Angst vor Altersarmut?
Nicht nur die Lebensversicherungen, auch die Versorgungswerke ächzen inzwischen unter der anhaltenden Niedrigzinsphase. Deshalb sorgen sich mittlerweile etliche Mediziner ebenfalls um ihren späteren Lebensstandard. Doch ist die Angst vor Altersarmut wirklich begründet? Und wie kann man sich absichern?
Der Schock für Heike D., Orthopädin aus Berlin, kam in Form eines Briefs. „Durch sogenannte neue Berechnungsmodalitäten sind meine Rentenanwartschaften von monatlich 380 auf 250 Euro gesunken, teilte man mir mit“, erzählt die 47-Jährige nach dem Erhalt des beunruhigenden Schreibens. Ihre Assistenzzeit und ersten Berufsjahre hat Heike D. in einer Kleinstadt nahe Frankfurt verbracht und währenddessen monatliche Beträge an das hessische Versorgungswerk entrichtet. Nun muss die Ärztin einen 30-prozentigen Wertverlust ihrer Anwartschaften hinnehmen.
Steuer auf Renten steigen
„Das Defizit fällt nur so stark auf, weil Heike D. mittlerweile an ein anderes Versorgungswerk zahlt“, meint Markus Sobau, Geschäftsführer von MediSecur in Mannheim. Seit 20 Jahren beraten der Finanzplaner und sein 20-köpfiges Expertenteam Mediziner in Geldfragen. Ein Großteil der 89 deutschen Versorgungswerke habe zwar den Rechnungszins von vier Prozent auf bis zu zwei Prozent gesenkt, trotzdem würden nur in seltensten Fällen bestehende Rentenansprüche gekürzt. „Stattdessen steigen die Anwartschaften einfach weniger schnell“, erklärt der Finanzwirt. Das Resultat bleibt gleich: weniger Rente.
Erschwerend hinzu kommt laut Sobau die Steuersituation. Denn künftige Rentner – egal ob Arzt oder Bauarbeiter – müssen ihr Altersruhegeld höher versteuern. Ausschlaggebend ist die geltende Besteuerungssituation im Jahr des Renteneintritts. Wer 2025 den Ruhestand antritt, versteuert bereits 85 Prozent der monatlichen Auszahlungen – ein Leben lang. Besonders hart trifft die Regelung Rentner ab dem Jahr 2040. „Deren Monatsbeträge sind voll steuerpflichtig“, bestätigt Björn Demuth, Fachanwalt für Steuerrecht aus Stuttgart. So landen von beispielsweise 4000 Euro Rente ab 2030 nur noch circa 2500 Euro netto auf dem Konto.
Kostenfaktor PKV-Beitrag
„Trotz Niedrigzinsphase erwirtschaften die meisten Versorgungswerke Erträge oberhalb ihres Rechnungszinses“, beruhigt Stefan Strunk, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV). Anders als beispielsweise Lebensversicherungen müssen Versorgungswerke laut Anlageverordnung nur ein Viertel ihrer Kapitalanlagen in festverzinsliche Wertpapiere investieren. Im Niedrigzinsumfeld erhöhen daher viele Einrichtungen Immobilien- und Aktienquoten. Laut Aussagen verschiedener Pressestellen federe das die Zinseinbußen vorerst ab. Langfristige Prognosen möchte allerdings keine der Organisationen aufstellen. Zu unsicher sei das Kapitalumfeld. Fakt ist, dass die durchschnittliche Arztrente von 2004 bis heute von einigen Werken um weniger als zwei Prozent angehoben wurde.
Gleichzeitig steigen die Kosten. Etwa für die meist private Krankenversicherung. Diese berechnet Beiträge nicht nach Einkommen wie ihre gesetzlichen Kollegen, sondern nach dem individuellen Risiko, krank oder pflegebedürftig zu werden. Daher klettern die Kosten im Alter auf monatlich 600 bis 800 Euro. PKV-Beiträge gehen von der Nettorente ab. Anders als die gesetzliche Rentenversicherung bezuschussen Versorgungswerke Beitragszahlungen nicht.
Was ist empfehlenswert?
Um ihre Anwartschaften zu erhöhen, reagieren viele Mediziner mit freiwilligen Zuzahlungen. „Die Vorteile liegen klar auf der Hand“, sagt ABV-Mann Strunk, „mehr Leistungen und eine verminderte Steuerlast während der aktiven Zeit.“
Anlageberater Sobau hingegen rät eher zur Skepsis. „Alle Finanzmittel, auch Zuzahlungen, sind im Versorgungswerk bis zur Rente und darüber hinaus gebunden“, gibt er zu bedenken. Egal in welcher Notlage, während des Erwerbslebens kommen Ärzte nicht an die Ersparnisse heran. Und auch nach Renteneintritt ist keine Einmalauszahlung möglich. „Anstatt freie Gelder per Zusatzzahlung zu binden, sollten Ärzte damit eine individuelle und verfügbare private Altersvorsorge aufbauen“, empfiehlt der Fachmann. Diese sollte sowohl steuerliche als auch persönliche Aspekte berücksichtigen. Sinnvolle Möglichkeiten mit mehr Ertrag und Sicherheit sind Immobilien und abgesicherte Wertpapierdepots, bei denen investierte Mittel kurz- bis mittelfristig verfügbar bleiben.
Gute Kombination hilft
Festzuhalten bleibt: Das Versorgungswerk ist vielleicht nicht mehr der unfehlbare Heilsbringer, der es einst war, bleibt aber trotzdem ein vergleichsweise stabiler Baustein für die Ruhestandsplanung – solange es nicht der einzige ist. In Zeiten niedriger Zinsen und unsicherer Kapitalmärkte sollten Mediziner sich nicht ausschließlich auf die Institution verlassen. Zwar werden Arztrenten in absehbarer Zeit nicht sinken, aber im Gegensatz zu steuerlichen und versicherungsbasierten Aufwendungen eben auch nicht nennenswert steigen. Wer sich absichern will, kombiniert die berufsständischen Leistungen mit einem zweiten privaten Renten-Standbein. Die Angst vor Altersarmut ist zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls unbegründet.
Ronja Gysin
freie Journalistin aus Stuttgart, Schwerpunkte: Praxismanagement und Finanzierung
ronja.gysin@gmail.com