Strategien für den individuellen Therapieerfolg
Im neuen Gesprächsformat „Zukunftswerkstatt“ diskutieren Experten Herausforderungen und Trends in der Zahnmedizin mit Blick auf Lösungsansätze, die kurz- bis mittelfristig in der Praxis umgesetzt werden können. Erfahren Sie in dieser Runde unter anderem, wie die Datenlage für Keramikimplantate verbessert werden kann, wie man Patienten aktiv am Therapieerfolg beteiligt, welche medizinischen Parameter jeder Zahnarzt künftig besser auf dem Schirm haben sollte und warum ein gut gepflegtes, interdisziplinäres Netzwerk dem „Super-Hero-Konzept“ am Ende überlegen ist.
Die Menschen in Deutschland werden immer älter. Doch das allein ist noch kein Gewinn, sofern nicht auch Gesundheit und Lebensqualität damit einhergehen. Fakt ist: Zahn- und Allgemeingesundheit stehen in engem Zusammenhang. Welchen Einfluss Prävention, Biologie, digitaler Workflow und KI auf die Qualität zahnmedizinischer Therapie und damit auch auf den Gesamtgesundheitszustand der Patienten haben, diskutieren zwei Zahnmediziner, eine Zahnmedizinerin, ein Biologe und Zahnmediziner sowie ein Mediziner.
Natascha Brand: Herr Dr. Volz, Sie stehen mit Ihrem Konzept der biologischen Zahnmedizin für vollkeramische Restaurationen und haben nach eigenen Angaben mehr als 26.000 Keramikimplantate inseriert, davon 18.000 Sofortimplantate, und verfügen über Daten zu mehr als 122.000 Keramikimplantaten. Haben Sie nie Titanimplantate inseriert?
Dr. Ulrich Volz: Doch, ich habe die ersten zehn Jahre Titanimplantate verwendet. Mitte 2000 habe ich dann komplett auf Keramik umgestellt. Ausschlaggebend war meine Doktorarbeit zum Einsatz von Amalgam. Am Ende wurde diese Doktorarbeit zu einem Plädoyer gegen Amalgam, denn die Fakten meiner Recherche machten deutlich, dass Amalgam kein adäquates Material für eine biologisch verträgliche Patientenversorgung ist.
Herr Prof. Beuer, Sie sind bekennender Zirkonoxid-Fan und dennoch eher zurückhaltend, was Keramikimplantate betrifft. Warum?
Prof. Dr. Florian Beuer: Ich selbst habe im vergangenen Jahr rund 100 Implantate inseriert – alle aus Titan. In den Jahren zuvor habe ich auch Keramikimplantate inseriert, meist zu Studienzwecken für Hersteller, und kann jedoch nur über mäßige Erfolge berichten. In der von mir geleiteten Klinik implantieren rund 20 Zahnärzte jährlich rund 400 Implantate; anteilig davon jedoch nur rund vier Prozent Keramikimplantate. Dieser niedrige Prozentsatz liegt sicher nicht darin begründet, dass wir Keramik nicht mögen – ganz im Gegenteil – mich fasziniert der Werkstoff Keramik beziehungsweise Zirkonoxid schon lange, sodass ich darüber meine Habilitation verfasst habe. Die niedrige Zahl inserierter Keramikimplantate an unserer Klinik rührt daher, dass wir so gute Langzeiterfahrungen mit Titanimplantaten machen.
Frau Dr. Lerner, Sie haben Ihr Konzept auf Sofortimplantation ausgerichtet. Welchen Stellenwert nehmen Keramikimplantate darin ein?
Dr. Henriette Lerner: Ich implantiere seit rund 30 Jahren und habe einige Tausend Titanimplantate inseriert. Ich bin glücklicherweise an Mentoren geraten, die mich zur Sofortimplantation gebracht haben. Mein Traum war schon immer, dieses Konzept mit Keramikimplantaten anbieten zu können. Ich habe im Lauf der letzten Jahre rund 100 Keramikimplantate inseriert und gute Erfahrung gemacht – alle sind noch in situ. Meine Erfahrung: Stimmen Knochen- und Gingivaqualität, erzielt man auch in der Sofortimplantation eine hohe Erfolgsrate mit Keramikimplantaten.
Wie steht es um die wissenschaftliche Datenlage zu Keramikimplantaten?
Beuer: Vergleichen wir die Datenlage von Titan- und Keramikimplantaten, vergleichen wir Äpfel mit Birnen, da es zu Keramikimplantaten viel weniger Daten gibt. Wir haben von der DGI eine S3-Leitlinie zum Thema Keramikimplantate auf den Weg gebracht, die kurz vor der Veröffentlichung steht. Diese beinhaltet eine Sichtung und Bewertung der verfügbaren Literatur. Fest steht: Einteilige Implantate sind mittlerweile ganz gut dokumentiert, da verfügen wir über Zehn-Jahres-Daten. Bei entsprechender Indikation können wir für das einteilige Keramikimplantat hinsichtlich der Osseointegration eine eindeutige Empfehlung aussprechen. Zudem wird die Leitlinie höchstwahrscheinlich sagen, dass auch zweiteilige Keramikimplantate verwendet werden können. Mein Appell geht deshalb an die Kollegen: Wenn wir es schaffen würden, die Daten aller Keramikimplantat-Anwender zu poolen, hätten wir sicher relativ schnell eine ausreichende Datenlage zu den zweiteiligen Keramikimplantaten zur Verfügung.
Volz: Ich war von der Kommission der Academy of Osseointegration (AO) eingeladen, als Mitglied der Gruppe unter PD. Dr. Jörg Neugebauer gemeinsam mit Prof. Dr. Wael Att am Konsensus für Keramikimplantate teilzunehmen. Überraschend war für mich, dass von 1.600 PubMed-gelisteten Studien nur 15 als relevant ausgewählt wurden; eine davon war meine eigene Studie zu Sofortimplantaten. Im Zuge meiner Arbeit in der Kommission habe ich gelernt, dass wir noch ganz am Anfang der Datenlage stehen und es tat weh, zu sehen, dass die Arbeit der Beteiligten, der Aufwand und das finanzielle Engagement der Sponsoren bei 99 von 100 Studien umsonst war, da diese als nicht relevant aussortiert wurden. Somit entstand die Idee anlässlich des JCCI-Kongresses, der bei uns im Haus stattfand, ein Konsensus-Set-up für Studien zu Keramikimplantaten zu verabschieden. Und das haben wir tatsächlich geschafft, auch dank des Engagements von Prof. Dr. Etyene Schnurr, die uns dabei wissenschaftlich unterstützt hat. Somit verfügen wir jetzt über ein Protokoll wie Studien zu Keramikimplantaten aussehen sollten. Dieses Set-up befindet sich aktuell in der Publikation. Als Präsident der ISMI setze ich mich dafür ein, dass sich Wissenschaftler und die Industrie auf dieses Studien-Set-up einigen. Damit könnten die Daten zusammengeführt werden, die Systeme wären vergleichbar und wir könnten in fünf bis zehn Jahren die Datenlage von Titanimplantaten einholen, eventuell sogar überholen. Ein vergleichbarer Konsens wird bei Titanimplantaten so nicht mehr möglich sein, da die Firmen schon viel zu weit auseinander liegen.
Beuer: Genau – zwar gibt es die Stiftungen der Implantathersteller, jedoch ist deren Bereitschaft natürlich nicht sehr hoch, das Implantat des Mitbewerbers zu untersuchen. Je komplexer Implantologie wird, umso besser müssen die Räder ineinandergreifen. Das heißt, die Chirurgie, die Prothetik und die Zahntechnik müssen in enger Zusammenarbeit erfolgen. Je spezialisierter ein Team ist, umso besser werden die Ergebnisse sein. Davon profitieren Titanimplantate und funktionieren deshalb auch langfristig gut.
Zirkonoxid ist ein hartes, sprödes Material, deshalb stellt sich für den Zahnarzt immer wieder die Frage nach den Frakturraten bei Keramikimplantaten …
Beuer: Zirkonoxid hat natürlich seine Limitationen, was die Festigkeit betrifft, denn es verbiegt sich nicht, sondern bricht. Wir haben eine Studie mit klassischen zweiteiligen, verschraubten Keramikimplantaten durchgeführt und einige Frakturen beobachtet, die nicht tolerabel sind. Meine Erfahrung ist: Keramikimplantate sind weniger fehlertolerant, das ist die Krux der zweiteiligen Implantate. Betrachte ich es nun mit meiner „Titanimplantat-Brille“ und möchte den gleichen Durchmesser wie bei einem Titanimplantat genauso mit einer Schraube verankern, würde ich sagen: Das geht heute noch nicht.
Lerner: Der Fehler liegt eher im Makro-Design. Der Werkstoff Zirkonoxid ist ein anderer als Titan, deshalb muss man das Makro-Design des Keramikimplantats anpassen, anstatt das Titan-Design einfach nur zu kopieren, was viele Firmen gemacht haben.
Volz: Für die zweiteiligen Keramikimplantate kann ich Prof. Beuer zustimmen. Einteilige, und unsere „zweigeteilten“ einteiligen Tissuelevel-Implantate, gehören zur zweiten Generation und weisen eine Frakturquote von etwa 0,1 Prozent auf, was durch eine Arbeit von Röhling und Gahlert für einteilige Implantate bestätigt wurde. Maßgeblich dazu beigetragen hat hierbei auch die Makrostruktur, also das Implantatdesign. Wir haben im Last-tragenden Bereich einerseits ein Mikro-Gewinde und – auch beim zweigeteilten Implantat – einen massiven Kern konstruiert. Dadurch liegen wir in der Stabilität bei gleichem Durchmesser mittlerweile weit über Titanimplantaten. In Zukunft werden wir mehr junge Trauma-Patienten behandeln, deren Lebenserwartung vielleicht sogar 100 Jahre betragen wird, somit muss das Implantat vielleicht 80 Jahre funktionieren. Insofern stellen 600 Newton die Benchmark dar, die ich mittelfristig erreichen möchte.
Lerner: Was Sofortimplantate und Sofortversorgungen im Bereich der Titanimplantate betrifft, so haben wir eine Erfolgsrate von 98 Prozent, wenn man es richtig macht. Dazu gibt es auch genügend Studien. Wie sieht es bei Keramikimplantaten im Bereich Sofortversorgung aus?
Haben Sie Daten zur Einzelzahn- und Fullarchversorgung?
Volz: Sowohl als auch. Ich implantiere zu 95 Prozent Sofortimplantate. Zum einen verwende ich lange und dicke Implantate und erziele damit eine höhere mechanische Sicherheit. Zum anderen verhindere ich damit die Atrophie des Knochens. In unserer Sofortimplantat-Studie mit mehr als 112 Keramikimplantaten haben wir denselben Knochenabbau wie bei der Spätimplantation beobachtet – ungefähr 0,6 Millimeter. Die bedeutet, dass wir die komplette Atrophie vermieden haben, denn bei der Spätimplantation sehen wir ebenfalls 0,6 Millimeter.
Es kommen immer mehr materialsensible Patienten in die Praxen. Gibt es mittlerweile wissenschaftlich anerkannte Testverfahren für Materialunverträglichkeiten?
Beuer: Es wird ebenso eine S3-Leitlinie zu diesem Thema geben; auch diese steht kurz vor der Veröffentlichung. Darin soll beantwortet werden, ob bei materialsensiblen Patienten valide ein Test durchgeführt werden könnte. Leider verfügen wir bislang über keinen wissenschaftlich validierten Test, der verlässlich Orientierung gibt, ob der Patient ein Keramikimplantat bekommen sollte. Die Literatur rät explizit ab, einen Pricktest zu machen. Ich glaube, dass diese prophetische Testung eher zu einer Sensibilisierung des Patienten als zu möglichen Erkenntnissen führt. Auch beim LTT-Test konnte keine klinische Korrelation nachgewiesen werden. Ich betrachte es so: Patienten, die glauben, sie sind materialsensibel – ob das nun wissenschaftlich nachgewiesen ist oder nicht –, in ein konventionelles Korsett zu zwängen, ist psychologisch das Schlechteste, was man machen kann.
Volz: Gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir den Kollegen Richtlinien bereitstellen wie die aktuelle S3-Richtlinie der DGI, die eine volle Empfehlung für einteilige Keramikimplantate ausspricht. Insofern kann sich der Zahnarzt nun daran orientieren, insbesondere in den Fällen, in denen der Patient explizit den Wunsch nach Keramikimplantaten äußert.
Wenn wir über Implantate sprechen – müssen wir auch über Periimplantitis sprechen. Gibt es einen Unterschied in der Periimplantitis-Ätiologie von Keramik zu Titan, welche Rolle spielt das Material dabei und gibt es vielleicht noch weitere Faktoren, die eine Periimplantitis herbeiführen können?
Beuer: Für mich gibt es zwei Periimplantitis-Theorien. Da ist zum einen die in den Leitlinien kommunizierte Biofilm-assoziierte Theorie, die besagt, dass zunächst der Biofilm entsteht und dann eine Entzündung erfolgt. Die Entzündung führt dazu, dass der pH-Wert absinkt und dann macht es durchaus einen Unterschied, welches Material verwendet wurde, denn sinkt der pH-Wert unter fünf, geht Titan in Lösung und korrodiert – Keramik nicht. Die zweite Theorie ist die von Prof. Tomas Albrektsson, den ich sehr schätze und deshalb auch seine Theorie ernst nehme. Seiner Meinung nach ist Periimplantitis nichts Pathologisches, sondern eine Fremdkörperreaktion des Immunsystems; der Biofilm kommt erst an zweiter Stelle hinzu. Die Wissenschaft postuliert eher die Biofilm-assoziierte Theorie und kämpft eigentlich nur gegen den Biofilm. Ich glaube aber, dass Periimplantitis viel mehr ist und wir haben es einfach nur noch nicht verstanden. Um noch einmal auf die Frage nach dem Material zurückzukommen: Ja, es gibt einen Unterschied. In einem entzündeten Gewebe ist Keramik chemisch stabiler im Vergleich zu Titan, das ist unbestritten.
Volz: Ja, und Zirkonoxid ist das einzige Material, das wir kennen, welches mit der Gingiva einen festen Verbund eingeht.
Ich möchte noch einmal auf die Frage nach möglichen weiteren Faktoren zurückkommen. Welche Rolle spielt eine verunreinigte Implantatoberfläche, bei der Periimplantitis-Ätiologie?
Dr. Dirk Duddeck: Das ist eine Frage für mich, da bin ich ein bisschen Advocatus Diaboli. Der FDA wurden mehr als 2,1 Millionen „failed dental implantants“ gemeldet, dabei handelt es sich um Implantate, die nicht eingeheilt sind und ersetzt wurden. Die Implantathersteller wurden um Stellungnahme gebeten und hatten zwei Erklärungsversuche dazu: Zum einen würden Patienten nicht richtig putzen oder seien vorbelastet, man sprach von schlecht eingestellten Diabetes-Patienten und von Rauchern, die natürlich bei diesen Zahlen durchaus eine Rolle spielen. Zum anderen wurde der „Lack of education“ als Grund genannt; wir Zahnärzte seien schlecht ausgebildet und hätten zu wenig implantologisches Know-how, deshalb darum würden so viele Implantate scheitern. Das springt mir allerdings viel zu kurz, denn an dieser Stelle fehlt ein ganz wichtiger Aspekt – und das ist das Implantat selbst. Jeder dritte Hersteller liefert Implantate, die im REM tatsächlich auffällig sind, das heißt „sterilen Schmutz“ zeigen. Ich halte dies für einen wesentlich unterschätzten Faktor, wenn Implantate, insbesondere in der frühen Einheilphase, scheitern. In unserer letzten Marktanalyse mit einer Kohorte aus 100 Implantaten, die wir mit dem Rasterelektronenmikroskop durchgeführt und dokumentiert haben, konnten wir bei 30 von 100 Implantaten signifikante Verunreinigungen feststellen. In der Regel handelt es sich um Plastikreste – mehr als 150 Partikel mit einer Größe von bis zu 50 Mikrometern, zum Beispiel Polysiloxane, perfluorierte Polyether, Polyethylen und Polyoxymethylen – also Schmiermittelrückstände und Silikonreste – und das ist ja nur das Partikuläre. Was wir auch gefunden haben sind filmische Verunreinigungen – und da habe ich eine Gänsehaut bekommen, denn in der erweiterten Analyse haben wir gesehen, dass mehrere Implantate DBSA-Rückstände aufwiesen. Dodecyl Benzol Sulfon-Säure ist ein sehr aggressives, oberflächenaktives und zelltoxisches Reinigungsmittel, das die Zellmembran aufbricht und Osteoblasten zerstört, also genau das angreift, das man aufbauen möchte.
… das heißt also, diese Implantate waren zwar steril verpackt, aber dennoch nicht sauber? Was können diese Partikel beim Patienten auslösen?
Duddeck: Sie können es nicht nur, sie tun es auch! Gerade die Kleinstpartikel – also Partikel zwischen 0,2 und 7,2 Mikrometer – sind am gefährlichsten für den Körper und haben den höchsten proinflammatorischen Effekt. Das heißt, wir sehen nach Phagozytose durch Makrophagen einen Zytokinsturm mit einer Kaskade von Reaktionen, wie sie in der Biologie vorgegeben ist. Wenn dann der Körper versucht, mit den Verunreinigungen in irgendeiner Form zurechtzukommen, beobachten wir immer die gleichen Effekte: Knochenabbau und Weichgewebe-Degradation. Das alles ist vermeidbar. Die CleanImplant Foundation prüft die Implantate und zeichnet diejenigen Hersteller mit einem Zertifikat aus, deren Implantate keine signifikanten Verunreinigungen aufweisen.
Gibt es einen Unterschied hinsichtlich der Oberflächenverunreinigung zwischen Titan- und Keramikimplantaten?
Duddeck: Die Frage haben wir uns auch gestellt und 25 Keramikimplantate von fünf per Los gezogenen Herstellern am Markt erworben. Diese Muster haben wir analysiert und chargenübergreifend dasselbe Verhältnis bekommen wie bei den Titanimplantaten: circa 30 Prozent sind verunreinigt.
Herr Dr. Volz, Sie haben die Implantate der Bright-Linie von CleanImplant zertifizieren lassen. Was hat Sie dazu motiviert und welchen Mehrwert bringt das SDS, den Anwendern und den Patienten?
Volz: Ich war schon immer sensibilisiert hinsichtlich immunologischer Aspekte, deshalb bin ich den metallfreien Weg gegangen. Dr. Duddeck hat mir die Herausforderung der verunreinigten Oberflächen bereits 2013 ins Bewusstsein gebracht und mich motiviert, für meine Firma daran zu arbeiten. Wir haben in den vergangenen Jahren viel in die Prozesse investiert, deshalb wollte ich nicht nur das Implantat, sondern auch schon den Produktionsprozess CleanImplant-zertifizieren lassen, denn wir sind Hersteller im Sinne des Medizin-Produkte-Gesetzes und damit verantwortlich bis ins letzte Detail. Das bedeutet, wir mussten unsere Partner mit deren Prozessen mit ins Boot holen und zertifizieren. Das war nicht immer einfach und vor allem nicht günstig, für mich aber ab einem bestimmten Punkt Voraussetzung für die weitere Zusammenarbeit. Heute sind wir alle sehr glücklich, dass unsere Partner gemeinsam mit uns diesen Prozess durchlaufen haben. Interessant ist auch, dass mittlerweile mehr als 50 Prozent aller Keramikimplantat-Anbieter CleanImplant-zertifiziert sind. Somit ist der Anteil der Zertifizierungen bei den Keramikimplantat-Herstellern wesentlich höher als bei den Titanimplantat-Herstellern.
Wie steht es um den digitalen Workflow beim Keramikimplantat?
Lerner: Zahnmedizin sollte generell nur noch im digitalen Kontext gelehrt werden, denn es ist die Vorgehensweise, die junge Kollegen heute lernen müssen. Das bedeutet, dass auch das Keramikimplantat in diesen digitalen Workflow einbezogen werden muss. Aber Tatsache ist auch, dass für die meisten Keramikimplantatsysteme noch kein digitales Tray beziehungsweise Implantationsset und damit auch kein vollständiger digitaler Workflow verfügbar ist.
Volz: Abgestimmte Workflows werden künftig eine große Rolle spielen. Ich gehöre der Generation Baby-Boomer an; wir haben noch am Mofa herumgeschraubt. Die jungen Kollegen wollen das heute nicht mehr; sie wünschen sich eine moderne User-Experience. Und in Zukunft wird jedes Implantat-System an solchen Workflows gemessen: Einfach und selbsterklärend muss es sein. Die Generationen, die jetzt in die Praxen kommen, die Millennials, Generation X oder Y denken und arbeiten ganz anders als wir. Zudem werden mehr Zahnärztinnen in den Praxen arbeiten; aufgrund der familiären Situation vermutlich viele in Teilzeit, angestellt in größeren Zentren/MVZs. Diese Zahnärztinnen benötigen eine hohe Planbarkeit und Sicherheit in der Ausführung. Deshalb ist die Digitalisierung entscheidend, wenn man sich für die Zukunft gut aufstellen will.
Lerner: Selbst mich – als erfahrene Implantologin – lässt die Digitalisierung besser schlafen. Sie hat mir ein professionelles Berufsleben mit einem höheren Erfolgserlebnis und Spaßfaktor beschert. Die Patienten sind fasziniert von der Möglichkeit der Voraussagbarkeit, von den minimalinvasiven Techniken, der Geschwindigkeit und der Präzision. Ich bin davon überzeugt, die Digitalisierung ist der richtige Schritt für uns alle – ob jung oder alt. Wir müssen unseren Patienten eine ganzheitliche, interdisziplinäre, vorhersagbare und biologisierte Zahnheilkunde anbieten und dazu neue Parameter setzen.
Beuer: Wir haben in der Zahnmedizin ganz viele Parameter, die wir heute noch nicht kennen. Wenn wir zum Beispiel über Kronen sprechen, dann erhalten eine Frau mit 55 Kilogramm und ein Bodybuilder mit 95 Kilogramm Gewicht die gleiche Krone. Es wird also gleich viel Substanz vom Zahn abgeschliffen. Das ist unsinnig, ganz so, als würden beide dieselbe Kleidergröße tragen. Als ich studiert habe, war eine Krebstherapie noch standardisiert; heute ist sie personalisiert. Und eine personalisierte Zahnmedizin sollte auch unser Ziel sein. Nur ist es leider immer noch so, wenn ich beispielsweise innerhalb des Cerec-Systems – das sich zu einem sehr guten System entwickelt hat – einen Zahn präpariere, kann ich immer noch zu wenig wegschleifen oder das falsche Material auswählen. Es hat sich also substanziell nichts geändert – zwar ist das Schleifergebnis präziser und ich benötige keinen Puder mehr, aber ich kann immer noch Kardinalfehler begehen. Um eine Analogie zu ziehen: Wollte man seinen Blutdruck einstellen lassen, ging man früher zum Arzt, der hat „aufgepumpt“ und den Wert notiert. Jetzt übernimmt dieselbe Arbeit ein digitales Gerät. Aber geändert hat sich nichts, denn es wird ein Wert zum x-beliebigen Zeitpunkt gemessen und notiert. Und jetzt kommt meine Smartwatch ins Spiel, die meine Blutdruckdaten 24/7 misst. Mit diesen Daten gelange ich zu einer Therapieentscheidung, und dahin muss auch die Zahnmedizin kommen.
Volz: … und ergänzend dazu ist es auch wichtig, wann die Medizin eingenommen werden muss, zu welchem Zeitpunkt des Tages….
Beuer: … und auch, wann eine Restauration ersetzt werden muss. Das ist etwas, was wir heute nicht wissen und die Chance der Digitalisierung nutzen und mit KI einen Mehrwert kreieren sollten, zum Beispiel bei der Befundung von Röntgenbildern. Es gibt mittlerweile sehr gute Daten aus der Radiologie, die zeigen, dass jede KI-Software eine höhere Trefferquote aufweist, Auffälligkeiten zu erkennen als die Befundung durch einen Arzt.
Was ist in den nächsten Jahren im Hinblick auf KI zu erwarten? Wo werden wir kurz- oder mittelfristig Einschnitte oder Verbesserungen erleben?
Beuer: Ich bin mir sicher, dass der Einsatz von KI bald in die Breite geht. Die Chance besteht darin, das KI in einem 3D-Datensatz mehr sieht als der Zahnarzt. Unter Umständen wird das die diagnostische Kompetenz der Kolleginnen und Kollegen schmälern, aber die Therapie- und Diagnostik-Sicherheit erhöhen. Auch wird der Intraoralscanner (IOS) nicht mehr nur ein Abformgerät sein, sondern ein wichtiges Tool in der Diagnostik. Das ist der nächste realistische Schritt, der sich realisieren lässt. Bereits jetzt kann ich mit dem IOS Approximalkaries über KI erkennen.
Inwieweit wird sich dadurch das Berufsbild des Zahnarztes in der Zukunft verändern?
Beuer: Das Berufsbild ändert sich weniger durch den Einsatz von KI als vielmehr durch die Tatsache, dass wir Zahnärzte uns auch ärztliches Wissen aneignen müssen, denn im Körper hängt alles zusammen. Es reicht also nicht mehr, in der „Tasche zu kratzen“ und zu hoffen, dass damit alles wieder gut wird. Das ist oft nicht der Fall, sondern erfordert einen umfassenden Denkansatz. Ich bin mir sicher, dass Lebenswandel und Ernährung einen großen Einfluss ausüben. Und weil wir die meisten Arzt-Patienten-Kontakte haben, könnte dieser umfassende Ansatz eine Aufgabe für uns Zahnärzte sein. Damit möchte ich nicht den Eindruck erwecken, wir Zahnärzte sollten uns ein zusätzliches Geschäftsfeld erschließen, sondern es geht darum, die Gesundheit des Menschen zu begleiten.
Welche zusätzliche Qualifikation ist denn erforderlich, damit der Zahnarzt eine solche Gesundheitsleitfunktion wahrnehmen kann?
Dr. Kurt Mosetter: Zwei Tage Schulung über Immun-Metabolismus bringen da schon richtig viel, denn ein entzündlicher Stoffwechsel wirkt sich katastrophal aus. Das heißt, je höher der Zuckerspiegel, ein hoher HbA1c-Wert ist, desto mehr proinflammatorischen Zytokine sind vorhanden. Entzündung korreliert am Ende mit Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebs. Man stelle sich vor, es gäbe 15 Werte eines jeden Patienten, die überall – beim Hausarzt und in jeder Klinik – abrufbar sind, zum Beispiel der HbA1c, die Harnsäure, zwei oder drei Entzündungszytokine wie Interleukin alpha, TSH für die Schilddrüse und alle Leber-Enzyme. Damit hätten wir einen aussagekräftigen Standard und könnten sofort erkennen: Je mehr das metabolische Profil des Patienten aus dem Ruder läuft, umso schlechter verläuft die Therapie bzw. die Gesundung, und umso höher ist das Risiko. Das Gute ist: Die Daten sind alle da – im Krankenhaus, beim Hausarzt, überall. Zurück zu Ihrem Fachgebiet: Der Knochen ist das Gewebe, das klassischerweise unter dem diabetischen Stoffwechsel leidet und korreliert als Spätfolge mit Osteoporose. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine Spätfolge des Diabetes Typ 2, sondern um eine frühe Veränderung, die keiner gesehen hat. Bei diesen Patienten erkennt man am Zahnfleisch, dass etwas nicht stimmt. Angenommen wir würden in einem KI-basierten Patientenprofil nur die genannten 15 Marker anlegen, dann würde das Profil standardisiert rot aufleuchten und man könnte den Patienten informieren, dass er ein Risiko mitbringt – aber durchaus etwas tun kann, um dieses Risiko zu senken und das Therapieergebnis zu verbessern. Wir appellieren an seine Selbstverantwortung und Compliance. Das alles kostet den Arzt wenig Geld und Zeit. Grundvoraussetzung dafür ist jedoch, dass die Daten zusammengebracht werden müssen; sie liegen überall – aber keiner verwertet sie!
Welche Rolle spielt die Ernährung, bei einem chirurgischen Eingriff und der anschließenden Regeneration?
Mosetter: Schon 1987 erzählte mir die führende Ärztin in der ayurvedischen Tibetischen Medizin: „Das Tor zur Gesundheit ist der Darm – aber auch der Tod sitzt im Darm.“ Moderne Daten zeigen, dass das Mikrobiom, das Metabolom und der Stoffwechsel aus dem Darm eine zentrale Rolle für unser Immunsystem spielen. Wissenschaftler aus dem Max-Planck-Institut sagen sogar: Die Fernsteuerung für die Immun-Kompetenz liegt im Darm. Dafür spricht vieles. Ernährung ist der Superfaktor, dass der Darm gesund bleibt. Im Profisport hat sich eine anti-entzündliche Ernährung durchgesetzt. Es ist keine Diät, wir nennen es natural eating. Damit lässt sich das metabolische Profil und der Immun-Metabolismus erhalten. Dahingehend sollten wir nicht nur bei jungen Sportlern intervenieren, sondern bei allen Patienten. Je stabiler, je anti-entzündlicher und je physiologischer der Stoffwechsel eingestellt ist, umso geringer das Risiko, dass in der Therapie etwas schiefläuft. Wir Ärzte müssten dazu mehr forschen, Daten sammeln und Aufklärung bei den Patienten betreiben.
Wie könnte das aussehen?
Mosetter: Zum einen müssen wir Ärzte uns zusammenschließen. Ein erster Schritt könnte sein, dass jeder auf seiner Website eine Basisinformationen bereitstellt für das, was ein Patient selbst tun kann. Damit sind diese Informationen, zum Beispiel Infos über anti-entzündliche Ernährung oder ein Glyco-Plan mit Rezepten, kostenfrei für alle Patienten verfügbar. Das sollte noch von einer ärztlichen Empfehlung flankiert werden. Wir praktizieren es hier in unserem therapeutischen Netzwerk folgendermaßen: Einige Patienten, die bei Dr. Volz und seinem Team in Behandlung sind, kommen im Rahmen der Therapie auch zu mir. Sie wurden bereits in den zahnärztlichen Therapiegesprächen über ein unterstützendes Lifestyle- und Ernährungsverhalten aufgeklärt. Von meinem Team und Menschen, die nach unserem Mosetter-Prinzip Arbeiten, hören sie es dann noch einmal. Damit teilen wir uns die Aufklärungsarbeit und erzielen bei unseren Patienten eine hohe Compliance. Die Mitarbeit, das Engagement und die Eigeninitiative unserer Patienten, und wie sie an ihrer Gesundung partizipieren, ist relativ hoch. Das erreicht man aber nur, indem man sich zusammenschließt. Deshalb meine Botschaft an die (zahn-)ärztlichen Kollegen: „Geht raus, sucht euch gute Partner und pflegt eine intensive kollegiale Zusammenarbeit!“
Volz: Für den Zahnarzt ist es wichtig zu verstehen, dass das, was er behandelt, nur ein Symptom ist. Embryogenetisch beide aus dem Ektoderm stammend, hängt die Mundschleimhaut mit der Darmschleimhaut genetisch zusammen. Liegt eine Parodontitis vor, muss ich verstehen, dass dies die Ausprägung, das Symptom einer Erkrankung des Darms ist. So wie Karies ein Symptom einer zugrunde liegenden Stoffwechselerkrankung, unter anderem basierend auf Mikronährstoff-Mangel, ist.
In der S3-Leitlinie zur Behandlung von Parodontitis heißt es: Wir wissen nicht, ob Ernährungsberatung positive Auswirkungen auf die Parodontaltherapie hat.
Beuer: Sollen wir es nicht anwenden, nur weil wir es nicht wissen? Wir setzen in Deutschland noch viel zu wenig auf Prophylaxe. Das größte Problem ist die demografische Entwicklung. Die letzten fünf Jahre seines Lebens verursacht ein Bundesbürger dem Gesundheitssystem mehr Kosten als sein bisheriges Leben. Deshalb ist es wichtig, dass wir im Alter fit bleiben, sonst kollabiert unser Gesundheitssystem. Ernährung und Bewegung sind die Schlüsselfaktoren dazu. Unser Ziel sollte es sein, ein Konzept zu entwickeln, bei dem wir Zahnärzte eine wichtige Rolle spielen, um unseren Patienten sagen zu können: Davon profitieren auch Ihre Zähne. Denn Hand aufs Herz – zum Zahnarzt geht niemand gerne, auch wenn wir uns einreden, dass wir Wellness für die Zähne machen – eigentlich ist jeder froh, wenn er wieder vom Stuhl runter ist.
Volz: Dass wir Zahnärzte uns glücklich schätzen können, habe ich zum ersten Mal wahrgenommen, als wir den Sport-Ärzte-Kongress letztes Jahr in unseren Räumen veranstaltet haben. Dort stand das Thema Prophylaxe im Fokus und alle anwesenden Sportmediziner und Orthopäden haben betont, dass sie davon träumen würden, ihre Patienten in einer solch regelmäßigen Frequenz zur Prophylaxe zu sehen, wie wir Zahnärzte das mit unseren Patienten erleben.
Mosetter: Im Hinblick auf die Prophylaxe können wir Ärzte sicher viel von euch Zahnärzten lernen. Wenn wir jetzt noch die metabolischen Marker als Profil in den Zahnarztpraxen verankern und damit eine breite Datenlage generieren würden, könnte man Krankheitsverläufe in einen korrelativen Zusammenhang stellen und die Entwicklung zahlreicher Zivilisationserkrankungen drastisch beeinflussen. Und was den Vitamin-D3-Mangel betrifft, so supplementieren wir in allen Profisport-Bereichen deutlich; und wir messen und kontrollieren. Das führt dazu, dass wir in einem Profi-Verein, in dem wir konsequent auf die Ernährung geachtet und supplementiert haben, in einer Saison 1.000 Verletzungstage weniger verzeichnet haben! Deshalb wünsche ich mir, dass wir einige Maßnahmen aus dem Profisport für die Allgemeinheit übernehmen wie Ernährungsberatung, das Supplementieren von Vitamin D3, K2 oder Omega-3-Fettsäuren.
Herr Prof. Beuer, Sie sind ja engagiert mit Herzblut in der Lehre tätig. Sehen Sie eine Chance, ganzheitliches Denken und Therapieren in der Ausbildung zu implementieren?
Beuer: Auf alle Fälle. Da bin ich ganz bei Dr. Mosetter; in einem Zwei-Tageskurs ist da viel beigebracht und über das Studium gestreckt ist das sicher auch machbar. Ich sehe den ganzheitlichen Ansatz auch als Thema für die Fachgesellschaften, denn es ist eine andere Herangehensweise. Wir Zahnärzte haben uns Jahrzehnte damit beschäftigt, wie viele OPs wir noch machen müssen, um dem Patienten den teuersten Millimeter seines Lebens zu verschaffen – und haben vielleicht über andere Maßnahmen einen viel besseren Hebel in der Hand. Hätten wir mehr umfassendes medizinisches Wissen, könnten wir den Heilungsverlauf besser steuern und hätten weniger negative Überraschungen.
Volz: Zudem befinden wir uns in der digitalen Transformation. Ständig kommen neue Tools hinzu, die unsere Werte immer präziser messen. Mittlerweile können wir sogar schon unblutig, über einen Laser, Mineralstoffanalysen fahren. In wenigen Jahren werden wir unseren Vitamin- und Mineralstoffhaushalt, den Blutdruck und vieles mehr in Echtzeit kennen, und dann wird uns die KI am Ende des Tages viele Probleme lösen.
Mosetter: Und da müssen wir hin, denn nicht jeder benötigt dasselbe. Man kann ein Basis-Profil im Darm messen, das kostet rund 40 Euro. Damit wird ersichtlich, ob eine mikroskopische Entzündung im Darm vorliegt und, ob die Schleimhautintegrität vorhanden ist. Zudem ist erkennbar, welche Reparatur-Proteine aktiv sind. Mit diesen Daten kann auch der Zahnarzt einen individuellen Therapieplan erstellen. Neuerdings kann man sogar die metabolische Landkarte im Blut und im Darm erkennen. Damit kann ein Algorithmus vorhersagen, ob ein Mensch, in dessen Familienhistorie bereits Krankheiten wie Multiple Sklerose oder Parkinson aufgetreten sind, noch gesund ist bzw. mit welcher Wahrscheinlichkeit er auch daran erkranken wird. Das alles dient dem Ziel „Pre-ending a desease“ und der Frage „Was kann ich tun, wenn ich das Risikoprofil früh genug kenne?“. Früherkennung und Prophylaxe spart am Ende viel Geld und rettet Lebenszeit; dieser Schatz liegt in der KI. Dazu braucht es aber die Mithilfe aller Ärzte und Zahnärzte, das bedeutet, wir müssen konsequent Daten sammeln und auswerten.
Inwieweit ist das alles für den Generalisten in einer Einzelpraxis umsetzbar – braucht es dazu nicht eher die Struktur einer Mehrbehandler-Praxis?
Volz: Es geht zunächst einmal darum, einen Einstieg zu finden und sich die Biologie näher anzuschauen. Dabei kann man schlank nach dem 80/20-Prinzip beginnen, indem man zunächst auf den Vitamin D3-Wert und den LDL-Wert schaut. Mit diesen beiden Parametern ist schon viel gewonnen bei geringem Aufwand und wenig Kosten. Möchte ich dann noch einen Schritt weiter gehen, nehme ich noch Vitamin K2 und Omega-3 dazu. Der nächste Schritt wäre Magnesium, das für den Vitamin-D3-Stoffwechsel benötigt wird. Der fünfte Schritt wäre dann Vitamin C, das ebenfalls die Osteoblasten aktiviert. Selbst wenn ich nur Vitamin D3 und K2 in meine therapeutische Tätigkeit integriere, ergeben sich daraus schon gravierende Verbesserungen. Immer wenn ich Kollegen treffe, die das umgesetzt haben, höre ich: „Unglaublich, das hat unsere gesamte Praxis komplett verändert!“
Beuer: Wir müssen es schaffen, dem Patienten bei jeder Aufklärung zu vermitteln, dass er das Ergebnis mitsteuern kann und, dass er es selbst mit in der Hand hat, ob die Therapie gelingt. Zwar bitten wir unsere Patienten, sich zu schonen und die Milchprodukte wegzulassen, was wir jedoch immer noch nicht kommunizieren ist die Tatsache, dass sie mit ihrem Verhalten langfristig Einfluss auf den Erfolg unseres Tuns und damit ihres Therapieerfolgs ausüben. Würden wir unsere Patienten dahingehend konsequent aufklären, wären wir schon einen Schritt weiter. Einerseits fühlt sich der Patient damit einbezogen und andererseits trägt er damit auch einen Teil der Verantwortung. Geht dann doch etwas schief, ist es zumindest ein geteiltes Schicksal.
Mosetter: Ich gehe da noch einen Schritt weiter. Wir machen mit vielen Patienten, die einen OP-Termin aufgrund von Rücken- oder Gelenkbeschwerden bei uns haben, eine Prä-Reha als angewandte Prophylaxe für die Operation. Dabei werden unsere Patienten vorbereitet, ihre Muskeln und Faszien in Form zu bringen. Und je besser das Muskel-Faszien-Korsett in Form ist, desto besser ist die Ausgangslage für den Operateur, desto besser wird das Ergebnis und umso kürzer die Heilzeit.
Volz: Um noch einmal auf die Frage der Praxisgröße und Umsetzbarkeit zurückzukommen: Ich habe großen Respekt vor all den Zahnärzten, die allein in der Praxis stehen und alle Aufgaben wie Führung, Marketing, Abrechnung jonglieren und sich dann noch mit den Krankenkassen/Versicherungen auseinandersetzen müssen. Auch ich habe das in meiner Anfangszeit erlebt. Ich sehe heute die Zukunft in größeren Zentren oder Praxis-Kliniken, da dort solche Unternehmer-Stressfaktoren delegiert werden, damit ich mich als Zahnarzt auf die zahnmedizinische Arbeit konzentrieren kann. Für die Berufsausübungsgemeinschaften sehe ich die Zukunft weniger in der behandlerbezogenen Therapie, sondern vielmehr in einem profilierten Praxiskonzept. Das schafft Bindung an die Praxis und nicht an einzelne Zahnärzte. Ich empfehle jedem Kollegen mit zunehmendem Alter auf ein Therapie-Konzept statt auf den eigenen „Superhero-Status“ zu setzen, allein schon deshalb, um keine Einbußen erleben zu müssen, wenn ein Mitarbeiter die Praxis verlässt.
Beuer: Ich glaube, am wichtigsten ist es, selbstbestimmt arbeiten zu können, ein Konzept zu etablieren, sich Kollegen ins Boot zu holen – ohne einen Controller im Rücken, der sagt, was zu tun ist. Ich selbst genieße es auch, ein großes Team mit jungen Kollegen und immer neuen Ideen um mich zu haben, den Austausch miteinander zu pflegen. Für mich ist das Wichtigste, dass alle meine Mitarbeiter gut sind. Ich habe junge Kollegen, deren Frontzahnfälle könnte ich auf jeder Bühne zeigen! Es geht nicht nur um einen selbst, sondern die 25 Ärzte im Team sind der Schatz. Und irgendwann ziehen sie weiter und nehmen das Konzept mit. Das ist gut, denn damit hat mein Konzept viele Multiplikatoren.
Mosetter: Auch bei mir hat sich ein Team von Psychologen, Sportmedizinern, Ärzten unterschiedlicher Disziplinen, Heilpraktiker, Physios – und hier an Schnittstelle zur Zahnmedizin zu allen Mitarbeitern der Swiss Biohealth Clinic zusammengefunden. Und es braucht jemand, der die Verwaltungsarbeit managed. Dann macht die Arbeit richtig Spaß, jeder wird besser und man hat auch weniger persönlichen Druck.
Ganz herzlichen Dank an die Runde für die inspirierende Diskussion.