EuroPerio10

Neue Europäische Leitlinie für fortgeschrittene Parodontalerkrankungen

Die erste europäische Leitlinie für die Behandlung der fortgeschrittenen Parodontitis (Stadium IV) wurde vor kurzem im Journal of Clinical Periodontology [1], der offiziellen Publikation der European Federation of Periodontology (EFP), veröffentlicht.


Die Europäische S3-Leitlinie für die klinische Praxis wurde während der EuroPerio10 in Kopenhagen vorgestellt.


Diese wegweisende S3-Leitlinie für die klinische Praxis [1] wurde während der EuroPerio10, dem weltweit führenden Kongress für Parodontologie und Implantologie, der in Kopenhagen, Dänemark, Mitte Juni stattgefunden hat, bekannt gegeben [2].

“Parodontitis hat enorme Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen: Zahnfleischbluten, lockere Zähne, Mundgeruch und erheblicher oder sogar vollständiger Zahnverlust, wenn sie unbehandelt bleibt”, so Professor David Herrera (Madrid, Spanien). “Die Patienten können Schwierigkeiten beim Essen und Sprechen haben, und manche fühlen sich beschämt und frustriert. Wie das heutige Ergebnis zeigt, können jedoch die meisten fortgeschrittenen Erkrankungen erfolgreich behandelt und die Zähne langfristig erhalten werden”.

Im Jahr 2019 litten weltweit etwa 1,1 Milliarden Menschen an schwerer Parodontitis (Stadium III und IV), die damit die häufigste chronische inflamatorische, nicht übertragbare Krankheit ist.

Die neue Leitlinie konzentriert sich auf das Stadium IV der Parodontitis, das am weitesten fortgeschrittene Stadium. Zusätzlich zu den Entzündungen und lockeren Zähnen im Stadium III weisen Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung weitere Symptome auf: Verlust von fünf oder mehr Zähnen aufgrund von Parodontitis, Zahnverschiebungen, Zahnlockerungen und Kaubeschwerden.

Die klinische Bewertung einer fortgeschrittenen Parodontalerkrankung muss nach fünf Aspekten erfolgen:

  • Bewertung des Abbaus des Zahnhalteapparats, der Ästhetik und der Kau- und Sprechfähigkeit
  • Die Anzahl der durch die Parodontitis bereits verlorenen Zähne
  • Feststellen, welche verbleibenden Zähne gerettet werden können
  • Beurteilung aller oralen Faktoren, die den Erhalt von Zähnen und/oder das Setzen von Zahnimplantaten behindern oder ermöglichen könnten, wie z. B. Zahnlücken und das Knochenangebot
  • Gesamtprognose des Patienten, einschließlich der Wahrscheinlichkeit eines Fortschreitens oder Wiederauftretens der Krankheit, unter Berücksichtigung möglicher Risikofaktoren wie Rauchen und Diabetes

Professor Maurizio Tonetti (Shanghai, China), Mitverfasser der Leitlinie, erklärte: “Dieser detaillierte diagnostische Prozess ist von entscheidender Bedeutung, da er uns in die Lage versetzt, einen multidisziplinären Behandlungsplan zu erstellen, der auf dem technisch und biologisch Machbaren, dem Kosten-Nutzen-Verhältnis und den Wünschen und Erwartungen des Patienten basiert.”

Die Behandlung hat zum Ziel, die Entzündung unter Kontrolle zu bringen, eine weitere Schädigung des Zahnhalteapparats zu verhindern und die Funktion der Zähne wiederherzustellen. Die Therapie beginnt mit den in der 2020 veröffentlichten Leitlinie genannten Empfehlungen für die Stadien I bis III der Parodontitis. Dazu gehören eine gute Mundhygiene, der Verzicht auf das Rauchen, die Kontrolle von Diabetes und die professionelle Reinigung der Zähne supra- und subgingival [2]. Zusätzliche Behandlungen für das Stadium IV können eine kieferorthopädische Therapie zur Korrektur oder Bewegung der Zähne sowie die Anfertigung von Prothesen zum Ersatz fehlender Zähne umfassen, die entweder von natürlichen Zähnen oder von Zahnimplantaten getragen werden. Professor Herrera: “Die Zahnextraktion zum Einsetzen von Zahnimplantaten ist keine sinnvolle Option, wenn die Zähne erhalten werden können”.

Er fügte hinzu: “Eine der Säulen der Therapie ist die Umstellung der Gewohnheiten. Die Motivation und Compliance des Patienten sind für den Erfolg äußerst wichtig. Dazu gehören das Zähneputzen, die Reinigung der Zahnzwischenräume, die Verwendung einer Mundspülung zur Bekämpfung von Entzündungen, das Nichtrauchen und die Kontrolle des Blutzuckerspiegels bei Diabetikern. Die Erfolge der Parodontaltherapie beschränken sich nicht nur auf die Mundhöhle, sondern verbessern auch die Ernährung, die Lebensqualität und die systemische Gesundheit, wie z. B. die bessere Kontrolle des Blutzuckerspiegels bei Patienten mit Diabetes aufgrund der wechselseitigen Zusammenhänge zwischen Diabetes und Parodontitis.”

Professor Andreas Stavropoulos, Präsident der EFP, sagte: “Diese Leitlinie für das Stadium IV der Parodontitis ergänzt die Leitlinie für die Stadien I bis III [3], sodass wir nun zum ersten Mal in der Geschichte europäische Leitlinien für das interdisziplinäre und evidenzbasierte Management aller Stadien dieser Erkrankung haben. Es wird erwartet, dass die Anwendung der Leitlinie die Qualität der Parodontalbehandlung in Europa und weltweit verbessern wird. Die EFP wird mit den nationalen parodontologischen Gesellschaften zusammenarbeiten, um die Leitlinie zu konkretisieren und an den lokalen Rahmen anzupassen.”

Literatur
  1. David Herrera, Mariano Sanz, Moritz Kebschull, Søren Jepsen, Anton Sculean, Tord Berglundh, Panos N. Papapanou, Iain Chapple, Maurizio S. Tonetti. Treatment of stage IV periodontitis –The EFP S3 level clinical practice guideline. J Clin Periodontol. 2022. doi:10.1111/jcpe.13639
  2. https://europerio10.abstractserver.com/program/#/details/sessions/20
  3. Mariano Sanz, David Herrera, Moritz Kebschull, Iain Chapple, Søren Jepsen, Tord Berglundh, Anton Sculean, Maurizio S. Tonetti. Treatment of stage I-III periodontitis –The EFP S3 level clinical practice guideline. J Clin Periodontol. 2020;47(Suppl 22):4–60. doi:10.1111/jcpe.13290.