Autologes Zahnmaterial als Knochenersatz

Hochwertige Alternative zum Goldstandard

Der dauerhafte Erfolg eines implantologischen Eingriffs ist maßgeblich vom vorhandenen Angebot an Hartgewebe abhängig. Ist dieses Angebot nicht in ausreichendem Maß vorhanden, gilt es, die nötigen Voraussetzungen durch augmentative Maßnahmen zu schaffen.


Realistic bone spongy structure close-up, healthy texture of bone, 3d illustration


In diesem Kontext können Implantologen auf eine Vielzahl von Vorgehensweisen und Knochenersatzmaterialien zurückgreifen. Dazu gehört auch die Augmentation mittels Knochenersatzmaterial aus extrahierten Zähnen. Im folgenden Beitrag wird die Studienlage zu dieser vielversprechenden Methode in den Fokus gerückt.

Ein breites Spektrum an Materialien
Gemäß ihrer Herkunft werden Augmentationsmaterialien in der Regel in fünf verschiedene Gruppen eingeteilt. Körpereigene Materialien werden als autolog bzw. autogen bezeichnet – hierbei kann es sich beispielsweise um transplantierten Knochen aus dem Beckenkamm oder dem Schienbeinknochen handeln. Fungiert hingegen ein genetisch identisches Individuum, also ein Zwilling, als Transplantatgeber, so spricht man von isogenem Material. Handelt es sich jedoch um einen Menschen, der nicht genetisch identisch ist, so wird das Transplantat als allogen bezeichnet. Xenogene Knochenersatzmaterialien wiederum werden von anderen Spezies gewonnen, beispielsweise von Rindern oder Schweinen. Die fünfte Gruppe umfasst künstlich hergestellte Transplantate, die als synthetische oder alloplastische Materialien geführt werden.
Aufgrund seiner hohen regenerativen Potenz gilt autologes Material gemeinheim als der Goldstandard in der Implantologie [1,2,3]. Die Entnahme des körpereigenen Knochenmaterials – sowohl intraoral als auch extraoral – ist allerdings mit Blick auf die Entnahmestelle mit einem Morbiditätsrisiko assoziiert und macht logischerweise einen zusätzlichen Eingriff notwendig [4]. Aus klinischer sowie aus Patientenperspektive ist es demnach von Vorteil, nach Möglichkeit auf die Entnahme von körpereigenem Knochen verzichten zu können [5]. Als Alternative hat in den vergangenen zehn Jahren eine weitere Quelle autologen Augmentationsmaterials verstärkt Beachtung gefunden: Es handelt sich dabei um extrahierte Zähne, welche mithilfe eines speziellen Mahlgerätes (z. B. Smart Grinder, Champions-Implants, Flonheim) auf eine Korngröße zwischen 250 bis 1.200 μm partikuliert werden.

Charakteristika ähneln autogenem Knochen
Der Oberflächenstruktur und den physikalisch-chemischen Eigenschaften von autologem Zahnmaterial widmeten sich Kim et al. [6]. Dazu betrachteten sie die kristalline Struktur von Proben aus der Wurzel ebenso wie aus der Zahnkrone. Verglichen wurden die Erkenntnisse dann mit den kristallinen Strukturen von xenogenem, synthetischem, allogenem und autogenem (aus der Kortikalis des Unterkiefers der Patienten entnommen) Material. Hierfür kamen sowohl Elektronenmikroskopie als auch Röntgendiffraktometrie zum Einsatz. Zudem untersuchten die Wissenschaftler die Löslichkeit aller genannten Augmentate.
Die Betrachtung mit dem Elektronenmikroskop ließ in der Struktur des autologen Zahnmaterials Muster erkennen, die denen des autogenen Knochens am ähnlichsten waren. Mithilfe der Röntgendiffraktometrie wiederum konnte festgestellt werden, dass sowohl das aus der Wurzel gewonnene Material als auch das allogene Material über eine niedrige Kristallinität verfügen. Dieses Merkmal bewerteten die Wissenschaftler als Ähnlichkeit zum autogenen kortikalen Knochen. Weitere Ähnlichkeiten zwischen autologem Zahnmaterial und autogenem Knochen beobachteten die Autoren zudem bei der Untersuchung der Löslichkeit. Auf Basis dieser Erkenntnisse könne man die physikalisch-chemischen Charakteristika von autologem Zahnmaterial und autogenem Knochen als ähnlich bezeichnen.

Mehr neugebildeter Knochen
Einen histologischen Vergleich zweier Augmentatzusammensetzungen stellten Minetti et al. [7] an. Dabei untersuchten sie sechs Patienten, bei denen es infolge einer Extraktion im Unterkiefer zu Defekten der Alveole an drei Knochenwänden gekommen war. Für die notwendigen augmentativen Maßnahmen kam bei drei Patienten ausschließlich autologes Material aus den jeweils extrahierten Zähnen zum Einsatz. Bei den drei übrigen Patienten verwendeten die Wissenschaftler eine Kombination aus autologem Zahnmaterial und xenogenem Knochenersatzmaterial (zu gleichen Teilen). Nach einer Einheilzeit von vier Monaten wurden schließlich die Implantate inseriert und gleichzeitig eine Knochenbiopsie an allen augmentierten Arealen vorgenommen.
Zum Zeitpunkt der Insertion ließ sich bei allen Patienten ein stabiles Niveau der Augmentathöhe feststellen. Anzeichen für eine Infektion hingegen konnten nicht beobachtet werden. Die histologische Analyse des entnommenen Knochenmaterials offenbarte in beiden Gruppen ebenfalls keine entzündlichen oder infektiösen Reaktionen. Allerdings konnten die Wissenschaftler bei der ausschließlich mit Zahnmaterial augmentierten Gruppe einen größeren Zuwachs an neugebildetem Knochen feststellen (+ 85,29 Prozent).

Mehr Knochenwachstum als bei xenogenem Material
Einen Vergleich von autologem Zahnmaterial mit xenogenem Knochenersatzmaterial stellten Santos et al. [8] im Rahmen einer randomisierten klinischen Studie an. Dabei versorgten sie 52 Patienten mit insgesamt 66 Implantaten. Für die der Implantation vorgeschaltete Ridge Preservation wurden sie zufällig einer von zwei Gruppen zugeteilt, so dass die Augmentation entweder mit xenogenem oder mit Material aus partikulierten Zähnen vorgenommen wurde. Sechs Monate nach den augmentativen Maßnahmen wurden zunächst Knochenproben für histomorphometrische Untersuchungen entnommen und dann die Implantate inseriert. Unmittelbar nach dem Eingriff sowie zwei Monate später ermittelten die Wissenschaftler die Stabilität der Implantate. Darüber hinaus dokumentierten sie das Ausmaß des marginalen Knochenverlusts und das Vorhandensein von Mukositis und Periimplantitis über einen Zeitraum von 18 Monaten nach der Belastung.
Sowohl bei der Primär- (77,1 ± 6,9 versus 77,0 ± 5,9) als auch der Sekundärstabilität (81,8 ± 5,1 versus 80,1 ± 3,8) zeigten sich bei der Gruppe, in der mit autologem Zahnmaterial augmentiert wurde, ähnliche Resultate wie bei der Gruppe, in der xenogenes Material zum Einsatz kam. Einen signifikanten Unterschied jedoch stellten die Wissenschaftler beim Anteil des neugebildeten Knochens fest. Dieser lag in der Gruppe mit autologem Zahnmaterial mit 47,3 Prozent deutlich höher als in der Gruppe mit xenogenem Material (34,9 Prozent).

Eine Option für verschiedene Verfahren
Eine 2022 veröffentlichte retrospektive Studie [9] machte es sich zum Ziel, die Effektivität autologen Zahnmaterials als Augmentat über einen Zeitraum von 24 Monaten hinweg zu bewerten. Untersucht wurden zehn gesunde Patienten mit Bedarf für eine Vollbogenversorgung im Unterkiefer und mehreren extraktionswürdigen Zähnen. Sie wurden in zwei Gruppen eingeteilt: Bei der ersten Gruppe wurde autologes Zahnmaterial in die Extraktionsalveole und in Areale mit Knochendefekten eingebracht. Bei der zweiten Gruppe hingegen setzten die Wissenschaftler ausschließlich auf den natürlichen Heilungsprozess. Nach drei, sechs, 12 und 24 Monaten wurden Knochenproben entnommen und histologische sowie histomorphometrische Untersuchungen durchgeführt.
Über die verschiedenen Untersuchungszeitpunkte hinweg ließen sich eine vermehrte Neubildung von Knochen beobachten. Als statistisch signifikant gaben die Wissenschaftler den Unterschied des neugebildeten Knochens nach drei Monaten (16,3 ± 1,98) und nach 24 Monaten (59,4 ± 1,23) an. Als besondere Charakteristik stellten die Autoren zudem die hohe Resorptionsrate des Zahnmaterials nach 24 Monaten heraus. Schlussfolgernd verweisen die Wissenschaftler darauf, dass autologes Zahnmaterial als Alternative sowohl für die Socket Preservation als auch für die Splitting-Technik und den Sinuslift in Betracht gezogen werden sollte.

Fazit
Anhand der zitierten Untersuchungen lässt sich autologes Zahnmaterial als hochwertige Alternative zum bisherigen Goldstandard, dem autologen Knochen, ansehen. Insbesondere die im Vergleich zu xenogenem Material bessere Fähigkeit zur Knochenneubildung und seine mit autologem Knochen vergleichbaren physikalisch-chemischen Charakteristika sprechen für partikuliertes Zahnmaterial als Augmentat. Für den Einsatz in der Praxis ist zudem entscheidend: Das Material kann, im Gegensatz zu körpereigenem Knochen, ohne Zweiteingriff gewonnen werden. Schließlich lässt sich autologes Zahnmaterial aus dem ohnehin vorhandenen, weil zuvor extrahierten Zahn oder beispielsweise einem schon früher extrahierten Weisheitszahn gewinnen. Somit bietet sich implantologisch tätigen Zahnärzten die Möglichkeit, Knochenersatzmaterial auf Goldstandard-Niveau zu gewinnen, ohne das eingangs erwähnte zusätzliche Morbiditätsrisiko in Kauf nehmen zu müssen.

Smart zum Augmentat

Ein partikuliertes Gemisch aus Zahnschmelz, Dentin und Wurzelmaterial (Abb. 1) aus einem oder mehreren extrahierten Zähnen lässt sich in der eigenen Praxis mithilfe eines Mahlgeräts (Smart Grinder, Champions-Implants, Flonheim) gewinnen (Abb. 2). Nachdem die Zähne mit Winkelstück und Diamant unter Wasserkühlung von Weichgewebe befreit (Abb. 3) und anschließend mit dem Luftbläser getrocknet wurden, werden sie sie in nur drei Sekunden partikuliert (Abb. 4). Sollte der Zahn zuvor restaurativ oder endodontisch behandelt worden sein, sollten die hierfür verwendeten Füllungs- oder Endo-Materialien ebenfalls vor der Zerkleinerung entfernt werden. Zu Reinigung wird der partikulierte Zahn anschließend für zehn Minuten in einer Lösung aus Natriumhydroxid und Ethanol (Cleanser, Champions-Implants, Flonheim) belassen. Die überschüssige Flüssigkeit wird danach entfernt und der normale pH-Wert des Dentins wieder mit einer Pufferlösung eingestellt. Auf diese Weise lässt sich in kurzer Zeit und ohne einen Zweiteingriff hochwertiges körpereigenes Knochenersatzmaterial mit regenerativer Potenz erzeugen (Abb. 5).


Prof. Dr. Dr. Dr. Thomas Ziebart
studierte Medizin, Biologie, Zahnmedizin und Management
für Gesundheitseinrichtungen und ist Leiter der MKG-Chirurgie
am DRK-Krankenhaus in Alzey.
Seine Hauptarbeitsgebiete sind Implantologie, Membrantechniken,
Bisphosphonat-assoziierte Osteonekrose und Tumormetabolismus
in Kopf-Hals-Karzinomen.

Literatur
  1. Sakkas A, Wilde F, Heufelder M, Winter K, Schramm A: Autogenous bone grafts in oral implantology – is it still a “gold standard”? A consecutive review of 279 patients with 456 clinical procedures. Int J Implant Dent 3:1 23, 2017.
  2. Chavda S, Levin L. Human studies of vertical and horizontal alveolar ridge augmentation comparing different types of bone graft materials: a systematic review. J Oral Implantol. 2018;44:74–84. doi: 10.1563/aaid-joi-D-17-00053.
  3. Janssen NG, Weijs LJW, Koole R, Rosenberg PWJA, Meijer GJ. Tissue engineering strategies for alveolar cleft reconstruction: a systematic review of the literature. Clin Oral Investig. 2014;8:219–226. doi: 10.1007/s00784-013-0947-x.
  4. Starch-Jensen, T., Ahmad, M., Bruun, N. H., & Becktor, J. P. (2021). Patient’s perception of recovery after maxillary sinus floor augmentation with autogenous bone graft compared with composite grafts: a single-blinded randomized controlled trial. International journal of implant dentistry, 7(1), [99]. https://doi.org/10.1186/s40729-021-00379-y.
  5. Ebd.
  6. Kim YK, Kim SG, Yun PY, Yeo IS, Jin SC, Oh JS, Kim HJ, Yu SK, Lee SY, Kim JS, Um IW, Jeong MA, Kim GW. Autogenous teeth used for bone grafting: a comparison with traditional grafting materials. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol 117(1): e39-45, 2014.
  7. Minetti E, Palermo A, Savadori P, Barlattani A Jr, Franco R, Michele M, Gianfreda F, Bollero P. Autologous tooth graft: a histological comparison between dentin mixed with xenograft and dentin alone grafts in socket preservation. J Biol Regul Homeost Agents 33(6 Suppl. 2): 189-197, 2019.
  8. Santos A, Botelho J, Machado V, et al. Autogenous Mineralized Dentin versus Xenograft granules in Ridge Preservation for Delayed Implantation in Post-extraction Sites: A Randomized controlled clinical trial with an 18 months follow-up. Clin Oral Impl Res. 2021;00:1–11. https://doi.org/10.1111/clr.13765.
  9. Cervera-Maillo JM, Morales-Schwarz D, Morales-Melendez H, Mahesh L, Calvo-Guirado JL. Autologous Tooth Dentin Graft: A Retrospective Study in Humans. Medicina. 2022; 58(1):56. https://doi.org/10.3390/medicina58010056.