Anspruch auf Löschung der Basisdaten
Das Internetportal www.jameda.de ist als Arztsuch- und Bewertungsportal bekannt. Kürzlich erging wegen eines jameda-Eintrages in Bezug auf die Datenschutzgrundverordnung ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 15.02.2022, Az. VI ZR 692/20).
Geklagt hatte eine Augenärztin, die im Zusammenhang mit einer negativen Bewertung als „arrogant, unfreundlich, unprofessionell“ bezeichnet wurde und gegenüber jameda keine Einwilligung zur Darstellung ihrer Basisdaten gegeben hatte. Mit ihrer Klage gegen das Portal begehrte sie die Löschung ihrer Basisdaten aus jameda. Als Basisdaten gelten Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, weitere Kontaktdaten. Diesen Anspruch begründete sie mit dem Hinweis darauf, dass jameda ihr Arztsuche- und Arztbewertungsportal rein aus wirtschaftlichen Gründen und mit Gewinnerzielungsabsicht betreibe und sich nicht auf die Meinungs- und Medienfreiheit berufen könne. Jedenfalls sei ihr eigenes Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 GG als vorrangig zu bewerten. Nachdem in erster Instanz ihr Anspruch auf Löschung zunächst bestätigt worden ist, hob das OLG Frankfurt diese Entscheidung in zweiter Instanz auf (Urteil vom 09.04.2020, Az. 16 U 218/18), womit der Ärztin der Löschungsanspruch dann doch versagt wurde.
NEUTRALER INFORMATIONSMITTLER
Das OLG Frankfurt vertrat die Auffassung, es sei nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO rechtmäßig, dass die Datenverarbeitung auf dem Portal ohne die Einwilligung der Ärztin erfolgt sei. Die Abwägung zwischen den berechtigten Interessen der Beklagten (Recht auf Kommunikationsfreiheit und Art. 12 Abs. 1 GG), dem Informationsinteresse Dritter an der Auflistung der Ärzte mit Benotung und Freitextkommentaren und den Interessen der Ärztin als Klägerin (Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Art. 12 Abs. 1 GG) falle zulasten der Klägerin aus. Jameda verlasse nicht die Funktion eines neutralen Informationsmittlers. Die Plattform verschaffe ihren Premiumkunden keine verdeckten Vorteile. Mit der Funktion eines neutralen Informationsmittlers sei nicht zwangsläufig ein Werbeverbot verbunden. Für den Portalnutzer sei klar ersichtlich, dass für Anzeigen, die als solche bezeichnet und farblich unterlegt seien, eine Vergütung zu entrichten sei.
Diese Anzeigen erschienen auf Seiten mit Profilen von Premiumkunden und Nichtkunden gleichermaßen, womit keine verdeckte Ungleichbehandlung vorliege. Vielmehr sei entscheidend, wie verständlich die Informationen für den Nutzer des Bewertungsportals seien, ob dieser erkennen könne, dass es Vorteile für zahlende Kunden gebe und dass diese Vorteile Nichtkunden nicht unangemessen benachteiligten. Genau dies sei der Fall, da sowohl die Erfassung der Ärzte als auch die Reihenfolge ihres Erscheinens innerhalb der Liste unabhängig von einer Premiummitgliedschaft erfolge.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Der BGH bestätigte die Entscheidung des OLG Frankfurt und verneinte ebenfalls den Anspruch der Ärztin auf Löschung ihrer Basisdaten bei jameda. Darüber hinaus stellte der BGH klar, dass auch die negative Bewertung gegenüber der Ärztin („arrogant, unfreundlich und unprofessionell“) von jameda nicht zu löschen sei und die Ärztin nicht rechtswidrig in ihrem Persönlichkeitsrecht verletze. Es handele sich um eine Meinungsäußerung, die die Grenze zur Schmähkritik nicht überschreite. Diese Äußerung beruhe auf einem Besuch bei der Klägerin, entbehre also nicht jeder Tatsachengrundlage.
DATENVERARBEITUNG
Der BGH legte seiner Urteilsbegründung die Kriterien nach der Datenschutzgrundverordnung zu Grunde. Die Datenverarbeitung ist danach unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig: erstens muss von der Beklagten oder von einem Dritten, hier also den Portalnutzern, ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden; zweitens muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und drittens dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten des betroffenen Arztes nicht überwiegen.
Diese Voraussetzungen sah der BGH für die Erfassung und Darstellung der Basisdaten der Ärztin als erfüllt an. Mit der Datenverarbeitung der klagenden Ärztin nehme jameda sowohl eigene berechtigte Interessen als auch berechtigte Interessen der Nutzer des Portals wahr. Der BGH führt zum berechtigten Interesse aus: „Mit dem von ihr betriebenen Bewertungsportal und der (möglichst) vollständigen Aufnahme aller Ärzte verschafft die Beklagte der ihr Portal nutzenden Öffentlichkeit zunächst einen geordneten Überblick darüber, von wem und wo welche ärztlichen Leistungen angeboten werden. Mit der Sammlung, Speicherung und Weitergabe der Bewertungen vermittelt sie der das Portal nutzenden Öffentlichkeit darüber hinaus einen Einblick in persönliche Erfahrungen und subjektive Einschätzungen von Patienten des jeweiligen Arztes, die der jeweilige Leser… ,gerade auch in seiner Ausprägung als Geschäftsmodell zur von Art. 16 GRCh geschützten gewerblichen Tätigkeit der Beklagten. Schon aus diesen Gründen liegt der Betrieb des Portals im berechtigten Interesse der Beklagten; mit der damit verbundenen Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Klägerin nimmt sie somit eigene berechtigte Interessen wahr.“
Das Kriterium der Erforderlichkeit der Verarbeitung der Daten der Ärzte begründet der BGH wie folgt:
„Auch ist die Verarbeitung der genannten personenbezogenen Daten der Klägerin zur Verwirklichung der berechtigten Interessen der Beklagten und ihrer Nutzer „erforderlich“. Zwar ist diese Voraussetzung restriktiv auszulegen; Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz der personenbezogenen Daten müssen sich auf das absolut Notwendige beschränken… . Vorliegend ist das Merkmal der Erforderlichkeit aber erfüllt. Für den Betrieb des Bewertungsportals ist die von der Beklagten vorgenommene Verarbeitung der personenbezogenen Daten der im Portal – möglichst vollständig – gelisteten Ärzte unabdingbar. Denn ohne deren hinreichende Identifizierbarkeit wäre ein solches Portal weder in der Lage, den Portalnutzern einen Überblick über die für sie und ihr Leiden infrage kommenden Ärzte zu verschaffen, noch, diese von den Nutzern des Portals bewerten zu lassen. Die sich auf Namen, berufsbezogene Informationen und abgegebene Bewertungen beschränkende Darstellung auf den Basis-Profilen erfüllt diesen Zweck und geht über das insoweit unbedingt Notwendige nicht hinaus.“ Der BGH sieht die berechtigten Interessen der klagenden Ärztin im Ergebnis als nachrangig an: „Schließlich überwiegen hinsichtlich der angegriffenen Verhaltensweisen der Beklagten die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Klägerin die von der Beklagten mit dem Portalbetrieb wahrgenommenen berechtigten Interessen nicht. …
SOZIALER UND BERUFLICHER GELTUNGSANSPRUCH
Im Rahmen der nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f. DS-GVO vorzunehmenden Abwägung sind zugunsten der Klägerin außer ihrem Recht auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten gemäß Art. 8 GRCh die nicht unerheblichen Gefahren für ihren sozialen und beruflichen Geltungsanspruch (Art. 7 GRCh) sowie den wirtschaftlichen Erfolg ihrer selbständigen Tätigkeit (Art. 16 GRCh) zu berücksichtigen, die ihre Aufnahme in das von der Beklagten betriebene Portal und die damit verbundene Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten mit sich bringen kann. Die – durch die Aufnahme in das Portal ermöglichten – Bewertungen können die Arztwahl behandlungsbedürftiger Personen beeinflussen, sich dadurch unmittelbar auf den Wettbewerb mit anderen Ärzten auswirken und damit im Falle von negativen Bewertungen sogar die berufliche Existenz des Bewerteten gefährden. Auch die Breitenwirkung des Bewertungsportals der Beklagten ist erheblich. Schließlich ist nicht ausgeschlossen, dass das Portal dazu missbraucht wird, unwahre, beleidigende oder sonst unzulässige Aussagen bezüglich eines Arztes ins Netz zu stellen, auch wenn der jeweilige Arzt dem nicht schutzlos ausgeliefert ist und die Bewertungen nur die berufliche Tätigkeit des Arztes betreffen, also einen Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht… . In seinem beruflichen Bereich muss sich der selbständig Tätige auf die Beobachtung seines Verhaltens durch die breitere Öffentlichkeit wegen der Wirkungen, die seine Tätigkeit für andere hat, und auf Kritik an seinen Leistungen einstellen… .
ÖFFENTLICHKEITSINTERESSE
Auf der anderen Seite steht hier – neben dem ebenfalls geschützten Eigeninteresse der Beklagten am Betrieb ihres Portals – das ganz erhebliche Interesse, das die Öffentlichkeit an den im Portal der Beklagten angebotenen Informationen und Möglichkeiten hat. Das Portal der Beklagten kann dazu beitragen, dem Patienten bei der Ausübung der Arztwahl die aus seiner Sicht erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, und ist grundsätzlich geeignet, zu mehr Leistungstransparenz im Gesundheitswesen beizutragen. Diesen Zweck kann es – entgegen der Ansicht der Revision – allenfalls noch eingeschränkt erfüllen, wenn es von der Zustimmung der bewerteten Ärzte abhängig wäre, die – etwa im Fall einer schwächeren Bewertung – zurückgenommen werden könnte… .“
FAZIT
Im Ergebnis stellt der BGH fest, dass ein Arzt / Zahnarzt keinen Anspruch auf Löschung seiner Basisdaten auf dem Portal jameda hat. Bezüglich negativer Bewertungen auf dem Portal bezieht sich der BGH auf die allgemeiner Unterscheidung zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung, wobei die Meinungsäußerung als solche vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist, wohingegen die Tatsachenbehauptung im Streitfall vom Patienten belegt werden muss.
RA DR. SUSANNA ZENTAI
ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Dr. Zentai –
Heckenbücker in Köln und als Beraterin sowie
rechtliche Interessenvertreterin (Zahn-)Ärztlicher
Berufsvereinigungen tätig.
kanzlei@d-u-mr.de
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