Aus Beratersicht

Herausforderung Teamübernahme

Ein Zahnarzt, der eine laufende Praxis übernimmt, hat es leichter als ein Kollege, der seine Existenzgrundlage völlig neu einrichtet – so lautet zumindest die landläufige Meinung. Doch neben der Möglichkeit, Strukturen zu nutzen und weiterzuentwickeln, gilt es dabei auch, ein verunsichertes Praxisteam von sich zu überzeugen.


Herausforderung Teamübernahme

Herausforderung Teamübernahme © Guille Faingold/istockphoto


Die Vorteile einer Übernahme liegen auf der Hand: Bestehende Strukturen sorgen dafür, dass die Praxis von Anfang an „läuft“. In der Regel beschäftigt der neue Chef das Team seines Vorgängers weiter. Wenn sich „der Neue“ und seine Mitarbeiter zur Genüge beschnuppert haben, kann er damit beginnen, seine eigene Praxisphilosophie einzuführen. Eine Voraussetzung für das Gelingen ist jedoch, dass der Übernehmer bestehende Strukturen mit Spaß, Engagement und Feingefühl weiter entwickelt. Dabei darf es ihn nicht überraschen, wenn sein Stil auf Widerstand stößt, denn er ist für die Mitarbeiter womöglich ungewohnt. Gefragt ist in dieser Situation der Zahnarzt als Führungspersönlichkeit und Motivator, der die richtigen Argumente findet und seine Ideen dennoch konsequent umsetzt – eine anspruchsvolle Aufgabe, die kein Praxischef unterschätzen sollte.

Vertrauen schaffen

Wer sich in einer Praxis als neuer Chef vorstellt, findet im besten Fall Wohlwollen und Neugier, meistens aber auch Verunsicherung vor. Selbst wenn das Team den Zahnarzt bereits im Rahmen von Hospitanztagen oder während der Assistenzzeit kennengelernt hat, ist er dennoch zunächst eine unbekannte Größe. Wie sich der Übernehmer als Kopf der Praxis bewährt und welchen Führungsstil er pflegt, ist noch offen. Das Team wird sich fragen, was sich ändern wird. Ebenso ist der neue Inhaber vielleicht auch verunsichert. Er könnte vermuten, von Mitarbeitern und Patienten mit seinem Vorgänger verglichen zu werden. Er hat jedoch die Möglichkeit, Voraussetzungen für einen guten Start zu schaffen.

Dazu gehört beispielsweise Transparenz in Form einer offenen Kommunikation. Denn je mehr die Mitarbeiter während des Prozesses einer Übernahme wissen, desto weniger Raum für Missverständnisse und Spekulationen kann entstehen. Konkret bedeutet dies: Das Team sollte rechtzeitig vor der Praxisübernahme schriftlich über relevante Fakten informiert werden. So schreibt es auch der Gesetzgeber vor.

Laut § 613a Abs. 5 BGB gehören dazu unter anderem der geplante Zeitpunkt eines Betriebsübergangs, der Grund des Übergangs der Arbeitsverhältnisse, rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen für den Arbeitnehmer und für diesen in Aussicht genommene Maßnahmen. Die Übernahme der Mitarbeiter charakterisiert einen Betriebsübergang im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), wobei die Einheit von Zahnarzt und eingespieltem Team für die Identität der Praxis steht.

Transparenz bei der Übernahme

Je früher das Personal Bescheid weiß, desto weniger muss der Praxisbetreiber fürchten, sich in langwierigen arbeitsrechtlichen Prozessen aufzureiben. Das gilt insbesondere im Hinblick auf Angestellte, die der neue Betreiber nicht übernehmen möchte. Idealerweise informieren der übergebende und der übernehmende Zahnarzt das Team gemeinsam. Trägt sich der Verkäufer der Praxis schon länger mit dem Gedanken, seine Praxis abzugeben, macht es Sinn, wenn er ein bis zwei Jahre vor der geplanten Abgabe nur noch befristete Arbeitsverträge abschließt. Damit hat der Käufer mehr Flexibilität bei der Entscheidung, welche Mitarbeiter er weiter beschäftigen will. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Kündigungen „wegen“ des Betriebsübergangs unzulässig sind. Eine entsprechende Regelung sieht § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB ausdrücklich vor: „Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.“

Dem vorherigen Arbeitgeber sowie dem Praxisübernehmer steht demnach losgelöst vom Betriebsübergang das Recht zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen aus anderen Gründen zu.

Berührungsängste abbauen

Der Übergangsprozess vom ehemaligen zum neuen Praxischef ist auch für die Patienten nicht immer frei von Zweifeln. Einige sind vielleicht seit Jahrzehnten bei „ihrem“ Zahnarzt in Behandlung und tun sich schwer mit Veränderungen. Eine ehrliche Empfehlung durch den Vorbesitzer kann hier helfen. Erfahrungsgemäß fühlen sich Patienten wohler mit der neuen Situation, wenn sie an der Rezeption und bei der Stuhlassistenz auf bekannte Gesichter treffen. Auch deshalb sollte der Zahnarzt auf die Kraft eines bewährten Teams zur Patientenbindung setzen. Die Zahl der Mitarbeiter in einer Praxis ist im Vergleich zu anderen Betrieben meist übersichtlich, und das führt nicht selten zu mehr menschlicher Nähe – auch zwischen dem Zahnarzt und seinen Mitarbeitern. Ein über die Jahre gewachsenes herzliches Arbeitsklima kann aber auch der Grund für Berührungsängste mit dem neuen Chef sein. Davon sollte sich der übernehmende Zahnarzt jedoch nicht entmutigen lassen.

Der Schlüssel für eine erfolgreiche Eingewöhnung liegt schlichtweg darin, Wertschätzung für seine Mitarbeiter zu zeigen und diese nicht wie übernommenes „Praxisinventar“ zu behandeln. Nimmt sich der Chef Zeit für ein ausführliches Gespräch mit jedem Teammitglied, wird schnell klar, dass es der „Neue“ ernst meint. Auch wenn gerade in der Anfangsphase einer Übernahme anscheinend wichtigere Dinge zu erledigen sind – der Zahnarzt profitiert von den Stunden, die er in seine Mitarbeiter investiert. Denn er erhält so die Chance, die Teammitglieder besser kennenzulernen und auch deren Persönlichkeit zuverlässiger einzuschätzen. Gleichzeitig sammelt er während des Gesprächs detaillierte Informationen über den jeweiligen individuellen Aufgabenbereich des Mitarbeiters. Interesse und die Stärkung von Eigeninitiative sind Ausgangsbasis für eine reibungslose Übernahme. Der Zahnarzt könnte beispielsweise während einer solchen Unterhaltung zur Sprache bringen, dass die Chance eines Neuanfangs für alle gilt, und den Gesprächspartner nach Vorschlägen und Verbesserungswünschen fragen. Damit zeigt er, dass er die Erfahrungen und Ideen seiner Mitarbeiter schätzt.

Führen und motivieren

Ein bestehendes Team und die damit verbundenen erprobten Strukturen bieten eine Reihe von positiven Aspekten für den Praxisbetreiber. Unter anderem verschaffen sie dem Existenzgründer mehr Zeit, um in seine Führungsrolle hineinzuwachsen. Dies ist deshalb bedeutend, weil er auch bei funktionierenden Abläufen nicht darauf verzichten sollte, in der Praxis seinen Führungsstil zu etablieren. Gerade am Anfang bietet sich die Gelegenheit, gewohnte Prozesse gemeinsam mit dem Team zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Gute Vorschläge der Mitarbeiter schriftlich festzuhalten schafft dabei ein Gemeinschaftsgefühl, dessen Wert für die Zukunft der Praxis nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Erfahrene Spezialisten wie die OPTI Zahnarztberatung GmbH empfehlen zusätzlich gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen mit Chef und Team für das „Wir-Gefühl“ in der Praxis.

Gewachsene Strukturen – Vor- und Nachteile

Bei allen Vorteilen gewachsener Strukturen bei der Übernahme kann diese Situation aber auch Tücken für den Zahnarzt bereithalten, die ihm die Eingewöhnung erschweren. Zum Beispiel wenn er mit dem Team auch die kontraproduktive Hackordnung „erbt“, die sich in diesem Mikrokosmos über einen längeren Zeitraum etabliert hat. Das typische Beispiel ist eine seit Jahren in der Praxis tätige Erstkraft, die vehement und gründlich darüber wacht, dass ihre einflussreiche Position nicht durch andere gefährdet wird. Die damit einhergehende Cliquenbildung unter den übrigen ZFAs ist ebenfalls nicht förderlich für ein gutes Betriebsklima. Genau darauf ist der Zahnarzt jedoch angewiesen, wenn er seine Praxis erfolgreich führen möchte.

Entwicklungsbedarf der Mitarbeiter erkennen

Deshalb tut er sich keinen Gefallen damit, wenn er untätig bleibt. Guter Rat ist in diesen Fällen allerdings schwierig und hängt davon ab, ob der Zahnarzt einen langen Atem hat und ob er bereit ist, sich mit den Schlüsselfiguren auseinanderzusetzen. Wenn es nicht fruchtet, diese zur Raison zu bringen, hilft manchmal nur die Kündigung. Der Zahnarzt sollte jedoch bedenken: Wenn die Situation nicht hoffnungslos zerfahren ist, kann sich die anstrengende Auseinandersetzung mit den Leitfiguren im Team lohnen. Denn wenn es ihm gelingt, gerade diese Kandidaten zu überzeugen und auf seine Linie zu bringen, steigt sein Ansehen bei allen Mitarbeitern.

Ein bestehendes Team erfordert vom neuen Praxisbetreiber Führungsstärke und die Fähigkeit zu motivieren, die Stärken und den Entwicklungsbedarf seiner Mitarbeiter zu erkennen und sinnvolle Maßnahmen gezielt anzugehen. Im Gegenzug kann er sich gerade in der turbulenten Anfangsphase einer Übernahme auf erprobte Strukturen verlassen. Verbessert er die täglichen Abläufe gemeinsam mit seinem Team, gewinnt er nicht nur Mitarbeiter, die ihm den Rücken freihalten, sondern auch ein attraktives Aushängeschild für seine Praxis.

Harbeck_Thies

Thies Harbeck
leitet als Mitglied der Geschäftsleitung das operative Geschäft der OPTI Zahnarztberatung GmbH. OPTI unterstützt Praxen deutschlandweit in den Bereichen Betriebswirtschaft, Organisation, Marketing, Praxisanalyse, Führung und Personal.
harbeck@opti-zahnarztberatung.de