Geweberegeneration und Parodontalbehandlung

Hyaluronsäure im Fokus



Dr. Frederic Kauffmann ist in Düsseldorf in einer kieferchirurgischen Praxis tätig. Das Thema Hyaluronsäure begleitet ihn schon seit vielen Jahren im Praxisalltag und ist auch Fokus seiner wissenschaftlichen Arbeit im Bereich der Regeneration. Dort beobachtet er täglich die positiven Effekte der unterschiedlichen Wundheilungsmodifikatoren, insbesondere das Potenzial von Hyaluronsäure in der Geweberegeneration und der parodontalen Behandlung.

Was ist Hyaluronsäure (HA) und was macht sie so besonders wertvoll in der Wund- beziehungswei­se Gewebeheilung?
Dr. Frederic Kauffmann: Hyaluronsäure ist eine natürliche Substanz, die beim Menschen im Gelenkspalt, im Auge und der Haut vorkommt. Während Hyaluronsäure früher aus Rinderaugen oder Hahnenkämmen gewonnen wurde, erfolgt die Herstellung heute über Bakterienfermentation, ähnlich wie man es von der Herstellung von Humaninsulin kennt. Hierdurch kann gewährleistet werden, dass HA keine tierische Proteinreste mehr enthält.

In ihrer chemischen Zusammen­setzung ist die Hyaluronsäure bei allen Spezies identisch, bislang wurden keinerlei Komplikationen, Nebenwirkungen oder allergische Reaktionen bei der Anwendung ­beschrieben.

Hyaluronsäure kann große Mengen Flüssigkeit binden und sorgt hierdurch für eine zusätzliche Stabilität während der Wundheilung. Denkt man an das Blutkoagel, bringt dies Vorteile sowohl für das Weichgewebe als auch für die knöcherne Regeneration. Des Weiteren zieht Hyaluronsäure Wachstumsfaktoren an und schafft für viele, die Wundheilung begünstigende Zellen, ein ideales Umfeld.

Es gibt zwei Grundvarianten – die kreuzvernetzte und der nicht vernetzte HA. Worin liegen die Unterschiede?
Dr. Kauffmann: Die nicht vernetzten HA zeichnet eine relativ kurze Standzeit aus. Sie werden innerhalb von Stunden abgebaut und beeinflussen deshalb eher die frühe Wundheilung. Die kreuzvernetzten HA (xHyA) hingegen sind – histologisch belegt – teils über Monate hinweg in situ nachweisbar und wirksam. Ich verwende in meinem Praxisalltag eine kreuzvernetzte Variante, die aber auch einen nichtkreuzvernetzten Anteil enthält. Sie sorgt deshalb sowohl in der frühen als auch in der späten Phase der Wundheilung für positive Effekte.

Für welche Indikationen beziehungsweise Defektsituation emp­fiehlt sich die Anwendung von nicht vernetzter HA und wann die der kreuzvernetzten Variante xHyA?
Dr. Kauffmann: Ich selbst verwende prinzipiell eine kreuzvernetzte Variante, weil sie eine längere Standzeit hat und man davon ausgehen kann, dass keine Wundheilung bereits nach wenigen Stunden abgeschlossen ist. Grundsätzlich gilt: Je mehr das Weichgewebe im Fokus steht, desto eher kann man auf die „schnelle“, also nichtkreuzvernetzte HA setzen. Für einen Heilungsprozess über Wochen oder Monate eignet sich eher eine kreuzvernetzte Produktvariante xHyA.

Für meinen Praxisalltag möchte ich möglichst nur ein Produkt vorhalten müssen, deshalb habe ich mich auf eine rein kreuzvernetzte HA festgelegt, die ich für alle Fälle einsetzen kann.

Wie steht es denn um die Datenlage?
Dr. Kauffmann: In PubMed sind aus den Jahren bis 2005 nur wenige Publikationen zum Thema Hyaluronsäure im dentalen Bereich zu finden. Seit 2005 steigt die Zahl der Veröffentlichungen jedoch rapide an. In den vergangenen Jahren wurde die Marke von 120 Publikationen pro Jahr deutlich überschritten. Somit verfügen wir heute über eine gute Datenlage, sowohl für die chirurgische beziehungsweise nicht chirurgische Parodontitis- und Periimplantitistherapie als auch zur ästhetischen Parodontalchirurgie und für den Bereich der knöchernen Augmentationen. Insbesondere zum Thema Knochenregeneration kommen ständig Daten hinzu.

Auch wir haben gerade etwas dazu publiziert: Wir konnten bei lateralen Augmentationen zeigen, dass der alleinige Zusatz von vernetzter Hyaluronsäure xHyA die Knochenqualität und -quantität verbessert. Zudem finden sich weniger Bindegewebsanteile in den Augmentaten, und es bildet sich mehr Knochen – ohne, dass wir unsere Technik oder das Material geändert haben.

Wie kann HA in der nichtchirurgischen PA-Therapie angewendet werden?
Dr. Kauffmann: Hier verhält es sich ähnlich wie in der PA-Chirurgie: Nach dem klassischen Scaling & Root Planing in der nicht chirurgischen Parodontaltherapie kann man abschließend die Hyaluronsäure in die Taschen einbringen – auch hier wieder die Empfehlung für eine kreuzvernetzte, langsam abbauende Variante. Hier zeigen die Studien nicht nur eine Reduktion der Taschentiefe, sondern einen wirklichen Attachmentgewinn von 0,5 bis 1 Millimeter, was bemerkenswert ist, da sich ja sonst nichts an der Vorgehensweise geändert hat. Damit könnte man überlegen, Hyaluronsäure im Rahmen der UPT beziehungsweise der Nachreinigung wieder regelmäßig anzuwenden. Das Gel wird nach erfolgter Reinigung mit einer stumpfen Kanüle in die Taschen eingebracht.

Vor dem Hintergrund gekürzter PA- und knapper Patientenbudgets: Wie können ein- oder mehrmalige therapieunterstützende HA-Maßnahmen im Rahmen einer PA-Behandlung abgerechnet werden?
Dr. Kauffmann: Es handelt sich dabei um eine private Zusatzleistung, die man im Rahmen der PA-Behandlung anwenden kann, die jedoch nicht über die gesetzlichen Krankenkassen abgedeckt wird. Die Therapie mit HA kann über die GOZ-Position 4110 abgerechnet werden, zuzüglich der Materialkosten. Hier gilt es, ein für die Praxis und den Patienten vertretbares Preiskonzept zu entwickeln.

… und wie ist die Akzeptanz der Patienten hinsichtlich der HA-Gabe und den damit verbundenen Kosten?
Dr. Kauffmann: Die Akzeptanz bei den Patienten ist sehr hoch. Ich erläutere den Patienten, dass der Einsatz von HA die Heilung positiv beeinflusst – und ich habe fast keinen Patienten, der dazu nein sagt. Ich versuche zusätzlich, die Anwendung für den Patienten fair zu honorieren. Hyaluronsäure ist im Bewusstsein der meisten Patienten bereits positiv verankert – sei es durch die Faltenunterspritzung oder den Einsatz in der Orthopädie –, sodass es an der Stelle kaum Überzeugungsarbeit von meiner Seite bedarf.

Ist die HA nur hilfreich in den Händen eines erfahrenen Behandlers oder könnte auch ein Anfänger damit bereits bessere Ergebnisse erzielen?
Dr. Kauffmann: Die Anwendung von HA eignet sich auch für Parodontologie-Einsteiger. Dabei denke ich an die ganz klassische, nicht chirurgische Parodontaltherapie Scaling & Root Planing. Hier zeigen sich HA-bedingte klinische Erfolge recht schnell.

Auch in der Chirurgie profitieren Unerfahrene von dem HA-Mehrwert, indem das KEM mehr „Stickyness“ zeigt, weniger Blutung auftritt und die Heilung begünstigt ist. Den größten Benefit haben jedoch sicherlich erfahrene Chirurgen mit entsprechender Patientenselektion und OP-Know-how.

Doch zurück zur Frage: Die Anwendung von HA an sich ist nicht kompliziert und kann vom Anfänger und sogar vom Studenten angewandt werden; es braucht kein spezielles Training, um Hyaluronsäure einzubringen.

Und wo beginnt man als Anfänger am besten mit der HA-Anwendung?
Dr. Kauffmann: Ich würde dem Anfänger raten, HA im Rahmen der chirurgischen oder nicht chirurgischen Parodontaltherapie einfach einmal auszuprobieren, es in einen Defekt einzubringen, zu beobachten wie sich die Wundheilung in den nächsten drei Tagen entwickelt und wie es den Patienten damit geht. Die Kosten für die HA sind gut investiert – auch für den Behandler –, um es einmal auszutesten und sich selbst davon überzeugen zu lassen, wie gut es funktioniert.

Wie lautet Ihr Fazit und Ausblick zum Einsatz von HA in der Parodontologie?
Dr. Kauffmann: Bezogen auf die HA ganz allgemein lautet mein Fazit: Sowohl bei der klassischen chirurgischen und nicht chirurgischen Parodontal- und Periimplantitistherapie als auch der knöchernen augmentativen Chirurgie ist die HA ein sehr effektives Tool, das sich aus der Nische der Papillenaugmentation erst einmal herausarbeiten musste und nun langsam sein volles Potenzial entwickelt. Die Vielzahl hochwertiger publizierter Daten zeigt, dass die Hyaluronsäure eine gute Alternative zu allen anderen bis jetzt auf dem Markt erhältlichen Wundheilungsmodifikatoren darstellt. Der Einsatz von HA lohnt sich, weil sie zum einen für den Patienten eine verbesserte Heilung bringt und zum anderen für den Behandler einfach in der Handhabung ist. Hinzu kommt, dass das individuelle Konzept, die Materialauswahl und das operative Prozedere nicht geändert werden müssen. Man verwendet die HA als zusätzliches Tool, ohne dass man das individuelle Konzept umstellen muss. Die Hyalurongabe erfolgt einfach „on top“ und die Heilung verläuft besser und konsistenter.

Vielen Dank für das informative ­Gespräch, Herr Dr. Kauffmann.

„Der Einsatz von ­
Hyaluronsäure lohnt sich, ­
weil sie zum einen für den Patienten eine verbesserte Heilung bringt und zum anderen für den Behandler einfach in der Handhabung ist.“
Dr. Frederic Kauffmann

Vita
Dr. Frederic Kauffmann
ist ITI Fellow und Spezialist für Parodontologie in der kieferchirurgischen Gemeinschaftspraxis Dr. Dr. Stroink und Kollegen, Düsseldorf. Nach dem Studium an der Universität Würzburg war er zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter, danach Oberarzt in der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Universität Würzburg. Die Jahre 2018 bis 2020 verbrachte er erst im ITI Scholarship, danach als Clinical Lecturer an der University of Michigan School of Dentistry, Department of Periodontics and Oral Medicine, Ann Arbor, USA.

www.kieferchirurgie.org