Neuerkrankungen (500 000), während um etwa 500 000 Fälle pro Jahr die Gesamtprävalenz abgebaut wird. Damit kann in 9 Jahren die Gesamtprävalenz um 4,5 Millionen Fälle reduziert werden. Bei 8 bis 11 Millionen schweren Fällen wäre dies eine knappe Halbierung der Prävalenz. Das ist natürlich nur eine Hochrechnung und unter den über die GKV abgerechneten Fällen sind nicht nur schwere Parodontalerkrankungen. Aber es lässt sich ein Trend ablesen, der sicher zum Teil durch die Bemühungen der DG PARO für mehr Bewusstsein, aber auch für mehr Therapie dieser Volkskrankheit getragen ist.
Dörfer: Die Bilanz 9 Jahre nach der DMS IV ist nicht schlecht, aber es bleibt viel zu tun. Die geschätzten 3,5 bzw. 5,5 Millionen behandlungsbedürftigen schweren Fälle von Parodontalerkrankungen sind deutlich weniger als 2005, aber immer noch zu viel. Es wäre auch unrealistisch zu glauben, dass sich diese Entwicklung so linear fortsetzen und die Parodontitis verschwinden wird. Das Management der Parodontitispatienten wird ein wichtiges Thema in der Zahnmedizin bleiben und durch die Interaktionen zwischen der Parodontitis und der Allgemeingesundheit auch bedeutsamer in der Medizin werden.
Frage: Was ist dann das vordringlichste Ziel für die nahe Zukunft?
Eickholz: Das vordringlichste Ziel ist die frühzeitige Erkennung der Parodontitis und ihre adäquate Therapie. Mit dem PSI haben wir ein hervorragendes Screening-Instrument, das noch viel konsequenter eingesetzt werden sollte, weil eine frühe Erkennung der Parodontitis langfristig Kosten spart.
Dörfer: Je später eine Parodontitis diagnostiziert wird, desto höher ist der therapeutische Aufwand für den langfristigen Erhalt der Zähne. Neuste Studien haben gezeigt, dass aber selbst bei fortgeschrittener Parodontitis der Zahnerhalt auch volkswirtschaftlich die attraktivste Therapie ist, da der finanzielle und persönliche Aufwand für eine Rehabilitation deutlich reduziert ist; ein wirklich sinnvoller Ansatz für die Kostendämpfung im Gesundheitssystem und ganz nebenbei ein erheblicher Gewinn an Lebensqualität für den Patienten.
Das Gespräch führte Sieglinde Schneider, Accente Communication GmbH.