Ein klarer Fall?

Herausforderungen bei Klasse-II-Restaurationen

In vielen Praxen sind sie wesentlicher Bestandteil des Kerngeschäfts: Klasse-II-Füllungen. Kein Wunder, immerhin macht diese Versorgungsform nach Daten der American Dental Association fast die Hälfte aller direkten Restaurationen aus [1].


01 – Durch das aktive Vermischen mit Wasser können Adhäsive wie Prime&Bond active die Kavität gleichmäßig abdecken.


Angesichts dieses „Stammplatzes“ in der Praxisroutine dürften Klasse-II-Füllungen einem in jeglicher Hinsicht klaren Behandlungsablauf folgen – oder etwa nicht? Wissenschaftliche Daten und Anwenderbefragungen zeigen jedoch: Der Evergreen der Füllungstherapie ist mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen verbunden.
Ist die Karies exkaviert und die Kavitätenpräparation erfolgt, steht mit dem Anlegen der Matrize eine für die spätere Füllung wesentliche Vorbereitungsmaßnahme an. Was zunächst nahezu selbstverständlich klingt, stellt sich bei genauerem Hinsehen als eine der zentralen Herausforderungen in der Füllungstherapie dar. So gaben bei einer Umfrage 70 Prozent der Zahnärzte an, dass es sich bei der Kontaktpunktherstellung um den schwierigsten Teil einer Klasse-II-Restauration handle [2]. Als besonders problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang die korrekte Isolation der Kavität. Sie zyu erreichen, ist einer anderen Umfrage zufolge in mindestens einem von zehn Fällen schwierig – so 97 Prozent der befragten Zahnärzte [3].

Tofflemire ade!

An diesem Punkt gibt womöglich schon die Wahl der Matrize den Ausschlag: Die ursprünglich zum Legen von Amalgamfüllungen entwickelten, ringförmigen Tofflemire-Matrizen liefern bei der Arbeit mit modernen Füllungsmaterialien mitunter nur suboptimale Ergebnisse. So verweisen etwa Owens und Phebus [4] in ihrem Review zu verschiedenen Matrizensystemen unter anderem darauf, dass die Kombination von Tofflemire-Matrizen mit Kompositen zum klinischen Versagen und einer reduzierten Langlebigkeit der Restaurationen führen kann.
Einige Nachteile dieses veralteten Matrizensystems lassen sich unmittelbar an seinem Aufbau erkennen: Das vollständig um den Zahn verlaufende Matrizenband verdrängt den Nachbarzahn, die doppelte Stärke des Bands erschwert die Herstellung enger Approximalkontakte. Heutige Teilmatrizensysteme (z. B. Palodent V3, Dentsply Sirona) umschiffen diese Schwierigkeiten dank ihres durchdachten Designs. Es findet keine Verdrängung des „unbeteiligten“ Nachbarzahns statt, ein konturiertes Matrizenband sorgt für die richtige Positionierung des Kontaktpunktes und damit für eine natürliche Anatomie und ein konturierter Keil erlaubt eine bessere Adaptation.
Bei komplexen Klasse-II-Fällen, zum Beispiel wenn kein Nachbarzahn vorhanden ist, zu viel Zahnhartsubstanz für die Verwendung einer Teilmatrize fehlt oder aufgrund falsch ausgerichteter oder stark rotierter Zähne kein Teilmatrizensystem zum Einsatz kommen kann, unterstützen innovative Lösungen die Herstellung anatomisch korrekter Kontaktpunkte. So ist es mit neueren Systemen möglich, in diesen Fällen auf störende Halter oder Applikatoren zu verzichten und gleichzeitig natürliche Konturen zu erhalten (z. B. Palodent 360, Dentsply Sirona).

Feuchtigkeit kontrollieren, Überempfindlichkeit reduzieren

Beim sich anschließenden Adhäsivschritt ist sich die Zahnärzteschaft erneut weitgehend einig, wie Umfrageergebnisse aus Italien, Frankreich und Deutschland zeigen [5]: 95 Prozent der Zahnärzte gaben an, dass sowohl übertrocknetes als auch zu feuchtes Dentin einen negativen Effekt auf den Adhäsivverbund ihrer Füllungen haben kann. Dass es sich dabei um eine reale Herausforderung handelt, verdeutlichen Anleitungen zur korrekten Vorgehensweise bei der Trocknung von Dentin ebenso wie die bloße Existenz eines Wiederbefeuchtungsschrittes nach Übertrocknung.
Eine spürbare Erleichterung stellen in diesem Kontext Universaladhäsive mit aktiver Feuchtigkeitskontrolle (z. B. Prime&Bond active, Dentsply Sirona) dar. Dank ihres fein justierten Verhältnisses hydrophober und hydrophiler Anteile können sie sowohl auf zu feuchtem als auch auf zu trockenem Dentin für einen verlässlichen Haftverbund sorgen. Anders als die meisten eher hydrophoben Adhäsive separieren sie sich nicht von Wasser, sondern überwinden sofort dessen Oberflächenspannung. Dadurch wird eine homogene Adhäsivschicht ausgebildet, die wiederum für eine gleichmäßige Haftung auf der gesamten Oberfläche sorgt. Auf diese Weise wird das Risiko postoperativer Überempfindlichkeiten reduziert – ein Problem, von dem je nach Quelle 10 bis 15 Prozent aller Kompositrestaurationen im Seitenzahnbereich betroffen sind [6,7,8,9].


Dichter Rand ohne Liner

Eine möglichst gute Adaptation an die Kavität und ein geringer Polymerisationsstress sind anschließend gefragt, wenn es zur eigentlichen Füllung kommt. Um dabei die Randdichtigkeit zu verbessern, verwenden viele Zahnärzte bei Klasse-II-Füllungen einen Liner. Der Hintergrund ist klar: Mangelnde Adaptation an die Kavität kann ebenso wie ein zu hoher Polymerisationsstress zu Hohlräumen und Randspalten führen [10]. Durch den Einsatz eines fließfähigen Liners soll diesem Effekt vorgebeugt werden. Bei eher hochviskosen, nur scheinbar fließfähigen Kompositen erscheint dies durchaus sinnvoll, allerdings ist damit auch ein zusätzlicher Arbeitsschritt verbunden.
Als deutlich praktischer erweist sich da die Arbeit mit einem Bulkfill-Komposit in fließfähiger Konsistenz, wie etwa SDR flow+, Dentsply Sirona. Es lässt sich in Schichten bis zu 4 mm applizieren und kommt dabei ohne Liner aus. Dieser Verzicht auf die aufwändige Schichttechnik, wie man sie von konventionellen Kompositen kennt, macht eine wesentliche Zeitersparnis bei Klasse-II-Behandlungen möglich. Darüber hinaus kann SDR flow+ Studien zufolge mit einem geringen Polymerisationsstress [11] sowie einer vorteilhaften marginalen Adaptation [12] und Verbundfestigkeit [13] punkten. Ein zusätzlicher Vorteil für die Praxis erschließt sich durch die folgende Kombination: Die Fließfähigkeit und Kavitätenadaptation des Bulkfill-Komposits sorgen zusammen mit dem Teilmatrizensystem Palodent V3 für passgenaue Füllungen – dadurch reduziert sich der Aufwand beim Versäubern.

Leistung bis in die Tiefe

Und selbst der vermeintlich so selbstverständliche Knopfdruck bei der anschließenden Polymerisation geht mit ungeahnten Herausforderungen einher: So erreichen bei vielen Polymerisationslampen noch nicht einmal 35 Prozent der angegebenen Leistung den Boden des approximalen Kastens einer Klasse-II-Kavität [14]. Für ein zufriedenstellendes Restaurationsergebnis ist eine adäquate Lichthärtung jedoch von entscheidender Bedeutung. Denn eine ungenügende Aushärtung am Kavitätenboden ist mit dem bloßen Auge zwar nicht zu erkennen, kann aber zu deutlich spürbaren Hypersensibilitäten führen. Gerade bei tiefen Kavitäten besteht das Risiko, dass der untere Rand der Füllung nicht ausreichend polymerisiert wird – ein Einfallstor für Sekundärkaries oder Microleakage.
Moderne Polymerisationslampen (z. B. SmartLite Pro, Dentsply Sirona) verfügen daher über ein großes aktives Lichtaustrittsfenster und einen gebündelten Lichtstrahl, mit dem selbst über größere Abstände eine verlässliche Polymerisation erreicht werden kann. Über ihre Basisfunktion hinaus lassen sich derartige Hightech-Modelle mit dem passenden Aufsatz zudem als Diagnosehilfe mittels Transillumination oder als Endo-Aktivator nutzen und werden damit zu wahrlich modularen Hilfsmitteln.

Herausforderung adhäsive Versorgung

Eine ganz grundsätzliche Herausforderung stellt sich der Praxis zudem, wenn das Arbeiten mit der Adhäsivtechnik keine Option darstellt. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn die Behandlungsdauer bei jungen oder alten Patienten möglichst kurzgehalten werden muss oder aus finanziellen Gründen keine Zuzahlung möglich ist. In einem solchen Szenario kamen bislang Glasionomerzemente oder Amalgam zum Einsatz – Materialien mit bekannten Nachteilen der Langlebigkeit bzw. der Ästhetik und dem notwendigen Umfang der Präparation. Mit Komposithybrid (Surefil one, Dentsply Sirona) steht für diese Fälle nun eine weiße Materialklasse zur Verfügung, die sich einfach wie ein Glasionomerzement anwenden lässt und dabei langlebig ist wie ein Komposit.


Fazit

Auch alltägliche Indikationen wie Klasse-II-Füllungen halten für die zahnärztliche Praxis eine Reihe von Herausforderungen bereit. Im Gegensatz zu „exotischeren“ Problemstellungen gilt hier allerdings: Eine Prozessoptimierung macht sich gleich in einer Vielzahl von Patientenfällen bemerkbar. Mit heutigen Materialien und Hilfsmitteln können Behandler an verschiedenen Punkten des Workflows bekannten Fallstricken ausweichen und so noch zuverlässiger zum Behandlungserfolg kommen.

Literatur
  1. American Dental Association Procedure Recap Report, 2006.
  2. DentalTown (2012). Restorative Dentistry. Monthly Poll: What is the most challenging part of Class II Restoration?
  3. Dental Learning Systems, Direct Restoratives Survey, May 2016. N=143.
  4. Owens BM, Phebus JG, An evidence-based review of dental matrix systems, “General Dentistry,” September/October 2016
  5. Exevia Dental Shuttle Q1/2015, n=702 GDPs from Italy, France and Germany.
  6. Usman et al, Sensitivity in composite restorations, Pakistan Oral & Dental Journal Vol 34, No. 3 (September 2014).
  7. Berkowitz et al, Postoperative Hypersensitivity in Class I Resin-based Composite Restorations, Compend Contin Educ Dent. 2009 ; 30(6): 356–363.
  8. Haller, Die Postoperative Hypersensibilität, zm 99, Nr. 6a, 13.03.2009 S. 44-51.
  9. Briso et al, Clinical Assessment of Postoperative Sensitivity in Posterior Composite Restorations, Operative Dentistry, 2007, 32-5, 421-426.
  10. Nedeljkovic et al. Is secondary caries with composites a material-based problem? Dent Mater 31 (2 0 1 5), e247–e277.
  11. Ilie, Hickel: Investigations on a methacrylate-based flowable composite-based on the SDR technology. Dent Mater. 2011 Apr;27(4):348-55.
  12. Scotti, Comba, Gambino, Paolino, Alovisi, Pasqualini, Berutti: Microleakage at enamel and dentin margins with a bulk fill flowable resin. Eur J Dent. 2014;8:1-8.
  13. Van Ende, De Munck, Van Landuyt, Van Meerbeek: Bulk-filling of high C-factor cavities: Effect on adhesion to cavity bottom dentine. University of Leuven, Belgium. Dent Mater. 2013 Mar;29(3):269-77.14.
  14. Irradiance Value Comparison among commercially available curing lights. BlueLight Analytics. (2012).