Abrechnung

Versiegelung kariesfreier Fissuren doppelt berechnen?

Kann für die Versiegelung kariesfreier Fissuren neben der GOZ-Ziffer 2000 auch die GOZ-Ziffer 2197 berechnet werden? Experten und Beihilfestellen schlossen dies bis jetzt aus. Aber hat sich durch das Update der S3-Leitlinie daran etwas geändert?


© Kierzkowski/proDente


Gebührenrechtlich vermeintlich ein alter Hut: Die Frage, ob die Versiegelung kariesfreier Fissuren nach GOZ-Ziffer 2000 neben der GOZ-Ziffer 2197 berechnet werden könnte, beantwortete das GOZ-Beratungsforum mit Bundeszahnärztekammer, PKV-Verband und Beihilfestellen von Bund und Ländern bereits im April 2013 wie folgt:

„Im Zusammenhang mit der Versiegelung von kariesfreien Zahnfissuren mit aushärtenden Kunststoffen und Glattflächenversiegelung nach der GOZ-Nr. 2000 ist die GOZ-Nr. 2197 für die adhäsive Befestigung der Versiegelung nicht zusätzlich berechnungsfähig, da die adhäsive Befestigung der Versiegelung nach der wissenschaftlichen ‚Neubeschreibung einer präventionsorientierten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde‘ Bestandteil der Fissurenversiegelung ist.“

Versiegelung nur mit Ätzung

Der BZÄK-Vorstand befürwortet ebenfalls, dass die Abrechnung der GOZ Nr. 2197 (adhäsive Befestigung) neben der GOZ Nr. 2000 (Versiegelung) auszuschließen ist, mit der Begründung: „Die durchgängige Auffassung aller GOZ-Referenten der Zahnärztekammern bundesweit entspricht der wissenschaftlichen Leitlinie der DGZMK, nach der eine dauerhafte funktionsgerechte Fissurenversiegelung nur mit einer Schmelzätzung einhergehen kann. Anders ist diese Leistung nicht zu bewerkstelligen.
Das war schon in der alten GOZ so und hat sich nicht geändert. Die Versiegelung mittels aushärtender Kunststoffe (Verordnungstext) ist nur unter entsprechender Anätzung möglich. Dies ist demnach Leistungsbestandteil. Die Gebührennummer 2000 kann ohne diesen Leistungsschritt gar nicht abgerechnet werden, weil sie nicht vollständig und lege artis erbracht werden würde.“

Update der S3-Leitlinie

Allerdings: Mit dem Update der S3-Leitlinie „Fissuren- und Grübchenversiegelung“ (Stand: Januar 2017) wäre diese Feststellung neu zu bewerten. Unter anderem wurden in dieser Leitlinie die Ergebnisse zum Retentionsverhalten diverser Versiegelungsmaterialien untersucht. Dort heißt es u. a.:

„Für die auto-polymerisierenden Versiegelungsmaterialien sind die längsten klinischen Erfahrungen mit 20 Jahren Beobachtungszeit publiziert. Für Licht-Polymerisate und fluoridfreisetzende Versiegelungsmaterialien sind klinische Studien mit einer Laufzeit von sieben beziehungsweise vier Jahren verfügbar. Für beide Materialgruppen unter Anwendung der Säurekonditionierung wurden die günstigsten Retentionsraten aufgefunden.

Retentionsverhalten

Hier liegen etwa 80 Prozent intakte Fissurenversiegelungen nach vier Jahren Liegezeit vor. Bei Verwendung eines selbstkonditionierenden Haftvermittlers anstelle der Säurekonditionierung reduzierte sich die Anzahl intakter Fissurenversiegelungen auf unter 50 Prozent nach bereits zwei Jahre Liegedauer (siehe auch Leitlinien-Report).“

Bei der Materialwahl heiß es weiter: „Kompomere wiesen bei ihrer Verwendung zur Fissuren- und Grübchenversiegelung ein unzureichendes Retentionsverhalten auf. Als wesent‧liche Ursache ist die in der Regel nicht vorgenommene Säurekonditionierung zu diskutieren. Lediglich zwei Arbeitsgruppen konditionierten die Schmelzoberfläche vor Applikation eines kompomerbasierten Versiegelungsmate‧rials (Pardi et al. 2004, 2005, Yilmaz et al. 2010) …“

In den Schlüsselempfehlungen heißt es dann auch: „Es sollen Materialgruppen mit einer hohen Retentionsrate und damit Überlebenswahrscheinlichkeit bevorzugt in der klinischen Praxis eingesetzt werden. Dazu zählen niedrigvisköse methacrylatbasierte Versiegelungskunststoffe, die in Verbindung mit Säurekonditionierung angewendet werden. Bei Zähnen im Durchbruch beziehungsweise wenn keine adäquate Trockenlegung möglich ist, kann alternativ der Einsatz von GIZ erwogen werden.“

Mehr Arbeitsschritte

Liest man nun einerseits die überarbeitete Leitlinie der DGZ und andererseits die Einschätzung der BZÄK, fällt offenkundig auf, dass die DGZ sehr differenziert die eingesetzten Materialien untersuchen ließ. Diese hier vorgestellten empirischen Daten belegen nicht in Gänze die Aussagen von DGZMK und Bundeszahnärztekammer. Abzuleiten ist auch, dass bei der Fissurenversiegelung sowohl die Wahl des eingesetzten Materials als auch dessen Verarbeitung je nach Indikation sorgfältig zu prüfen ist, zum Beispiel gegebenenfalls zusätzlich einen selbstkonditionierenden Haftvermittler einzusetzen oder ein GIZ-Material zu verwenden.

Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch: Zusätzliche Arbeitsschritte bedeuten einen höheren Zeitaufwand und erfüllen im Einzelfall auch den Leistungsinhalt der Leistung nach Nr. 2197 GOZ.

Und obwohl auch einige Landeszahnärztekammern wie die Zahnärztekammer Nordrhein der gebührenrechtlichen Einschätzung der Bundeszahnärztekammer folgen, werden vermutlich dennoch in vielen Praxen neue Überlegungen zur Rechnungslegung dieser Leistung angestellt werden. Grundlage für eine sowohl inhaltlich-fachlich sowie gebührenrechtlich korrekte Abrechnung sollten immer die tatsächlich ausgeführten zahnärztlichen Tätigkeiten sein.
Und da machte die DGZ-Leitlinie eines deutlich: nämlich, dass die Leistung der Fissurenversiegelung einer pauschalen Betrachtung nicht gerecht wird.

In Einzelfällen indiziert

Denn: Wird nach erfolgter Säurekonditionierung der zusätzliche Auftrag eines Haftvermittlers nötig, ist ein zusätzlicher Arbeitsschritt angefallen, nämlich der des Schmelz- und Dentinbondings. Dies ist je nach verwendetem Versiegelungsmaterial unbestritten nicht immer notwendig, aber in Einzelfällen indiziert und ein Umstand, der dann auch für die Abrechnung relevant ist.

Wenngleich eine mögliche Neubetrachtung der hier vorgestellten gebührenrechtlichen Aspekte in naher Zukunft nicht zu erwarten ist, zeigt die Studie: Die Zahnheilkunde ist wie viele andere medizinische Bereiche vor allem eines – dynamisch. Die Frage ist, inwieweit sich das bestehende Gebührenrecht künftig dieser Dynamik anpassen können wird.

Weitere Informationen zur zitierten DGZ-Studie und zu den Kommentierungen der genannten berufsständischen Gruppen finden Sie auch im Online-Abrechnungswiki ALEX der Zahnärztlichen Abrechnungsgesellschaft unter www.alex-za.de.

Steffi Scholl
ist Abrechnungsspezialistin und arbeitet seit 2011 bei der ZA Zahnärztlichen Abrechnungsgesellschaft AG in Düsseldorf in der GOZ-Fachabteilung.
sscholl@zaag.de