News

Eigenknochen bald passé?

Eigenknochen versus Augmentationsalternativen – was bringt vorhersagbaren Erfolg? So lautete das Thema des 8. Symposiums des Bundesverbandes der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa (BDIZ EDI), das unter wissenschaftlicher Leitung von Vizepräsident Prof. Dr. Dr. Joachim E. Zöller in Köln stattfand.


Foto: Dr. Liepe/BDIZ EDI


Jahrzehnte galt der Eigenknochen in der regenerativen Zahnheilkunde als Goldstandard, doch andere Methoden gewinnen an Bedeutung. Es bietet sich ein ganzes Spektrum erfolgversprechender Therapiemöglichkeiten an. Die Bandbreite reicht von der Augmentation mit bovinem Material plus Stammzellen über Distraktion und Bone-Splitting bis hin zur Ringtechnik mit allogenem Knochen. Stellt der Einsatz von Biomaterialien im Bereich der Hartgeweberegeneration heute tatsächlich eine Therapiealternative dar? Wenn ja, bei welchen Indikationen? Welche biologischen Prozesse werden wie beeinflusst und welche Augmentationsmethoden stellen Langzeiterfolge in Aussicht?

Alternativen für Eigenknochen-Entnahme nötig

Fakt ist, darüber herrschte Einigkeit in Köln: Der Gewinn von Eigenknochen geht mit einer teilweise enormen Belastung des Patienten einher, vor allem, wenn aus der Beckenkammregion entnommen wird. Es braucht also Alternativen. Ob die Stammzellentherapie dazu schon in der nächsten Zeit genügend Potenzial hat, bleibt allerdings abzuwarten.

Einen umfangreichen Überblick zum derzeitigen Forschungsstand in der Medizin lieferte Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Hescheler vom Institut für Neurophysiologie der Universität Köln. Er stellte neue Möglichkeiten vor, mit zurückdifferenzierten pluripotenten Stammzellen, beispielsweise aus Hautbiopsien, das ethische Problem embryonaler Stammzellen zu umgehen. In der Kardiologie kommt die Methode bereits zum Einsatz, wie er demonstrierte. Er zeigte sich zuversichtlich, dass das Stammzellenverfahren auch in der Zahnmedizin weiter an Bedeutung gewinnen werde. Schließlich sei die Tatsache, dass dem „Haifisch die Zähne nachwachsen, auf Stammzellen zurückzuführen“. Prof. Dr. Dr. Rainer Schmelzeisen (Freiburg) skizzierte den aktuellen Stand der Stammzellenverfahren in der Zahnmedizin und beschrieb stammzellengestützte Augmentationsmethoden, die sich lab- und chairside durchführen lassen. Er, wie auch BDIZ-EDI-Vizepräsident Zöller, kritisierten die restriktiven gesetzlichen Bestimmungen in Deutschland.

Aufwändige Schalentechnik

Prof. Dr. Fouad Khoury (Olsberg) sprach sich dagegen vehement für die Verwendung von Eigenknochen bei der Hartgewebsaugmentation aus. Die vorhersagbare autogene Blockaugmentation durch Schalentechnik ist sein Metier – kostengünstig und garantiert ohne Infektionen und Entzündungen, wie er betonte. Im Sinusbereich setze man allerdings auch in seiner Klinik Biomaterialien ein. Die erfolgreiche Schalentechnik à la Khoury ist zwar allseits respektiert, sei aber für den niedergelassenen Praktiker sehr aufwendig zu erlernen, so die Ansicht einiger Teilnehmer. Dr. Bernhard Giesenhagen aus Melsungen und Dr. Orcan Yüksel (Frankfurt a. M.) stellten ihr Konzept der simultanen Augmentation und Implantation per Ringtechnik vor. Mehr als 1.000 Knochenringe habe man bislang erfolgreich entnommen und augmentiert. Neu: Neben Eigenknochen (Knochenringentnahme aus der Kinn- oder Gaumenregion) arbeiten die beiden seit einiger Zeit auch mit industriegefertigten allogenen Knochenringen „aus der Verpackung“, also mit Spenderknochen. Noch steht die Zulassung dieser Alternative in Deutschland aus. Von einem Experimentierstadium möchte Giesenhagen aber dennoch nicht sprechen. Schließlich seien solche Methoden in den USA bereits seit Jahren etabliert.

Eigenknochen noch höchstens zehn bis 15 Jahre Goldstandard

Ausgedehnte Rekonstruktionen mittels Beckenkamm und Distraktion zeigte Zöller anhand verschiedener Fallbeispiele mit großen Knochendefekten, die er mit dem Verfahren der Distraktionsosteogenese unter Eigenknochenentnahme aus dem Beckenkamm und im Schalentechnikverfahren behandelt. Noch sei der Eigenknochen Goldstandard, betonte Zöller, in zehn, spätestens 15 Jahren dürfte das aber wohl nicht mehr der Fall sein, so seine Prognose.

Die biologische Augmentation durch Vektordistraktion beleuchtete Dr. Ernst Fuchs-Schaller aus Zug in der Schweiz. Er spricht von Garagentordistraktion. Die Methode setze er bereits seit 2001 ein, etwa im distalen Unterkiefer. Der Kieferknochen wird mittels eines Spreadings – vergleichbar mit dem Mechanismus eines Garagentors – geöffnet, der entstandene Hohlraum mit Knochenersatzmaterial aufgefüllt und anschließend durch einen Distraktor gehalten. Fuchs-Schaller zeigte zehn Jahre post-OP stabile Weich- und Hartgewebeverhältnisse. PD Dr. Dr. Daniel Rothamel präsentierte mit der „Kölner Defektklassifikation“ das Ergebnis der 8. Europäischen Konsensuskonferenz (EuCC) des BDIZ EDI, die am Vortag des Symposiums Therapieverfahren der oralen Augmentation von Hartgewebe unter die Lupe genommen hatte. Die sogenannte „Cologne Classification of Alveolar Ridge Defect“ (CCARD) bewertet Eigenknochen und Knochenersatzmaterialien für die orale Implantologie. Das ausführliche Konsensuspapier gibt es unter www.bdizedi.org.