Wie werden Flüchtlinge zahnmedizinisch versorgt?
Täglich kommen mehr Flüchtlinge nach Deutschland. Auch viele Zahnärztinnen und Zahnärzte engagieren sich. Welche Beispiele es gibt, wo die Probleme sind und wie Sie helfen können.

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Wenn die dringendste Frage nach einer Unterkunft geklärt ist, stellt sich bei vielen Flüchtlingen auch die Frage nach einer adäquaten (zahn-)medizinischen Versorgung. Ehrenamtlich engagieren sich bereits viele Zahnärztinnen und Zahnärzte. In der Hauptstadt koordiniert die Zahnärztekammer Berlin den Einsatz der professionellen Helfer in den derzeit 63 Berliner Flüchtlingsunterkünften. In den Einrichtungen erfolgt eine Erstuntersuchung der Hilfsbedürftigen. Das notwendige Untersuchungsmaterial organisiert die Zahnärztekammer Berlin. Auch für nicht registrierte Flüchtlinge werden zurzeit neue zahnmedizinische Behandlungszentren in Moabit und Wilmersdorf eingerichtet.
Positive Beispiele gibt es viele: Ein Berliner Zahnarzt engagiert sich ehrenamtlich in einer Flüchtlingsnotunterkunft in Berlin-Wilmersdorf. Wie stern.de berichtet, behandelt im baden-württembergischen Munderkingen ein 72-jähriger Zahnarzt zusammen mit einem in Syrien ausgebildeten jungen Kollegen Flüchtlinge kostenlos. Ein Vorteil: Der Syrer spricht Arabisch, das vereinfacht die Behandlung. In München dient eine Praxis in der sozialmedizinischen Anlaufstelle des Malteser Hilfsdienstes als Anlaufstelle für Flüchtlinge ohne Krankenversicherungsschutz, die eine dringende zahnmedizinische Behandlung benötigen. Auch außerhalb Münchens hat das Hilfswerk Zahnmedizin Bayern ein Netzwerk niedergelassener Kollegen organisiert, die Flüchtlinge behandeln.
Hilfsprojekte für Flüchtlinge – so können Sie sich engagieren
Ärzte ohne Grenzen
Die Organisation Ärzte ohne Grenzen hat im Mittelmeer einen Hilfseinsatz gestartet. Bis Ende Oktober werden mehrere Rettungsschiffe zwischen Afrika und Europa kreuzen. An Bord wird medizinische Hilfe geleistet. Außerdem werden Rettungstrainings für Fischer durchgeführt.
wie-kann-ich-helfen.info
Das ehrenamtlich geführte Portal wie-kann-ich-helfen.info listet Möglichkeiten auf, Flüchtlingen (auch) im Umkreis des eigenen Wohnorts zu helfen. Dabei geht es um Patenschaften, Sachspenden und Ausbildung zum Mentoring-/Integrationslotsen.
Diakonie Deutschland
Die Diakonie Deutschland hat auf ihrer Website verschiedene Beispiele zusammengestellt, wie Menschen aus Deutschland den hier ankommenden Flüchtlingen helfen, darunter Willkommens-Aktionen und die Begleitung junger Flüchtlinge, die ohne ihre Eltern in Deutschland leben.
Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum
Die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum bietet medizinische Hilfe für Flüchtlinge und MigrantInnen ohne Aufenthaltsstatus an. Politisch setzt sie sich dafür ein, dass “alle Menschen Zugang zum Gesundheitswesen haben.”
Hilfswerk Zahnmedizin Bayern
Ziel des Hilfswerks Zahnmedizin Bayern e.V. ist die Bildung eines Netzes von Zahnärzten, die ehrenamtlich aus christlichen oder berufsethischen Motiven Patienten ohne Krankenversicherungsschutz (Bedürftige, Obdachlose) kostenfrei behandeln.
Uno Flüchtlingshilfe
Die UNO-Flüchtlingshilfe ist ein gemeinnütziger Förderverein und unterstützt Flüchtlingsprojekte im In- und Ausland. Sie zeigt Spendenmöglichkeiten auf, aber auch Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden.
Pro Asyl / Flüchtlingsräte
Die Organisation Pro Asyl hat eine Übersicht der Flüchtlingsräte zusammengestellt, die es deutschlandweit gibt und gibt Tipps für die Flüchtlingsarbeit vor Ort. Hier finden sich auch viele Hintergrundinformationen zum Asylrecht.
Freiwilligenagenturen / Aktivoli
Für Menschen aus dem Großraum Hamburg interessant: Die Freiwilligenagenturen informieren und beraten Interessierte zum bürgerschaftlichen Engagement, vermitteln passgenaue Tätigkeiten und unterstützen gemeinnützige Organisationen in der Zusammenarbeit mit Freiwilligen.
Refugio München
In verschiedenen Bereichen können Ehrenamtliche die Ziele von REFUGIO München unterstützen. Als Mentor oder Mentorin im Welcome Projekt, bei Öffentlichkeitsarbeit und Fundraisingprojekten oder durch Mithilfe bei Veranstaltungen.
Flüchtlingen fehlt die elektronische Gesundheitskarte
In der Regel übernehmen die Gemeinden bzw. die gesetzlichen Krankenkassen nur Behandlungen „akuter Erkrankungen und Schmerzzustände“, so die Zahnärztlichen Körperschaften Westfalen-Lippe, die auf ihrer Website Fragebögen für Notfallbehandlungen in 15 Sprachen anbieten. Zur unkomplizierten Behandlung in den Zahnarztpraxen fehlt den Flüchtlingen bislang eine elektronische Gesundheitskarte.
Als erstes Flächenland hat gerade Nordrhein-Westfalen angekündigt, eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge einzuführen. Mit dabei sind die Krankenkassen AOK Rheinland/Hamburg, AOK NORDWEST, DAK Gesundheit, Die Knappschaft, Novitas BKK, Techniker Krankenkasse und BARMER GEK NRW. Allerdings wird es erst frühestens im Januar 2016 so weit sein. Auch in Bremen und Hamburg besteht schon seit einiger Zeit dieses Modell.
“Leider zögern andere Bundesländer immer noch, diesem guten Beispiel zu folgen”, sagt die FVDZ-Bundesvorsitzende, Kerstin Blaschke. Ihre Forderung an die Landesregierungen: “Die Länder müssen den Flüchtlingen endlich eine umfassende und zahnmedizinisch vernünftige Behandlung gewährleisten und so die Kommunen entlasten.” Allerdings dürften die Kosten für die Behandlung nicht vom zahnärztlichen Gesamtbudget abgezogen werden.
Sorge auch vor Grippe-Welle
Die notwendigen medizinischen Hilfen gehen natürlich über die Zahnversorgung hinaus. So warnt die Fachgesellschaft für Virologie (GfV) davor, dass besonders Menschen in Notunterkünften, die auf engem Raum zusammen leben und von der langen Flucht schwach und krank sind, gefährdet sind, sich mit dem Influenza-Virus anzustecken. Zwar steht der Impfstoff seit Anfang September in ausreichender Menge zur Verfügung, aber noch ist unklar, wie die logistische Herausforderung gemeistert werden soll, möglichst viele Menschen in Notunterkünften zu impfen, sagt Prof. Dr. med. Thomas Mertens, Präsident der GfV.