Praxis mit Profil
Ein volles Wartezimmer mag auf den ersten Blick ein Indiz dafür sein, dass ein Praxiskonzept aufgeht. Viel wichtiger ist jedoch, dass die „richtigen“ Patienten den Weg in die Praxis finden. Auch andere Branchen richten ihr Handeln darauf aus, bestimmte Zielgruppen für ihre Produkte oder Leistungen anzusprechen.
Vom Praxismarketing ist es nur ein kleiner Schritt zum Begriff der „Praxis als Marke“. Wer sich fragt, was dieses Schlagwort mit seriöser Zahnmedizin zu tun hat, findet die Antwort bei sich selbst. Warum greifen wir beim Einkauf häufig bei Markenprodukten zu und sind sogar bereit, mehr dafür zu bezahlen? Natürlich verbindet der Kunde einen gewissen Qualitätsanspruch mit dem Markennamen – darüber hinaus wird diese Entscheidung jedoch von Faktoren beeinflusst, deren Ursprung sehr viel emotionaler ist. Der Käufer wünscht sich beispielsweise die Kekse mit den Schokoladenstückchen, die so verführerisch auf der Zunge schmelzen. Menschen vertrauen ihren Sinnen. Deshalb ist die Zahnarztwahl genau wie die Kaufentscheidung im Laden davon abhängig, ob es den Akteuren gelingt, Vertrauen zu schaffen – und damit eine Atmosphäre, die zum Wohlbefinden von Kunden und Patienten beiträgt.
Die kleinen Extras
Zahnärzte, die diesen Zusammenhang verstehen, werden öfter weiterempfohlen als ihre Kollegen. Experten wie die OPTI Zahnarztberatung GmbH weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Beurteilung, ob ein Patient zufrieden ist, nur selten von der fachlichen Kompetenz des Behandlers abhängt. Um auf die Beispiele aus dem Supermarkt zurückzukommen: Kunden erwarten, dass Kekse grundsätzlich schmecken. Ebenso dürfen Patienten beim Zahnarzt davon ausgehen, dass sie medizinisch einwandfrei betreut werden. Es wird also kaum ein Praxisbesucher in Begeisterungsstürme ausbrechen, weil die neue Krone perfekt passt. Vielmehr kommt es auf die kleinen „Extras“ an – quasi die Schokoladenstückchen im Keks.
Glaubwürdige Konzepte
Anders sein allein ist jedoch kein geeignetes Mittel, um sich von der Masse der Zahnärzte abzuheben. Der Service, der einer Praxis Profil verleihen soll, muss Teil eines Konzepts sein. Und genau diese Vision ist Chefsache. Der Betreiber einer Praxis muss eine konkrete Vorstellung davon haben, welche Patienten zu seinem Leistungskatalog passen. Erst im nächsten Schritt kann er darüber nachdenken, welche Maßnahmen dazu führen, dass gerade diese Wunschpatienten sich in der Praxis willkommen fühlen. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt, soweit die geplanten Schritte wirtschaftlich vertretbar sind und die Abläufe nicht stören.
Wer eine jüngere Patientengruppe ansprechen möchte, liegt mit kostenlosem WLAN oder einer Terminerinnerung per WhatsApp sicher richtig. Beruflich stark beanspruchte Patienten freuen sich über flexible Öffnungszeiten oder über die Möglichkeit, Termine online zu buchen. Wer viele Senioren im Einzugsbereich seiner Praxis hat, könnte über Lesebrillen und höhere Stühle im Wartezimmer nachdenken. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich ein Praxischef zwingend spezialisieren muss.
Auch als Allgemeinzahnarzt kann er durch eine authentische, von Wertschätzung geprägte Patientenkommunikation einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Niemand erwartet, dass der Zahnarzt Zeit für ein Kaffeekränzchen vor der Behandlung hat – aber wenn er sich noch an den Theaterbesuch erinnert, auf den sich der Patient beim letzten Termin gefreut hatte, ihn auf den vergangenen Urlaub ansprechen kann oder zum Geburtstag gratuliert, kostet eine entsprechende Erinnerung zwei Klicks in der Verwaltungssoftware und entfaltet dafür große Wirkung.
Servicekultur in der Zahnarztpraxis
Denn solche Erlebnisse machen den Wohlfühlfaktor einer Praxis aus und sind oft ausschlaggebend für Empfehlungen. Um die individuelle Betreuung konkreter Zielgruppen oder eine besondere Servicekultur umsetzen zu können, ist der Zahnarzt auf sein wichtigstes Marketinginstrument angewiesen: seine Mitarbeiter. Zu einem runden Konzept gehört eine Vielzahl von Aufgaben, die neben den Pflichten rund um die Behandlung, Dokumentation und Verwaltung in den Praxisalltag implementiert werden müssen. Sei es eine Art Schichtsystem für verlängerte Öffnungszeiten, Praxisführungen für Patienten, die sich zum ersten Mal vorstellen, oder ein festgelegtes Protokoll für die Kommunikation mit Angstpatienten.
All diese Maßnahmen werden nur dann den gewünschten Erfolg zeigen, wenn der Zahnarzt sein ganzes Team mit ins Boot holt. Die erste Voraussetzung dabei ist, dass er das Personal ausführlich über seine Pläne informiert und alle diese Praxisphilosophie mittragen. Der Zahnarzt kann jedoch nicht davon ausgehen, dass seine Mitarbeiter automatisch über das passende Spezialwissen zu seiner Praxisidee verfügen. Das Zauberwort in diesem Zusammenhang lautet „Fortbildung“. Wenn der Chef beispielsweise einen freundlichen, professionellen und strukturierten Telefonkontakt mit den Patienten als Markenzeichen für seine Praxis etablieren möchte, kann ein Gesprächstraining für die Rezeptionskräfte viel bewirken.
Teamarbeit
Die Investition lohnt sich – denn er schafft damit nicht nur gute Voraussetzungen für den Erfolg seines Entwicklungsplans, sondern zeigt seinen Angestellten auch, dass er ihnen einiges zutraut. Patientenbindung steht in einem sehr engen Zusammenhang zur Mitarbeiterbindung. Deshalb sollte der Zahnarzt auch seine Aufgaben als Personalchef ernst nehmen. Nur wenn es ihm gelingt, engagierte und kompetente Mitarbeiter langfristig zu halten, verfügt er über ein Team, das Vertrauen zu den Patienten aufbaut. Eine auffällig hohe Fluktuation hingegen wird von den Praxisbesuchern mit Argwohn zur Kenntnis genommen.
Fortbildungen im Bereich „Führung und Personal“ sensibilisieren selbstständige Zahnärzte für Themen wie Mitarbeiterkommunikation, Krisenmanagement und Motivation. Darüber hinaus geben die Schulungen Einblicke in ungewöhnliche Belohnungssysteme, wie leistungsgerechte Entlohnung.
Vorstellungskraft und ein eingeschworenes Team sind ein guter Anfang für den Erfolg einer Praxis. Eine Voraussetzung fehlt jedoch noch, um das Konzept wirklich abzurunden. Denn alle Bemühungen um ein einzigartiges Angebot laufen ins Leere, wenn niemand davon weiß.
Empfehlungsmarketing
Empfehlungsmarketing spielt bei der Zahnarztwahl eine wichtige Rolle – dennoch suchen auch viele potenzielle Patienten im Internet nach „ihrer“ Praxis. Eine professionell geplante Praxiswebsite ist deshalb heute Pflicht. Hat ein User den zahnärztlichen Internetauftritt gefunden, gibt es bestimmte Schwerpunkte des Interesses. Den ersten Platz in diesem Ranking belegt eindeutig die Teamseite, dicht gefolgt von Fotos, die Impressionen der Praxis liefern, und der Seite mit den Kontaktdaten.
Diese Prioritäten sind nachvollziehbar: Der Patient möchte wissen, ob das Praxisteam Freundlichkeit und Professionalität ausstrahlt und ob die Praxis auch optisch einen Stil vermittelt, der ihn anspricht. Deshalb befinden sich Zahnärzte, die beim Internetauftritt ihr Leistungsangebot in den Mittelpunkt stellen, im Irrtum. Tatsächlich können die Patienten die Qualifikation eines Behandlers kaum beurteilen. Ein Perspektivwechsel hilft weiter: Wer auf seiner Website Fotos von modernen Operationsmethoden einstellt, die geöffnete Kieferknochen zeigen, schreckt Patienten ab, anstatt sich besonders fortschrittlich zu präsentieren. Relevant für die Entscheidung für oder gegen eine Praxis sind Faktoren, die das Unterbewusstsein ansprechen, denn Menschen bauen Vertrauen fast ausschließlich über eine emotionale Schiene auf.
Dazu zählen nicht nur die berühmten Sympathiewerte, sondern auch ein gewisser Wiedererkennungseffekt. Das heißt zum Beispiel, dass ein Farbkonzept für die Praxiseinrichtung und die Teambekleidung auch bei der Websitegestaltung weitergeführt wird. Den Aspekt der Fortschrittlichkeit bedient ein Praxischef hingegen besser, indem er sicherstellt, dass seine Website auch auf Smartphones und Tablets gut lesbar ist. Externe Spezialisten unterstützen Zahnärzte bei der Planung eines professionellen Außenauftritts und empfehlen oft eine Verlinkung mit einer Fanpage bei Facebook.
Fazit
Individualität und motivierte Mitarbeiter verleihen einer Zahnarztpraxis Profil – ein professioneller Außenauftritt hat das Potenzial, diese Konturen zusätzlich zu schärfen. Auch Empfehlungsmarketing ist und bleibt ein bedeutendes Mittel, sowohl zur Patientenneugewinnung als auch zur Patientenbindung.
Thies Harbeck
ist Geschäftsführer der OPTI Zahnarztberatung GmbH. OPTI unterstützt Praxen deutschlandweit in den Bereichen Betriebswirtschaft, Organisation, Marketing, Praxisanalyse, Führung und Personal.
harbeck@opti-zahnarztberatung.de