Plädoyer für Freiheit und Verantwortung
Mit einem Festakt in der Frankfurter Paulskirche ist gestern Abend der Deutsche Zahnärztetag 2013 eröffnet worden. An historischer Stätte hielt Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio eine Festrede über die Selbstentfaltung im sozialen Rechtsstaat.
Zum Auftakt definierte DGZMK-Präsident Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake die Rolle der Wissenschaft mit deutlichen Worten. Deren Glaubwürdigkeit hänge unumstößlich an ihrer Unabhängigkeit. Ohne die Beziehung etwa zur Industrie dämonisieren zu wollen, müsse betont werden, dass die Beziehung der Wissenschaft zur Industrie immer nur eine „Zweckgemeinschaft“ sein könne. Die Wissenschaft müsse darauf achten, dass nach ihren Regeln gehandelt werde. So müssten eben auch negative Studienergebnisse ohne Einschränkungen publiziert werden. Die neu ins Leben gerufene Agentur für Wissenschaftsförderung habe das Ziel, Therapien und Techniken zu bewerten und für eine konsequente Transparenz zu sorgen.
Zudem mahnte Schliephake die Kolleginnen und Kollegen an den Universitäten, sich vom alten „Ordinarien-Respekt“ zu verabschieden. In dieser Zeit sei eine andere Art von Lehre und Unterricht gefragt: „Wir sollten mehr fördern als nur fordern.“
Eßer diagnostiziert Schieflage
Der neue KZBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Eßer diagnostizierte eine Schieflage in den Beziehungen zwischen Zahnärzten und Krankenversicherern. Die Kostenträger versuchten immer mehr, die Patienten zu navigieren, anstatt sich auf ihre ureigene Rolle als Kostenerstatter zu konzentrieren. Eßer kritisierte eine Kultur des Misstrauens, die durch das Verhalten und die Kritik der Kassen entstanden sei, der zudem der VDZI leichtfertig zustimme. Stolz verwies Eßer darauf, dass gerade die Zahnärzte durch viele Initiativen die Zahnmedizin in der jüngsten Vergangenheit ein Stück Demografie-fester gemacht hätten. Dies fortzusetzen sei nur möglich, wenn die Freiberuflichkeit ohne die Direktiven Dritter beibehalten werde.
Eine „fachliche Beinfreiheit“ mahnte Dr. Peter Engel, Präsident der Bundeszahnärztekammer, in seinem Grußwort an. Es sei eine elementare Aufgabe des Staates, die Selbstverwaltung zu stärken. Dringend sei der Handlungsbedarf beim Thema Gesundheitsreform, für deren Ausgestaltung die Zahnärzte als „starker und zuverlässiger Partner“ zur Verfügung stünden.
Di Fabio, Richter am Bundesverfassungsgericht a.D., kritisierte in seinem Festvortrag „Werte des Westens. Selbstentfaltung im sozialen Rechtsstaat“ zunächst, dass die westliche Welt in der Vergangenheit die Nachhaltigkeit seiner kulturellen Infrastruktur vernachlässigt habe. Er fragte gar, ob aus dem Sieger des „Kalten Krieges“ inzwischen nicht sogar ein „Patient“ geworden sei, weil nicht weiterhin nachhaltig am Gemeinwesen gearbeitet worden sei. Der Begriff „Westen“ stehe als Begriff für ein bestimmtes Wertesystem, der den Menschen in den Mittelpunkt seines Rechtssystems stelle. „Zuerst kommen die Grundrechte, dann erst geht es um die Staatsorganisation“, definierte Di Fabio die Säulen unseres Rechtsstaates. Eine Gesellschaft brauche immer auch eine Ausgewogenheit – und zwar eine aus Eigenverantwortung und Staatlichkeit. Freiheit und Verantwortung seien dabei zentrale und gleichberechtigte Begriffe. Dies gelte nicht zuletzt auch für das zahnärztliche Tun. Di Fabio bezeichnete die Selbstverwaltung als „große Institution“, und Institutionen garantierten diese Ausgewogenheit. Allerdings hätten die Menschen derzeit das Vertrauen in Institutionen verloren. Di Fabio schloss mit einem positiven Gedanken: „1000 Jahre hat die Antike gedauert, 1000 Jahre auch das Mittelalter, und die Neuzeit ist erst 500 Jahre alt: Wir haben also noch einiges vor uns.“
Mit Miller-Preis ausgezeichnet
Mit der höchsten wissenschaftlichen Auszeichnung der DGZMK, dem Miller-Preis, ehrte Schliephake in Frankfurt die beiden Forscher PD Dr. Arne Schäfer und Dr. Gregor Bochenek, Kiel, für ihre Arbeit über die Rolle einer spezifischen RNA für den Fett- und Zuckerstoffwechsel. Sie fanden heraus, dass sowohl Herzinfarkt als auch Parodontitis gemeinsamer Ausdruck eines gestörten Fett- und Zuckerstoffwechsels sind.
Mit der Ehrenmedaille der DGZMK zeichnete Schliephake Prof. Dr. Michael Noack, Köln, für dessen wissenschaftliche Arbeiten aus. Die Goldene Ehrennadel der DGZMK erhielten Dr. Lutz Laurisch, Korschenbroich, für sein Engagement im Bereich der Prophylaxe und Dr. Karl-Rudolf Stratmann, Köln, für seine langjährige Arbeit als Generalsekretär der DGZMK.
Goldene Ehrennadel der BZÄK verliehen
Die Goldene Ehrennadel der BZÄK überreichte Engel an gleich drei Persönlichkeiten: Dr. Brita Petersen, die sich u.a. sehr für die Belange der Zahnärztinnen einsetzt, Dr. Peter Kind für sein Engagement für den Freien Verband sowie Dr. Klaus Lindhorst für seine ehrenamtliche Arbeit speziell für die bayerischen Kollegen.