Interpretationsspielraum

GOZ und Endodontie – eindeutig uneindeutig?

Die Nr. 2430 GOZ, die die medikamentöse Einlage bei endodontischen Behandlungen beschreibt, gilt zunächst als völlig unzweifelhaft. Ein genauerer Blick auf die Formulierung offenbart aber: Die Menge an Informationen, die hier zusammenkommt, lässt Interpretationsspielraum.


Zahnarztbehandlung

Die Menge an Informationen, die bei der Nr. 2430 GOZ (medikamentöse Einlage bei endodontischen Behandlungen) zusammenkommt, lässt Interpretationsspielraum. © angelima/istockphoto


Die Nr. 2430 GOZ beschreibt die „medikamentöse Einlage in Verbindung mit Maßnahmen nach den Nummern 2360 bis 2380 und 2410, je Zahn und Sitzung“. In dieser Formulierung treffen eine Menge Informationen zusammen: „je Zahn und Sitzung“ erscheinen insofern unstrittig, hat sich hier doch im Vergleich zur Berechnungsbestimmung aus der GOZ ’88 nichts verändert. Der Zusatz „in Verbindung mit Maßnahmen nach den Nummern 2360, 2380 und 2410“ wurde 2012 bei der GOZ-Novellierung umformuliert; zuvor hieß er „in Verbindung mit Maßnahmen nach den Nummern 236 bis 238 und 2410“ (Devitalisation ist entfallen). Da die medikamentöse Einlage bei endodontischen Behandlungen eine häufig erbrachte Leistung ist, wird kaum ein Gedanke an deren gebührenrechtlich korrekte Abrechnung verschwendet, doch ein genauer Blick lohnt sich durchaus. Was bedeutet die geänderte Leistungsbeschreibung eigentlich?

Die Formulierung in der Leistungsbeschreibung zur Nr. 2430 GOZ „ in Verbindung mit“ bedeutet keineswegs neben, sondern konkret vor, während und nach einer Wurzelkanalaufbereitung und so kann diese Leistung berechnet werden, auch in ggf. weiter notwendigen Folgesitzungen. Trepanation und Kanalaufbereitung (2410) können demnach gefolgt sein von einer die Sitzung beendenden medikamentösen Einlage nach Nr. 2430 GOZ. Gleiches gilt auch für Trepanation und sitzungsgleiche Vitalexstirpation (2360) oder auch Trepanation und Mortalamputation (2380), auch dann kann jeweils im Anschluss und ggf. noch ohne erfolgte Kanalaufbereitung eine im Einzelfall indizierte medikamentöse Einlage erfolgen und entsprechend berechnet werden. Strittig ist allerdings in der Sitzung mit einer Wurzelkanalaufbereitung die Berechnung der Trepanationsleistung (2390 GOZ). Da der temporäre speicheldichte Verschluss (Nr. 2020 GOZ, bei adhäsivem Verschluss ggf. zzgl. Leistung nach Nr. 2197 GOZ) kein Leistungsbestandteil der medikamentösen Einlage ist, kann dieser gesondert in Ansatz gebracht werden.

Bundeszahnärztekammer kommentiert

Die Bundeszahnärztekammer kommentiert derzeit (Stand 2016): „… Die Leistung ist nur berechenbar im zeitlichen Zusammenhang (in gleicher oder nachfolgender Sitzung) mit einer Vitalexstirpation der Pulpa, in Verbindung mit einer Amputation einer devitalisierten Milchzahnpulpa oder nach Aufbereiten eines Wurzelkanals.“ Der Verordnungsgeber hat dies so explizit aber nicht formuliert, vor allem nicht die Einschränkung „sitzungsgleich“, die Leistung könnte durchaus auch vor der eigentlichen Mortalamputation oder auch der Wurzelkanalaufbereitung anfallen und „im zeitlichen Zusammenhang“ wäre sie dann immer noch korrekt berechnet. Die Leistung nach 2430 GOZ könnte auch direkt auf eine Trepanation (2390) folgen, wenn mit der Trepanation der Wurzelkanal selbst eröffnet und gängig ist, häufig ist dies aber erst nach einer (zumindest teilweisen) Erstaufbereitung gegeben (siehe ALEX 2430 – 4.0 www.alex-za.de).

Dennoch, sollte so ein Fall auftreten, könnte bei Rechnungsstellung ein Hinweis bzw. ein kurzer Kommentar hilfreich sein, um Rückfragen von Seiten der Versicherer bzw. kostenerstattenden Stellen zu vermeiden. Als alleinige Leistung ist die medikamentöse Einlage neben dem Wiederverschluss des betreffenden Zahns ebenfalls möglich und ansatzfähig, obwohl dann Leistungen wie nach Nr. 2360, 2380 oder 2410 sitzungsgleich nicht erbracht wurden. Der zeitliche Zusammenhang ist dennoch gegeben, wenn in vorausgegangener Sitzung eine dieser Leistungen berechnet wurde.

Zwischenfazit

In der Leistungsbeschreibung der 2340 GOZ, „medikamentöse Einlage“, besagt die Festlegung „in Verbindung mit“, dass diese Einlage vor, während oder nach den genannten Behandlungsleistungen (2360, 2380 und/oder 2410 GOZ) erbracht und berechnet werden kann, also nicht zwingend „neben“ diesen Leistungen. Unabhängig davon wirft die medikamentöse Einlage auch bei der endodontischen Behandlung eines gesetzlich versicherten Patienten immer mal wieder Fragen auf, beispielsweise dann, wenn absehbar ist, dass die im BEMA definierte Beschränkung dieser Leistung auf grundsätzlich „drei Sitzungen“ für die fortlaufende Behandlung nicht hinreichend ist. Folgt daraus, dass eine vierte und jede weitere medikamentöse Einlage pauschal nach GOZ in Ansatz zu bringen ist, obwohl die eigentliche Wurzelkanalbehandlung als Sachleistung über die Chipkarte abgerechnet wird?

Ganz so einfach ist es nicht: Betrachtet man diese Formulierungen aus rein gebührenrechtlichen Aspekten, dann ist die Nr. 2430 GOZ (medikamentöse Einlage), wie hier ausführlich dargestellt, nur in Verbindung mit Maßnahmen nach den GOZ-Nrn. 2360, 2380 und 2410 ansatzfähig, nicht jedoch in Verbindung mit Maßnahmen nach BEMA-Ziffern. Dieser formale Ansatz zur Kommentierung der „medikamentösen Einlage“ bei einem GKV-Patient hätte ggf. bedeutsame Folgen für die gesamte weitere Wurzelkanalbehandlung (privat) z. B. im Zahnfrakturfall o. Ä. (siehe ALEX bei 2430 – 7.2).

Die vierte oder jede weitere Einlage als außervertragliche Leistung am selben Zahn privat anzusetzen ist aber aus Sicht der GKV-Abrechnungsbestimmung auch nicht richtig. Dort steht nämlich nicht nur: „grundsätzlich auf drei Sitzungen beschränkt“, sondern auch: „… es wird im begründeten Sonderfall auch in einer 4. Sitzung die Leistung als 34 (Med) berechnet, falls sie zahnmedizinisch erforderlich ist. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit gemäß § 12 SGB V ist zu beachten.“

Gebot der Wirtschaftlichkeit

So ist im Einzelfall immer wieder zu prüfen, ob eine vierte oder auch ggf. weitere medikamentöse Einlage als Sachleistung erbracht werden kann, beispielsweise bei einer Reinfektion der Kanäle, bedingt u. A. durch eine längere krankheitsbedingte Abwesenheit des Patienten. Wird, wie bereits erwähnt, das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V beachtet, hat der GKV-Patient dann auch einen Anspruch auf die vierte GKV-„Med“, eine sorgfältige Dokumentation in der Patientenakte vorausgesetzt ebenso wie eine entsprechende Begründung an die KZV bei der Übermittlung der Quartalsabrechnung.
Dem gesetzlich versicherten Patienten diesen Sachleistungsanspruch durch die schlichte Privatberechnung nach Nr. 2430 GOZ ohne Prüfung des individuellen Krankheitsfalls vorzuenthalten, ist weder nach privatzahnärztlichem noch nach vertragszahnärztlichem Gebührenrecht korrekt.

Steffi Scholl
ist Abrechnungsspezialistin und arbeitet seit 2011 bei der ZA Zahnärztlichen Abrechnungsgesellschaft AG in Düsseldorf in der GOZ-Fachabteilung.
sscholl@zaag.de