Expertenzirkel

Wie lässt sich die häusliche Mundhygiene verbessern?

Die gute Nachricht vorweg: Grundsätzlich arbeiten die Patienten seit einigen Jahren deutlich motivierter an ihrer häuslichen Mundpflege. Aber wissenschaftliche Studien und die Erfahrungen in der Praxis zeigen: Schlechte Zahnputzgewohnheiten werden eher gepflegt als geändert. Und: Zudem verschlechtert sich im Alter mit zunehmender Gebrechlichkeit und Pflegebedürftigkeit die Mundhygiene. Daher diskutieren hier vier namhafte Experten, ob die Verwendung einer elektrischen Zahnbürste den Mundhygienestatus grundsätzlich für alle Patientengruppen heben kann.



Wie ist es um die häusliche Mundhygiene in Deutschland bestellt?
Prof. Dr. Michael J. Noack: Dank der engagierten Arbeit – insbesondere der Praxisteams – verbessert sich die häusliche Mundhygiene und damit die Mundgesundheit in Deutschland.
Sylvia Fresmann: In den letzten Jahren hat das Verständnis für die Notwendigkeit der häuslichen Mundhygiene zugenommen. Auch die Anwendung von zusätzlichen Hilfsmitteln wie Interdentalbürstchen ist bei vielen Patienten etabliert, leider nicht immer regelmäßig. Wichtig ist, dass wir genaue Empfehlungen zu den Hilfsmitteln und auch deren Anwendung geben, am besten schriftlich oder in einer App.
Jan Hendrik Halben: Das deckt sich mit meiner Wahrnehmung. Die Motivation zur häuslichen Mundhygiene ist aber sehr unterschiedlich. In meiner Praxis sehe ich nur eine schon selektierte Patientengruppe. Viele erreichen wir aber erst gar nicht. In der heutigen Zeit scheint die Frage mitentscheidend, ob sich ein Patient eine Hygieneinstruktion und eine professionelle Zahnreinigung oder den Zahnarzt leisten will oder es kann.

Und bei älteren Patienten, Frau Prof. Barbe?
Prof. Dr. Dr. Greta Barbe: Seit der letzten Mundgesundheitsstudie liegen repräsentative Kennzahlen auch von älteren Senioren vor. Die Daten zeigen eindrucksvoll: Die Mundhygienequalität sinkt mit steigendem Alter und eintretendem Pflegebedarf, dafür steigt der Assistenzbedarf bei der Mundhygiene. Dies wurde bisher nicht ausreichend aufgefangen.

Welche Defizite sind feststellbar und welche sogenannten „Bad Habits“ haben die Patienten in puncto häusliche Mundhygiene?
Prof. Noack: Die Mitarbeitenden in den Praxen erleben immer wieder, dass ihre Patienten kein zufriedenstellendes Plaque-Biofilm-Management erreichen – trotz erneuter Motivation und Instruktion. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass dies bei Verwendern von Handzahnbürsten häufiger vorkommt.
Fresmann: Gerade bei Zeitmangel oder in Stresssituationen verfallen viele Patienten in alte Verhaltensweisen. Sie lassen die Zahnpflege manchmal ausfallen oder nehmen sich zu wenig Zeit, putzen eher unsystematisch und vergessen daher viele Flächen an den Zähnen. Zu den häufigsten Bad Habits gehört, dass die Zähne am Abend zwar schnell mit der Zahnbürste geputzt werden, jedoch die Zwischenraumreinigung durch eine Spülung ersetzt wird.
Halben: Im Zusammenhang mit Zahnbürsten denke ich in erster Linie an zu hohen Anpressdruck. Manche elektrische Zahnbürsten liefern recht ausgeklügelte Systeme, um die Patienten vor zu hohem Druck zu warnen.
Mit den Patienten, die eine Handzahnbürste verwenden, üben wir mithilfe einer Briefwaage, damit sie ein Gefühl für die richtige Kraft bekommen.
Prof. Barbe: Leider wissen wir aus wissenschaftlicher Sicht nur wenig über die genauen Mundhygiene-Habits von älteren Menschen. In der Betreuung dieser Patienten ist das Wissen wichtig, dass Bad Habits kein Vorsatz, sondern Begleiterscheinung der sich verändernden körperlichen Gegebenheiten sind. Eine Mundhygiene, wie sie möglicherweise bis dato gut funktioniert hat, ist bei Eintreten von Risikofaktoren vielleicht nicht mehr für die Gesunderhaltung von Zähnen und Gingiva ausreichend. Den Patienten ist diese schleichende Verschlechterung zumeist nicht bewusst, da sie „wie immer“ putzen – aber nicht mehr so effektiv. Was einmal „drin“ ist, lässt sich nur schwer ändern.
Prof. Noack: Aus Videostudien von Patienten beim Zähneputzen haben wir gelernt, dass jeder von uns ein individuelles Bewegungsmuster praktiziert, das offenbar nur sehr begrenzt veränderbar ist. Können diese Habits nicht überwunden werden, ist es nicht sinnvoll, immer weiter zu motivieren und zu instruieren. Hier ist der Wechsel des Hilfsmittels vielversprechender und damit angezeigt.

Wie schätzen Patienten ihre eigenen Fähigkeiten bezüglich der häuslichen Mundhygiene ein?
Halben: Viele Patienten sind der Ansicht, ihre häusliche Mundhygiene sei nicht mehr zu verbessern. Wird dann ein Plaque-Index erhoben und werden die angefärbten Defizite im Spiegel sichtbar, ist die Überraschung manchmal groß – vielleicht zu groß. Wir müssen aufpassen und kleinschrittig vorgehen, um die initiale Motivation nicht früh wieder zu verlieren.
Fresmann: Ja, zeigt man, wo „die Zahnbürste überall nicht hingekommen ist“ sind viele Patienten erschrocken. Sie haben sich besser eingeschätzt. Andere wiederum sagen gleich zu Anfang der Sitzung, dass es zum Beispiel mit der Zwischenraumreinigung nicht regelmäßig geklappt hat.
Prof. Barbe: In einer eigenen Untersuchung haben wir ältere Menschen befragt: Die eigene Mundhygienefähigkeit wird eher als gut bewertet, selbst wenn dies offensichtlich nicht mehr der Fall ist.
Prof. Noack: Patienten überschätzen ihre Fähigkeiten. Ich denke, dass dies bei Verwendern von Handzahnbürsten noch stärker ausgeprägt ist. Hierzu gab es kürzlich eine bemerkenswerte Studie der Arbeitsgruppe um Prof. Renate Deinzer in Giessen. Sie hat Probanden aufgefordert, beim Zähneputzen ihr Bestes zu geben. Doch die Verbesserung der Plaque-Biofilm-Entfernung war trotz des Bemühens der Probanden enttäuschend. Offenbar ist es für viele kompliziert.

Sind die Putzergebnisse per se bei Verwendern von elektrischen Zahnbürsten besser als bei Nutzern einer Handzahnbürste?
Prof. Noack: Verschiedene Studien haben überzeugend gezeigt: Menschen in jedem Alter weisen weniger Karies und Parodontitis und mehr Zähne auf, wenn sie eine elektrische Zahnbürste benutzen. Offenbar profitieren die Benutzer einer elektrischen Zahnbürste von den eingebauten Bewegungen und Schwingungen der Bürstenköpfe. Eine weitere Erklärung liegt auch in der Tatsache, dass uns elektrische Zahnbürsten daran erinnern, morgens und abends mindestens zwei Minuten in unsere Mundgesundheit zu investieren.
Prof. Barbe: Ein optimales Putzergebnis kann sowohl mit einer Hand- wie auch mit einer elektrischen Zahnbürste erreicht werden. Es kommt auf die Ausführung und Systematik an und natürlich auch auf das regelmäßige Nutzen zusätzlicher Hilfsmittel wie Interdentalraumbürstchen.
Halben: Der Ansicht bin ich auch, aber tatsächlich beobachte ich bei einer Patientengruppe eindeutige Vorteile, wenn sie eine elektrische Zahnbürste verwenden: bei Männern. Ich kann mir das nur über eine immer noch höhere Affinität zu technischen Geräten erklären.
Fresmann: Wir beobachten, dass die elektrische Zahnbürste motiviert, zum einen durch die Eigenbewegung der Bürste und zum anderen durch Programme oder Apps in Zusammenhang mit der jeweiligen Zahnbürste.

Stichwort elektrische Zahnbürste und Bürstenkopf: Wer kommt mit kleinen runden Bürstenköpfen und wer mit der länglichen Form besser zurecht?
Prof. Noack: Für all diejenigen, die sich viel Zeit nehmen und versuchen, sehr sorgfältig Zahn für Zahn zu reinigen, ist ein kleiner Bürstenkopf vorteilhaft. Die vielen Zahnputzlaien und weniger Motivierten kommen dagegen mit einem länglichen Bürstenkopf, der in seiner Form vergleichbar mit einer Handzahnbürste ist, zu besseren Putzergebnissen. Während man mit dem runden Kopf die Zahnflächen einzeln abfahren muss, toleriert der längliche Kopf die verschiedenen Bewegungsmuster von uns und unseren Patienten.
Fresmann: Wir lassen uns zeigen, wie die Patienten mit ihrer elektrischen Zahnbürste putzen. Es ist wichtig, dass Größe und Form des Bürstenkopfes das Erreichen aller Stellen ermöglichen.

Welchen Anteil hat die Auswahl des passenden Bürstenkopfes auf ein optimales Putzergebnis mit einer elektrischen Zahnbürste?
Prof. Noack: Zahnbürstenköpfe sind Hightech und haben einen enormen Anteil am Reinigungserfolg. Das zeigt auch das aktuelle Ergebnis der Stiftung Warentest: Während die Sonicare mit dem besten Kopf den letzten Test noch gewann, erreichte die Schallzahnbürste mit dem Standardkopf nur Platz drei. 
Das ist bei Handzahnbürsten genauso oder noch relevanter. Handzahnbürsten mit Borsten aus nachwachsenden Rohstoffen und einem Bambusgriff sollen zwar nachhaltig sein, doch leider bleiben Hart- und Weichgewebe damit nicht nachhaltig gesund und können sogar Schaden nehmen. Unter anderem entsprechen die Borstenspitzen nicht dem üblichen Qualitätsniveau.

Wie wichtig ist das Putzerlebnis, um eine Verbesserung der häuslichen Mundhygiene herbeizuführen und was sind die meistgenutzten Features, die die Motivation zum Zähneputzen erhöhen?
Fresmann: Apps, Putzprogramme oder auch Töne, die den Wechsel in den nächsten Quadranten ankündigen, steigern die Motivation. Generell beobachten wir bei unseren Patienten, dass die Motivation zur Veränderung nach einer Behandlung groß ist.
Halben: Es werden immer mehr Features verbaut. Unserer Erfahrung nach motivieren diese Gadgets einige Patienten tatsächlich, andere hingegen schalten diese Features einfach ab.
Unsere Patienten bringen ihre eigene Bürste für die Instruktion mit. Das „Putzerlebnis“, das möglicherweise zum Kauf der Zahnbürste geführt hat, wird dann hoffentlich verstärkt.
Prof. Barbe: Geht es bei einem Mundhygiene-Ausgangsniveau nur um kleine Nuancen, weil schon ein hoher Standard besteht, mögen solche Features zur weiteren Verbesserung beitragen. So bemerke ich bei meinen Kindern eine höhere Motivation, wenn am Ende des Putzvorgangs das Smiley erscheint. Leider verebbt dieser Effekt regelmäßig.
Fehlt jedoch grundlegend die Motivation zur Mundhygiene, habe ich es mit anderen Erfolgsfaktoren zu tun. Im Kontext der Mundhygiene durch Pflegefachpersonen führt weniger Blutung beim Putzen zu einer geringeren Hemmschwelle bei der Mundhygiene und einem sichtbaren Erfolg. Allerdings muss in diesen Fällen häufig erst wieder eine regelmäßige Mundhygiene etabliert werden.

Wie holen Sie preissensible Patienten ab, um in eine elektrische (Premium-) Zahnbürste zu investieren?
Prof. Barbe: „Preissensible Patienten“ zeigt, bei welchen Gruppen aktuell angesetzt werden muss. Ich vermisse auf dem Markt Produkte, die explizit für die breite – übrigens einer der wenigen Wachstumsmärkte im Mundhygienebereich – „preissensible“ Patientengruppe betagter und hochbetagter Menschen beworben werden.
Im Bereich Pflege gibt es selten ein zusätzliches oder ausreichendes Budget für angepasste Mundhygienehilfsmittel. Andere unterstützende Hilfsmittel können verordnet werden – es wäre ein Ansatz, auch Mundhygienehilfsmittel in diesen Katalog mit aufzunehmen.
Fresmann: Wir empfehlen die Modelle, die weniger Features haben, und bei gleichen Leistungsmerkmalen günstiger sind …
Prof. Noack: …denn der Antrieb einer Schallzahnbürste ist bei allen Modellen gleich. Lieber das Grundmodell – gegebenenfalls mit einem Premium-Bürstenkopf – anstatt weiter mit der Handzahnbürste einem Putzerfolg hinterherzulaufen. Manchmal erwähne ich bei Patienten, dass ein Grundmodell weniger kostet als zehn Packungen Zigaretten.
Halben: Wer sich keine elektrische Zahnbürste leisten kann oder will, den instruieren wir mit der Handzahnbürste. Wir sollten uns aber generell bewusst sein, dass wir sowieso nur die Patienten erreichen, die bereit sind, eine professionelle Zahnreinigung zu bezahlen.

Gibt es messbare Zusammenhänge zwischen der Verwendung einer elektrischen Zahnbürste und einer Verbesserung der Mundgesundheit?
Prof. Noack: In vielen Studien finden unabhängige klinische Wissenschaftler bei Patienten eine bessere Mundgesundheit vor – also weniger Karies und Parodontitis, dafür mehr Zähne –, wenn sie eine elektrische Zahnbürste benutzen. Aber: Jede Studie, selbst die beste, hat auch Verfärbungsrisiken (Bias). Aus einem kritischen Blickwinkel könnte man argumentieren, dass bei diesen Studien eine Selektion vorliegt, da die Käufer von elektrischen Zahnbürsten offenbar ein höheres Gesundheitsbewusstsein aufweisen. Bezieht man sich aber auf die erwähnte Studie von Prof. Renate Deinzer, dann wollen Patienten besser putzen, bekommen es aber nicht hin. Welche Alternative gibt es also zum Wechsel auf ein besseres Hilfsmittel? Wir wissen, dass Instruktionen wissenschaftlich gesehen keineswegs sehr erfolgreich sind. Oder anders: Die Verheirateten unter uns wissen, wie schwer es ist, einen anderen Menschen zu ändern.

Wie kommen ältere, multimorbide Patienten mit den hochmodernen elektrischen Zahnbürsten zurecht?
Halben: Wenn die manuelle Geschicklichkeit nachlässt, ist die elektrische Zahnbürste die beste Empfehlung.
Prof. Barbe: Die Frage spiegelt aktuell nicht die Realität dieser Patientengruppe wider. Bei ihnen geht es häufig darum, Mundhygiene überhaupt aufrecht zu erhalten. Und dies in einer Situation, in der viele chronische Erkrankungen und auch Gebrechlichkeit zunehmend eintreten. Denken Sie an Ihre eigenen Eltern: Eine hochmoderne elektrische Zahnbürste kann helfen, ausgehend davon, auf welchem Niveau die Mundhygiene der Menschen selbst und der Angehörigen oder Pflegefachpersonen bereits steht.
Realistisch gesehen wäre es schon schön, wenn mit einer – selbst nicht ganz modernen – elektrischen Zahnbürste jede Zahnfläche regelmäßig erreicht würde und die Prothesenreinigung ein selbstverständlicher, regelmäßiger Teil der Mundhygiene wäre. Über hochmoderne Lifestyle-Zahnbürsten muss hier nur sehr vereinzelt nachgedacht werden.
Prof. Noack: Elektrische Zahnbürsten sind dazu da, uns Arbeit abzunehmen. Morgens wenn man noch müde ist – und abends, wenn man wieder müde ist. Das gilt auch für ältere Patienten. Mittelfristig ergeben sich weitere Vorteile, wenn sich ein älterer Mensch an eine elektrische Zahnbürste gewöhnt hat. Da später die meisten in eine häusliche oder stationäre Pflegesituation kommen, haben es die Angehörigen oder das Pflegepersonal leichter, dem zu Pflegenden damit die Zähne zu reinigen. Dieser Aspekt sollte im Beratungsgespräch erwähnt werden.
Prof. Barbe: Ja, gerade beim Putzen durch Angehörige oder Pflegefachpersonal werden elektrische Zahnbürsten häufig als effektiver eingeschätzt. Es ist zunehmend wichtig, dass auch diese mit den Produkten zurechtkommen. ­Benötigt werden bedarfsadaptierte Produkte, auch für weitere Risikogruppen, zu einem „machbaren Preis“.

Inwieweit führt die Verwendung einer elektrischen Zahnbürste in der Pflege zu einer besseren Mundhygiene im Alter?
Fresmann: Pflegekräfte stehen zeitlich oft unter Druck. Macht der Patient dann nicht gleich mit, wird nur unzureichend gereinigt. Das ist kein Vorwurf, das ist Alltag. Die elektrische Zahnbürste mit ihren Eigenbewegungen kann viel bewirken und in gleicher Zeit ein besseres Reinigungsergebnis erzielen.
Prof. Barbe: Die richtige Anwendung einer Zahnbürste führt zu einer besseren Mundhygienesituation mit den entsprechenden positiven Folgen. Für die Interdentalraumpflege, Zungenreinigung und Prothesenhygiene gilt dies ebenso. Zu unterscheiden ist, wer die Mundhygiene durchführen muss: der Patient selbst, die Pflegefachperson oder Hilfskräfte, Angehörige oder gegebenenfalls alle, je nach Tagesform.

… und wie wirkt sich das auf die Allgemeingesundheit der pflegebedürftigen Patienten aus?
Prof. Barbe: Hier fehlen Daten, die uns diese Zusammenhänge in einer kausalen Kette – also bessere Mundhygiene gleich fitterer Mensch oder höhere Lebenserwartung – aufzeigen. Vieles deutet jedoch darauf hin. So berichten Kollegen in der aufsuchenden Betreuung, dass eine etablierte Mundhygiene auch zu fitteren älteren Menschen führt.
Noack: Studien machen deutlich: Risikopatienten sterben deutlich seltener an einer Lungenentzündung, wenn die Plaque-Biofilm-Kontrolle funktioniert. Die Bakterien der Mundhöhle werden nicht nur verschluckt, sondern auch aspiriert – insbesondere im Schlaf.
Prof. Barbe: In einer vulnerablen und instabilen Gesamtsituation kann jeder Infektionsherd im Körper zu einer Verschlechterung der Gesamtsituation beitragen. Daher ist alles, was die Mundhygiene optimiert, hilfreich. Dies würde ich aber in dieser Population nicht allein auf den Mehrwert von elektrischen Zahnbürsten beschränken, sie können natürlich ein unterstützendes Hilfsmittel sein.

Ist dieser Zusammenhang den pflegenden Angehörigen bewusst? Wie können Praxisteams mehr Bewusstsein schaffen?
Halben: Leider kämpfen wir oft gegen Windmühlen: Das Pflegepersonal ist oftmals nicht für das Zähneputzen ausgebildet. Pflegende Angehörige, die selbst aufmerksam mit ihrer eigenen Mundhygiene umgehen, sind oft sehr hilfreich.
Prof. Barbe: Ich erlebe viele Angehörige, denen das Thema bewusst ist, die aber mit der Gesamtsituation zu kämpfen haben. Zudem sind sie häufig selbst schon in einem höheren Alter. Oft scheitert es daran, dass bei pflegebedürftigen Angehörigen, die zu Hause leben, die regelmäßige Betreuung durch Zahnärzte nicht mehr gewährleistet ist.
Prof. Noack: Die Situation in der häuslichen wie stationären Pflege erlebe ich oft als sehr problematisch. Hier besteht enormer Verbesserungsbedarf, selbst wenn die Zahnärzteschaft in den letzten Jahren Hervorragendes geleistet hat. Den Familien, die zu uns kommen, raten wir, dass man vergleichbar zur Kinderzahnheilkunde das Nachputzen etabliert. Die meisten Eltern wissen, dass sie die ersten sechs Jahre bei ihren Kindern nachputzen müssen. Ein schöner Generationenvertrag käme zustande, wenn sich die Kinder später dafür revanchieren.
Prof. Barbe: In der Pflege erlebe ich ein steigendes Bewusstsein für Mundgesundheit, etwa durch die Implementierung des Expertenstandards des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP)1. In der zahnärztlichen Betreuung können bei Menschen mit Pflegebedarf viele Leistungen erbracht werden, die genau hier ansetzen: Bewusstsein schaffen, konkret schulen und auf den individuellen Patienten zugeschnittene Empfehlungen weitergeben.


Kann eine groß aufgelegte Werbekampagne mit einem Prominenten, wie Philips Sonicare sie mit Matthias Schweighöfer durchführt, einen motivierenden Einfluss auf das Mundhygienebewusstseins haben und auf welche Patientengruppen?
Fresmann: Sympathieträger wie Matthias Schweighöfer können sicher dazu beitragen, Patienten für das Thema Mundgesundheit zu sensibilisieren.
Prof. Barbe: Sicher ist das für viele Zielgruppen passend. Aber womöglich adressiert die Kampagne vor allem die Gruppen, die sowieso ein hohes Bewusstsein für gute Mundhygiene haben. Ich würde mich freuen, wenn solche Kampagnen mit entsprechenden Prominenten auch für Gruppen starten würden, für die wirklich ein grundlegender, großer Bedarf besteht.
Prof. Noack: Ich bin davon überzeugt, dass Matthias Schweighöfer jede Altersgruppe motivieren kann, über einen Wechsel auf eine elektrische Zahnbürste nachzudenken. Und ja, es ist gut, dass er vermutlich bei jungen Menschen für ein Bewusstsein zugunsten einer Schallzahnbürste sorgen wird. Viele Menschen folgen gern ihren Idolen und sympathischen Vorbildern.

Welche Features sollte die elektrische Zahnbürste der Zukunft mitbringen? Und: Ist die Handzahnbürste ein Auslaufmodell?
Halben: Ist mit dem Erscheinen des ersten Tesla das Fahrrad verschwunden? Die Handzahnbürste ist sicher kein Auslaufmodell.
Fresmann: Auch ich sehe die Handzahnbürste nicht als Auslaufmodell. Es wird immer Patienten geben, die diese Bürsten bevorzugen und gut mit ihnen zurechtkommen. Wer mit der gewählten Zahnbürste die Biofilme gut entfernt, hat keinen Grund, auf eine elektrische zu wechseln. Nur leider sind diese Patienten die absoluten Ausnahmefälle.
Prof. Noack: Es wäre sicher richtig, wenn Weiterentwicklungen das Thema Recycling beinhalten, der Antrieb weiter optimiert wird und die Produkte im harten täglichen Einsatz noch weniger störanfällig sind.
Prof. Barbe: Auf meiner Wunschliste steht am ehesten eine „preissensible elektrische Alterszahnbürste“, die direkt mit einem Hilfsmittel zur Prothesenreinigung kombiniert ist. An guten Ideen mangelt es sicher nicht.

Herzlichen Dank an Sie alle für das spannende und informative Gespräch.  




Literatur
  1. Einen Auszug des Expertenstandards „Förderung der Mundgesundheit in der Pflege“, herausgegeben vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege, finden Sie unter diesem Link: https://www.dnqp.de/fileadmin/HSOS/
Homepages/DNQP/Dateien/Expertenstandards/ Mundgesundheit/Mund_AV_