Nichtanbindung an die Telematikinfrastruktur
Das SG Stuttgart entschied am 27.01.2022, dass eine einprozentige Honorarkürzung wegen Nichtanbindung an die Telematikinfrastruktur gemäß § 291 Abs. 2b Satz 3, Satz 14 SGB V a.F. rechtmäßig ist und die Pflicht zur Vornahme des Versichertenstammdaten-Abgleichs nicht gegen die DSGVO oder die Berufsausübungsfreiheit verstößt.
Die Anbindung an die Telematikinfrastruktur und die Vornahme des Versichertenstammdaten-Abgleichs wurde in den §§ 291 ff. SGB V zum 01.01.2019 verpflichtend für alle Vertragsärzte festgelegt. Dies dient der Schaffung einer Kommunikationsinfrastruktur im Gesundheitswesen zum sicheren Austausch wichtiger medizinischer Daten und verfolgt das Ziel, alle Beteiligten im Gesundheitswesen
besser miteinander zu vernetzen. Die Leistungserbringer sind gemäß § 291 Abs. 2b Satz 3 SGB V a.F. verpflichtet, die notwendigen technischen Voraussetzungen zu schaffen, um den Versichertenstammdaten-Abgleich bei jedem erstem Arzt-Patienten-Kontakt im Quartal durchzuführen. Kommt der Leistungserbringer dieser Pflicht nicht nach, ist ihm gemäß § 291 Abs. 2b Satz 14 SGB V a.F. das Honorar pauschal um ein Prozent zu kürzen – es handelt sich dabei um eine gebundene Entscheidung, die Kassenärztliche Vereinigung hat dabei also keinen Ermessenspielraum. Mittlerweile beträgt die pauschale Honorarkürzung bei der Nichtanbindung an die Telematikinfrastruktur gemäß § 291b Abs. 5 S. 1 SGB V n.F. 2,5 %.
DATENSICHERHEIT
Die fortschreitende Digitalisierung im Gesundheitswesen ist regelmäßig auch Gegenstand von Kritik gewesen. Teilweise werden Bedenken im Hinblick auf die Datensicherheit geäußert. Manchen Leistungserbringern ist die Einbindung in die Telematikinfrastruktur aber sicherlich auch schlicht zu komplex. Es verwundert daher nicht, dass teilweise versucht wurde, gegen die entsprechenden Normen vorzugehen.
DATENVERARBEITUNG
Der Kläger, ein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Facharzt für Allgemeinmedizin, klagte gegen einen Rückforderungsbescheid der Kassenärztlichen Vereinigung, in welchem eine solche Honorarkürzung um ein Prozent festgelegt wurde, da er mangels technischer Gegebenheiten den Versichertenstammdaten-Abgleich nicht durchführte. Der Kläger berief sich seinerseits auf einen Verstoß gegen diverse Vorschriften der DSGVO durch den für ihn verpflichtenden Versichertenstammdaten- Abgleich, unter anderem da er gegen den Grundsatz der angemessenen Sicherheit der Datenverarbeitung nach Art. 5 Abs. 1f DSGVO verstoße und kein „Verantwortlicher“ im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO für die Datenverarbeitung feststehe. Aufgrund der Unvereinbarkeit mit der DSGVO resultiere ein ungerechtfertigter Eingriff in seine Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 GG. Das SG Stuttgart verneinte jedoch einen Verstoß gegen die DSGVO durch den Versichertenstammdaten- Abgleich. Die Vorschriften zur Telematikinfrastruktur werden den Anforderungen an die Sicherheit der Datenverarbeitung gerecht und auch die Verantwortlichkeit für die Datenverarbeitung stehe fest. Soweit ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Klägers aus Art. 12 GG vorliegt, sei dieser gerechtfertigt, da er auf einer Gesetzesgrundlage beruht und verhältnismäßig sei; insbesondere wird er nicht, wie vom Kläger vorgebracht, „in einen datenschutzrechtlich rechtswidrigen Zustand, verbunden mit der Mithaftung und Bußgeldrisiko“ gezwungen. § 291 Abs. 2b Satz 14 SGB V a.F. sehe eine gebundene Entscheidung bezüglich der Honorarkürzung um ein Prozent bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur und den damit einhergehenden Verstoß gegen die Pflicht zur Vornahme des Versichertenstammdaten-Abgleichs gemäß § 291 Abs. 2b S. 3 SGB V a.F. vor, der Rückforderungsbescheid sei somit rechtmäßig.
Bereits das LSG Niedersachsen-Bremen hatte am 17.03.2021 den Antrag eines zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Zahnarztes auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Rückforderungsbescheid in einem Eilverfahren aus denselben Gründen abgelehnt und entschieden, dass eine Honorarkürzung bei Nichtanbindung an die Telematikinfrastruktur rechtmäßig sei.
FAZIT
Es ist zu erwarten, dass der Kläger Berufung gegen das Urteil einlegt und daher das letzte Wort insoweit noch nicht gesprochen ist. Weiter wird man aber davon ausgehen können, dass die Sozialgerichte die Regelung im SGB V bestätigen. Das trotz teilweise massiver Bedenken seitens der Zahnärzte- und der Ärzteschaft und der Tatsache, dass der Chaos Computer Club im Dezember 2019 noch Sicherheitslücken aufgedeckt hat. Sicher kann man sich der Digitalisierung im Gesundheitswessen nicht entziehen. Mit Blick auf die höchst sensiblen Daten aber bleibt die Hoffnung, dass bestehende Lücken geschlossen sind und keine weiteren bestehen.
RA JENS-PETER JAHN
Fachanwalt für Medizinrecht in der Kölner
Kanzlei michels.pmks Rechtsanwälte mit
einem Tätigkeitsschwerpunkt im Zahnarztrecht.
info@michelspmks.de
Foto. privat