BDIZ EDI: Lebensqualität bis ins hohe Alter
Unter dem Motto „Implantologie 3.0 – heute, morgen, übermorgen“ fand das 18. Jahressymposium des Bundesverbandes der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa e.V. (BDIZ EDI) statt. Parallel zum Wiesn-Auftakt fanden sich die Teilnehmer im Kongresshotel Sofitel Bayerpost in München ein und erlebten ein themenreiches Jahressymposium, das sowohl berufspolitische als auch wissenschaftliche Ausblicke lieferte und gleichzeitig den 25. Geburtstag des BDIZ EDI markierte.
Wer hochwertige und moderne Zahnmedizin anbieten möchte, braucht entsprechende Rahmenbedingen. Deshalb war der erste Tag des Symposiums den berufspolitischen und juristischen Themen vorbehalten. Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bayerischen Landeszahnärztekammer, beglückwünschte das Präsidium des BDIZ EDI, allen voran Präsident Christian Berger und Prof. Dr. Dr. Joachim Zöller, Vizepräsident und wissenschaftlicher Leiter, zur Auswahl der „mutigen“ juristischen Themen. „Wir sollten vorab darüber sprechen, bevor die Politik die Themen aufgreift“, so Benz.
Gesundheit ist ein Wachstumsmarkt
„Im Gesundheitssektor sind die großen Linien vorhersehbar,“ so Prof. Dr. Günther Neubauer, Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomik (IfG) München. In seinem Vortrag zur Gesundheitsökonomie zeigte er die fundamentalen Probleme, die Pionierfunktion von Selbstzahlern und PKVen sowie die Dreiteilung der Gesundheitsversorgung auf. „Der Gesundheitsmarkt lebt von der Hoffnung der Menschen. Die hohe Kunst hierbei ist es, die Kaufkraft zu mobilisieren“, sagte Neubauer. Dafür braucht es mehr Erwerbstätige, die länger erwerbsfähig sind. Er sieht die Trends in der Gesundheitsversorgung bis 2050 in drei Märkten: Der erste Markt deckt die Basisversorgung durch evidenzbasierte Gesundheitsversorgung und finanziert sich durch die Soziale Kranken- und Pflegeversicherung. Der zweite Markt liefert Spitzenmedizin, das heißt, eine innovative, moderne Versorgung im Bereich der Zusatzversicherungen. Der dritte Markt wird auf dem Sektor Life Science angesiedelt sein und Selbstzahlern in Form von Gesundheitstourismus zugänglich sein. Sein Fazit: Das System muss reformiert werden.
Dr. Volker Leienbach, Verbandsdirektor und geschäftsführendes Vorstandsmitglied im Verband der Privaten Krankenversicherungen e.V., betonte die wichtige Rolle, die die PKVen im deutschen Gesundheitssystem einnehmen. Allein der hohe Anteil an Zusatzversicherungen zeige den Wunsch der Patienten, sich individuell über die gesetzliche Krankenversorgung hinaus abzusichern.
Die Tücken der Abrechnung
Vorsicht bei der „Optimierung“ der Abrechnung. Staatsanwalt Markus Koppenleitner, München, sensibilisierte die Teilnehmer für den Tatbestand des Betrugs – häufig seien Füllpositionen und Doppelabrechnungen. Man könne sich nicht auf das Argument, mit einem Abrechnungsprogramm zu arbeiten, zurückziehen oder auf seine Abrechnungsmitarbeiterin berufen. Die Verantwortung für die Richtigkeit der Abrechnung trägt der Zahnarzt. Das Thema ist wichtig. So machte Prof. Dr. Thomas Ratajczak, Sindelfingen, darauf aufmerksam, dass die Staatsanwaltschaft immer häufiger ermittelt. Er riet zum Abschluss einer Rechtsschutzversicherung, die auch bei Vorsatz eintritt. Anhand mehrerer Fälle zeigte er die klassischen Abläufe von Strafverfahren in der Zahnarztpraxis auf.
Zähne züchten oder drucken?
Der Samstag war den wissenschaftlich-zahnmedizinischen Themen vorbehalten und startete mit Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Hescheler, Direktor am Institut für Neurophysiologie der Universität zu Köln, einer weltweiten Koryphäe im Bereich der Stammzellenforschung. Die potentielle Entwicklung regenerativer Gewebe zum Zell- und Organersatz könnte für Millionen schwerkranker Menschen zu einer echten Heilungschance werden. Insbesondere die Reprogrammierung von adulten Körperzellen zu induziert pluripotenten Stammzellen ermöglicht es, jedes beliebige Körpergewebe aus autologen Zellen zu erzeugen, ohne abgestoßen zu werden und ohne die Gefahr von Tumorbildung. Somit kann heute aus der Hautzelle eines Menschen jegliches Körpergewebe nachgebildet werden. Das Konzept der Stammzellenentwicklung lässt sich auch auf die Regeneration von Zahnzellen übertragen – hier kommt man mit zwei Zelltypen zum Erfolg. Allerdings ist die Forschung bei der Züchtung von Zähnen noch in der experimentellen Phase, wohingegen es bereits gelingt, regenerierte Körperzellen, zum Beispiel bei Infarktpatienten, an die entsprechenden Stellen zu implantieren. Neu ist das sogenannte Bio-Printing mit dem es gelingt, Körpergewebe Schicht für Schicht zu erzeugen. Damit verfolgt man die Idee, Organe zu scannen, die Daten im Computer anhand von Zell- und Materialselektion zu 3D-Strukturen zu entwickeln und diese schichtweise zu drucken. So könnten zum Beispiel Knorpelgewebe (Bandscheiben) oder gar ganze Nieren erzeugt werden. Hescheler prognostizierte, dass sich in 5 bis 20 Jahren im Bereich der Stammzellenregeneration ein kommerzieller Markt entwickeln könnte. Gleichzeitig beklagte er jedoch den immer größer werdenden Rückstand der Forschung in Deutschland gegenüber anderen Ländern wie Japan, aufgrund vieler „Bedenkenträger“ und fehlender Forschungsmittel seitens der Politik.
Prof. Dr. Dr. Bodo Hoffmeister, Berlin, sensibilisierte am Ende seines Überblicks zu den unterschiedlichen Augmentationsmethoden der vergangenen Jahre für die Indikationen des Alveolarfortsatzaufbaus. Dabei gelte es immer ein patientenindiviuelles altersgerechtes Konzept anzubieten und zu bedenken, dass Männer im Hinblick auf eine Lebenserwartung von 85 Jahren und Frauen mit einer Lebenserwartung von 90 Jahren versorgt werden sollten. Hoffmeister sieht das Potential für die Zukunft in einer „nicht-metallenen“ Implantologie.
Konzepte für Chirurgie und Prothetik
Eine Sofortimplantation ist auch bei Defekt oder Verlust der fazialen Knochenlamelle und ausgeprägter Rezession vorhersagbar möglich, das berichtete PD Dr. Robert Nölken, Parodontologe und Implantologe aus Lindau. Er zeigte auf, wie es gelingt, mittels Insertion abgeschrägter Osseo Speed Profile (Astra Tech/Dentsply Implants) auf Höhe des palatinalen Knochenniveaus, die Papille wieder herzustellen beziehungsweise zu erhalten – ohne Bindegewebstransplantat auch bei schwierigen Situationen im Fronzahnbereich. Sein Tipp an die Kollegen, um ästhetisch präzise Ergebnisse zu erzielen: „Arbeiten Sie mit einer Vierfachlupe mit Licht!“
Wie erreicht man ästhetische Ergebnisse? Mit einer genauen Analyse, Planung und Teamwork. Das demonstrierte eindrucksvoll Dr. Martin Gollner, Bayreuth. Seine prothetischen Ergebnisse spiegeln sein überzeugendes faziales, dentolabiales und phonetisches Analyse-Konzept wider, das insbesondere bei komplexen Versorgungen zur Anwendung kommen sollte. Nützliche Hilfsmittel zur Umsetzung der Analyse in den Artikulator und in die prothetische Versorgung sind unter anderem der Plane Finder (Ztm. Udo Plaster) sowie das CAD-Plane Tool PS1-3D (Zirkonzahn/Ztm. Udo Plaster).
Die digitale Implantologie ist die Zukunft
Diese Ansicht vertraten Dr. Matthias Müller und Kieferchirurg Dr. Ulrich Konter. Das eingespielte chirurgisch-prothetische Behandlerteam aus Hamburg setzt auf digitale Technik, geführte Implantation und das Potential von Implantaten aus Titan-Zirkon-Legierung. Diese Implantate bieten eine gute Biokompatibilität sowie eine hohe mechanische Festigkeit, eignen sich deshalb als Mittel der Wahl im Bereich kurzer und durchmesserreduzierter Implantate und erweitern das Spektrum an den Indikationsgrenzen deutlich. Auch ist die Patientenakzeptanz gegenüber kurzen beziehungsweise durchmesserreduzierten Implantaten hoch, denn ihr Einsatz verringert die Morbidität, die Anzahl der OP-Schritte sowie Behandlungskosten und -zeit.
Die Möglichkeiten moderner Röntgendiagnostik beeinflusst die Therapieverfahren in der Implantologie. Den Fragen, „Wann ist ein Zahnfilm notwendig, wann ein OPG ausreichend und wann ein DVT indiziert?“, muss sich heute jeder Behandler im Praxisalltag stellen. Seine Guidelines dazu fasste Prof. Dr. Stefan Wolfart, Aachen, folgendermaßen zusammen: PSA als Standardaufnahme bei der Planung, als Kontrollaufnahme nach Augmentation sowie bei Implantation und Freilegung. Zahnfilme fertige er an bei Planung, der prothetischen Phase und der Nachsorge nach der Eingliederung. Beim Einsatz eines DVT orientiert er sich an den Indikationen, die in den S2-Leitline beschrieben sind. Zukünftig werden sich die Themen eher in die digitale Zahnmedizin verlagern, zum Beispiel beim Matchen digitaler Scans mit einem DVT, auf dieser Basis mit einem digitalen Wax-up eine Führungsschablone ohne weiteres Modell printen zu lassen.
Therapie zahnloser Kiefer
Prof. Dr. Nicola Zitzmann, Basel, erörterte die Frage, wann eine festsitzende und wann eine herausnehmbare implantatgestützte Rekonstruktion im zahnlosen Oberkiefer indiziert ist. Nach Auffassung der Expertin für Alterszahnheilkunde liegen die wichtigen diagnostischen Faktoren für die Entscheidungsfindung in der Morphologie, dem Ausmaß der Resorption und dem Bedarf an Weichteilunterstützung. Bei der Planung und der Versorgung mit abnehmbaren Overdentures bedarf es mehr Flexibilität – dennoch ist in vielen Fällen diese Versorgungart die richtige Wahl und keinesfalls als Rückschritt für den Patienten zu bewerten.
Bei der Therapie zahnloser Kiefer berichtete PD Dr. Jörg Neugebauer, Landsberg am Lech, über gute Erfahrungen mit prothetischen Versorgungskonzepten über angulierten Implantaten. Dabei kommen bei der Sofortversorgung titanverschweißte Metallarmierungen und Kunststoffverblendungen zum Einsatz. Bei der definitiven Suprastruktur arbeitet der erfahrene Implantologe mit CAD/CAM-Stegen, Kunststoffgerüsten (PEEK) sowie kunststoff- und keramikverblendeten CAD/CAM-Gerüsten.
Abschließend erläuterte PD Dr. Dr. Daniel Rothamel, Köln, die Kölner Defektklassifikation (CCARD/Konsensuskonferenz BDIZ/EDI 2013). Damit sollten für die verschieden Defektklassen Therapieempfehlungen für den Praktiker geschaffen werden. Es stehen heute verschiedene Möglichkeiten der Defektregeneration zur Verfügung. Als Goldstandard gilt die Eigenknochentransplantation, dennoch sind bei kleinen lateralen Augmentationen und beim Sinuslift Knochenersatzmaterialien (KEM) und Knochen gleichwertig einsetzbar. Bei der Verwendung von KEM ergeben sich Vorteile durch die Membranapplikation. Zudem erhöht der Zusatz von Eigenknochen die biologische Potenz von KEM. Wichtig ist die Stabilisierung des Augmentats vor allem außerhalb der Evelopes. Als Methode der Zukunft beschrieb Rothamel das Konzept individualisierter, gefräster, allogener Knochenblöcke und gab einen Ausblick auf einen neuen Ansatz zur Distraktion – der sich noch im Rahmen einer klinischen Studie befindet – bei dem auf die Präparation des krestalen Segments verzichtet wird und stattdessen nach dem Inserieren einer Hydroxyl-Apatit beschichteten Titanplatte den Kallus, der sich darunter ausbildet, zu expandieren.
Die Abende standen ganz im Sinne der bayerischen Gastfreundschaft. So wurde am Freitag, dem Vorabend des Wiesn-Auftakts, im Augustiner Klosterwirt kollegialer Austausch gepflegt, während der Samstagabend in einer Oktoberfestparty im Wiesenzelt am Stiglmaierplatz den geselligen Ausklang des Symposiums markierte.