Vernetztes Herzstück
Dank der Erkenntnis, dass Mund- und Allgemeingesundheit eng miteinander verzahnt sind und der damit einhergehenden Vielzahl an Therapiemöglichkeiten hat die Behandlungseinheit eine enorme Wandlung erfahren. Trotz der Veränderungen in Design und Funktionalität ist eines jedoch gleichgeblieben: Sie war, ist und bleibt der Dreh- und Angelpunkt zahnärztlicher Behandlung in der Zahnarztpraxis.
Die Geschichte des Zahnarztstuhls geht weit zurück bis ins 18. Jahrhundert, als der amerikanische Zahnarzt Dr. Josiah Flagg Jr. einen Windsor Stuhl aus Holz seinen Bedürfnissen an einen für die zahnärztliche Behandlung adäquaten Patientenplatz anpasste [1]. Zur damaligen Zeit lag der Schwerpunkt dentaler Behandlung auf der Schmerzeliminierung. Heute steht die (Mund-)Gesundheit in Form von Prävention und möglichst minimalinvasiver Therapie im Fokus.
Da der Patient die meiste Zeit seiner zahnärztlichen Behandlung im Behandlungsstuhl verbringt, sollte ihm der Aufenthalt dort so angenehm wie möglich gestaltet werden. Ob Prävention, Kontrolle oder komplexe Behandlung, moderne Behandlungseinheiten können enorm zum Patientenkomfort beitragen. So bieten ein ergonomisches Design und automatische Positionierungsmöglichkeiten eine bequeme Sitzposition, die Rücken und Nacken stützen und den Patienten entspannen können. Doch zu einer guten Patientenerfahrung im Behandlungsstuhl gehört noch viel mehr.
Ein erhöhter Komfort in Verbindung mit moderner Technik spielen eine wichtige Rolle in der Beziehung und in der Kommunikation zwischen Zahnarzt und Patient. Die Möglichkeiten moderner Visualisierungstools unterstützen den Zahnarzt dabei, die Therapieverlauf zu erklären sowie Ängste auf Patientenseite abzubauen (Abb. 1). Digitale Geräte in der Zahnmedizin, wie zum Beispiel Intraoralscanner, können den Komfort des Patienten hierbei enorm steigern und sind daher ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems rund um die Behandlungseinheit. Sie haben längst Einzug in die Zahnheilkunde gehalten, bieten Komfort, helfen bei der Planung der Behandlung und verbessern die Genauigkeit. Dies ist sowohl für den Zahnarzt als auch für den Patienten von Vorteil. Neben Intraoralkameras und in die Behandlungseinheit eingebauten Monitoren flankieren eine Vielzahl weiterer digitaler Geräte den Behandlungsstuhl, die diesen, zusammen mit dem Patienten, ins Zentrum komplexer Behandlungen und hocheffizienter Verfahren rücken.
Digitale Zahnmedizin
In der Vergangenheit lag der Schwerpunkt der digitalen Zahnmedizin vor allem auf Intraoralscanner und CAD/CAM. Ähnlich wie 2D-Röntgenaufnahmen in den letzten Jahrzehnten, werden 3D-CBCT und Intraoralscaner künftig in nahezu jeder Praxis zum Alltag gehören. Die Medizin und insbesondere die Zahnmedizin hat eine Pionierrolle im Bereich der 3D-Technologie inne [2].
Mittels Intraoralscanner können Zahnärzte 3D-Visualisierungsmodelle für Restaurationen erstellen (Abb. 2). Mit dem 3D-Drucker können nun nicht mehr nur provisorische Versorgungen, sondern auch definitive Restaurationen, Einzelkronen oder Prothesen, hergestellt werden. Dies ermöglicht eine präzise Fertigung noch am selben Tag, was für den Patienten ein echter Vorteil ist.
Darüber hinaus stehen auch digitale, auf die Praxisbedürfnisse zugeschnittene Lösungen für kieferorthopädische Behandlungen zur Verfügung, die eine Integration in eine Praxismanagement-Software sowie eine optimierte Visualisierungsmöglichkeit für den Behandler (Arzt) aber auch für den Patienten bieten. Dieser digitale Ablauf bis hin zur Fertigung kann für Patienten und Praxen in vielerlei Hinsicht von großem Nutzen sein, da er die Zeit im Stuhl und die Anzahl der Behandlungssitzungen reduziert und geringere Unannehmlichkeiten für den Patienten mitbringen kann. Zudem kann er Zahnärzten außerdem helfen, effizienter zu arbeiten und eine individuellere Behandlung anzubieten. Schon jetzt können KI-basierte Anwendungen im digitalen Workflow Zahnärzte bei der endgültigen Entscheidung über den optimalen Behandlungsplan unterstützen und sicherstellen, dass der Patient die bestmögliche Behandlung erhält – und das alles, während er noch im Behandlungsstuhl sitzt.
KI-Anwendungen unterstützen vielfach
Der Einsatz von KI in der Praxis wird dazu beitragen, die Versorgung der Patienten zu verbessern, und laut einem im SAGE Journal of Dental Research veröffentlichten Artikel [3] werden KI-basierte Anwendungen die Therapie vereinfachen und das zahnärztliche Personal von aufwendigen Routineaufgaben entlasten. Zudem werden KI-basierte Anwendungen die Gesundheit einer breiteren Bevölkerungsschicht zu geringeren Kosten verbessern und schließlich eine personalisierte, vorhersagbare und präventive Zahnmedizin ermöglichen. Zu den Anwendungen der KI in der Zahnmedizin gehören Diagnose und Behandlungsplanung, Patientenüberwachung, Robotik in der Zahnmedizin, virtuelle Konsultationen und prädiktive Analytik.
KI-Röntgenanalysetools können Zahnärzten klinische Entscheidungshilfen in Echtzeit liefern. Softwaresysteme mit integrierter KI können bei der Analyse zahlreicher gespeicherter aggregierter und anonymisierter Röntgenbilder helfen, die als Datenbank dienen. Sie ermöglichen es, die Röntgendaten innerhalb des bestehenden Software-Workflows mit einem aktuellen, vom Patienten angefertigten Scan, zu vergleichen, während dieser auf dem Behandlungsstuhl sitzt. Dieses Vorgehen kann den Zahnarzt dabei unterstützen, die Mundgesundheit des Patienten umfassend zu beurteilen und eine individuelle optimale Behandlungsplanung für den Patienten festzulegen.
„Intelligente“ Zahnbürsten verfügen über internetverbundene Sensoren, die mithilfe von KI das Zähneputzen analysieren (Abb. 3). Dies kann Zahnärzte und Prophylaxeteams dabei unterstützen, das Putzverhalten der Patienten zu optimieren, was zu einer Verbesserung des Therapieergebnisses beitragen kann: Mit der Zeit werden die Sensoren mehr und mehr in der Lage sein, bestimmte Krankheiten zu diagnostizieren, indem sie beispielsweise Biomarker im Speichel nachweisen oder Plaque mithilfe von Computer Vision erkennen. Unter Computer Vision ist computerbasiertes Sehen zu verstehen. Dies bedeutet konkret: Computer Vision kombiniert Kameras, Edge-Computing, Cloud-basiertes Computing, Software und künstliche Intelligenz, um Systemen dabei zu helfen, Objekte zu sehen. Mit Zustimmung des Patienten können diese Daten dann in die Datenbank der Zahnarztpraxis integriert werden. Auf diese Weise können Zahnärzte an der Behandlungseinheit datengestützte Gespräche mit Patienten führen und gemeinsam an der Verbesserung der allgemeinen Gesundheit arbeiten. Für Patienten, die während des Zahnarztbesuchs unter Angstzuständen leiden, kann Augmented Reality helfen, der unangenehmen Realität zu entkommen, indem sie in eine alternative 3D-Erfahrung eintauchen.
Künstliche Intelligenz kann auch dazu beitragen, Patienten mehr Sicherheit in Bezug auf die Qualität einer Diagnose zu geben, indem sie ihnen eine leicht verständliche zweite Option liefert. Letztendlich wird die Einführung neuer Technologien und Lösungen sowohl den Komfort als auch die Entspannung des Patienten im Behandlungsstuhl erhöhen.
Auch wenn KI viele Aspekte der Mundgesundheitspflege verändern kann, ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass die Rolle des zahnärztlichen Fachpersonals bei der Patientenversorgung nach wie vor unverzichtbar ist und KI Zahnärzte nicht ersetzen wird. Die endgültige Entscheidung über die Behandlung obliegt dem Zahnarzt. Zudem ist KI nicht mit der persönlichen Note und individuellen Versorgung durch Zahnärzte zu vergleichen. Ein persönliches Beratungsgespräch mit den Patienten im Behandlungsstuhl ist und bleibt unerlässlich.
Technischer Service und Wartung
Unabhängig von der Marke oder dem Modell haben alle zahnärztlichen Behandlungseinheiten – wie auch die erwähnten Intraoralscanner, 3D-Drucker und 3D-CBCT-Geräte – eines gemeinsam: Sie müssen regelmäßig gewartet werden, um die Wahrscheinlichkeit eines Schadensfalles oder kostspieliger Reparaturen zu verringern. Daher ist die turnusmäßige Wartung und Instandhaltung gerade der Behandlungseinheit als Mittelpunkt des Behandlungszimmers und der Behandlung ein nicht zu vernachlässigender Aspekt im Hinblick auf die Betriebsfähigkeit und damit die Rentabilität, die Produktivität, die Effizienz, die Langlebigkeit und auch die Nachhaltigkeit.
Fazit
Die zahnärztliche Behandlungseinheit war, ist und wird auch in Zukunft das Zentrum der Zahnarztpraxis sein – heute mehr und mehr umgeben von und verbunden mit digitalen Technologien, die den Zahnärzten helfen können, eine bessere Versorgungsqualität zu bieten und die Ergebnisse sowie den Komfort für die Patienten zu optimieren.
Andrea Albertini
ist Chief Executive Officer der International Distribution Group,
die das Dentale und Medicale Vertriebsgeschäft von Henry Schein außerhalb Nordamerikas vereint.
Er ist ein Mitglied des Executive Management Committee des Unternehmens.
Foto: Henry Schein, Inc.