Forscher identifizieren Biomarker für Parodontitis
Forschern des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig gelang es, Biomarker für Parodontitis zu identifizieren. Biomarker sind charakteristische biologische Merkmale, die objektiv gemessen werden können und auf einen normalen oder krankhaften Prozess im Körper hinweisen.
„Wir haben drei Gene gefunden, die regelmäßig eine besonders hohe Genexpression zeigten, wenn Patienten an Parodontitis erkrankt waren“, sagt Prof. Irene Wagner-Döbler, Leiterin der Arbeitsgruppe Mikrobielle Kommunikation am HZI. Diese drei Biomarker könnten nun in einer großen Patienten-Kohorte validiert werden und im Endeffekt ermöglichen, Parodontitis in einem frühen Stadium zu diagnostizieren, so dass eine Therapie sehr viel erfolgreicher wird. Die Forscher haben also zu einem grundsätzlich neuen Verständnis einer polymikrobiellen Biofilmerkrankung beigetragen und einen wesentlichen Schritt hin zu einer früheren Diagnose gemacht.
Die HZI-Forscher habe Mechanismen rund um die Entstehung einer Parodontitis aufgezeigt, indem sie rund zehn Millionen aktive Gene aus Zahntaschen erforscht haben. Parodontitis wird durch einen Biofilm in den Zahntaschen ausgelöst, der sich aus mehreren hundert Bakterienarten zusammensetzt. „Bei den Mikroorganismen handelt es sich sowohl um gut untersuchte Pathogene, als auch um solche, die bisher als Begleitflora betrachtet wurden und als harmlos galten“, sagt Wagner-Döbler.
Bei Parodontitis verändert Bakterium seine Rolle
Sie und ihre Kollegen haben eine sogenannte Metatranskriptionsanalyse durchgeführt. Dabei sequenziert man nicht die Erbinformation selber, die DNA, sondern die Messenger-RNA, also die Arbeitskopien der Gene, und zwar sämtlicher aktiver Gene aller Bakterienarten der Periodontaltasche. Diese rund zehn Millionen aktiven Gene wurden anschließend mit bioinformatischen Methoden analysiert. „Entscheidend war dabei, dass wir die Genexpression in Bakteriengemeinschaften von Menschen mit Parodontitis mit derjenigen von gesunden Probanden verglichen haben“, sagt Wagner-Döbler.
Dadurch konnten die Wissenschaftler zeigen, dass ein typischer Bewohner der Zahntasche, das Bakterium Prevotella nigrescens, seine Rolle verändert, je nachdem ob eine Parodontitis vorliegt oder nicht. „Sobald eine Parodontitis vorliegt, verwandelt sich das normalerweise harmlose P. nigrescens in ein sogenanntes „accessory pathogen“ und greift den Wirt an, genau wie die bereits bekannten Pathogene“, sagt Wagner-Döbler. Die Erkrankung wird dadurch weiter verschlimmert und lässt sich schwerer bekämpfen. „Ging man bisher davon aus, dass man nur die Leitkeime der Infektion ausschalten muss, um die Krankheit zu besiegen, so deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass das nicht ausreichend sein wird“, sagt Wagner-Döbler.
Ganze Reihe von Bakterien an Erkrankung beteiligt
Eine weitere neue Erkenntnis betrifft die Rolle des oralen Bakteriums Fusobacterium nucleatum, das häufig in Zahntaschen vorkommt. Man hatte vermutet, dass F. nucleatum in einer entzündeten Zahntasche giftige Buttersäure produziert und dadurch zur Parodontitis beiträgt. Die Analyse der Genexpression zeigte aber, dass F. nucleatum immer Buttersäure produziert, bei Gesunden ebenso wie bei Kranken.
Bei Kranken tragen allerdings noch eine Reihe anderer Bakterienarten zur Butyratproduktion bei und diese Bakterienart nutzt noch weitere biochemische Stoffwechselwege dafür. „Auch an diesem wichtigen Prozess sind unseren Ergebnissen zufolge gleich eine ganze Reihe von Bakterien beteiligt, die bisher nicht damit in Verbindung standen“, sagt Wagner-Döbler.
Originalpublikation:
Szymon P Szafrański , Zhi-Luo Deng, Jürgen Tomasch, Michael Jarek, Sabin Bhuju, Christa Meisinger, Jan Kühnisch , Helena Sztajer, Irene Wagner-Döbler. Functional biomarkers for chronic periodontitis and insights into the roles of Prevotella nigrescens and Fusobacterium nucleatum; a metatranscriptome Analysis. Biofilm and Microbiomes. 2015 Sep 23. 1:15017. DOI 10.1038/npjbiofilms.2015.17