Analog berechnet und nicht erstattet?
Das Gute: Die Zahnmedizin kann inzwischen viele innovative Therapien anbieten. Ein Glücksfall für Patienten. Sie schätzen den Fortschritt in Richtung Minimalinvasivität. Die Kehrseite aber ist: Das Erstattungsverhalten von privaten Krankenversicherern und Kostenerstattern wie der Beihilfe ist problematisch.
Beispiele für moderne Therapien gibt es zahlreiche – und dies in ganz unterschiedlichen Bereichen der Zahnmedizin, etwa in der KFO mit den Aligner-Verfahren. Oder man denke an die Implantologie, konkret an die Extrusionstherapie, die im Frontzahnbereich aufwendige Knochenaufbaumaßnahmen mit umfangreichem Weichgewebsmanagement obsolet werden lässt. Und in der konservierenden Zahnheilkunde ist beispielsweise der Laser aus modernen Therapieverfahren nicht mehr wegzudenken. Eines haben diese Behandlungsmöglichkeiten gemeinsam: Es geht neben dem bestmöglichen Behandlungserfolg auch darum, möglichst gewebeschonend zu arbeiten. Damit werden die eigentliche Behandlungsdauer, aber auch die Heilungsverläufe oft deutlich abgekürzt. Am Ende wird der Patient weniger belastet.
Deshalb wollen natürlich immer mehr Patienten diese modernen Therapieansätze für sich nutzen. Eigentlich ist es aus gebührenrechtlicher Sicht kein Problem, solche „neuen“ Leistungen zu berechnen. Denn der Verordnungsgeber hat die Berechnung von Leistungen, die nicht im Leistungsverzeichnis der geltenden Gebührenordnung GOZ aufgeführt sind, eindeutig geregelt in § 6 Abs. 1 GOZ: „Selbständige zahnärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, können entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses dieser Verordnung berechnet werden. Sofern auch eine nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertige Leistung im Gebührenverzeichnis dieser Verordnung nicht enthalten ist, kann die selbständige zahnärztliche Leistung entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung der in Absatz 2 genannten Leistungen des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte berechnet werden.“
Die Kehrseite des Fortschritts
Die Kehrseite des Fortschritts zeigt sich jedoch im Erstattungsverhalten von privaten Krankenversicherern und Kostenerstattern wie Beihilfe oder Postbeamtenkrankenkasse (PBeaKK). Noch immer wird – wie schon zu Zeiten der GOZ’88 – der Grundsatz der freiwilligen Erstattung von analog berechneten Leistungen vorgebracht. Die Beihilfestellen und die Post hingegen erstatten erfahrungsgemäß analog berechnete Leistungen gar nicht oder nur in wenigen Einzelfällen.
Da das Thema so alt ist wie die zahnärztliche Gebührenordnung selbst, erfahren Gerichtsurteile, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzen, immer wieder besonderes Interesse. So auch die beiden Urteile vom 11.03.2013 des Verwaltungsgerichts (VG) Stuttgart (Az.: 13 K 4202/11 und Az.: 13 K 4557/11). Es hatte entschieden, dass die photoaktivierte Desinfektion zu Recht als Analogleistung (hier noch mit der GOZ-Nr. 219 analog) berechnet werden kann. Auch sei die Erstattung nicht mit dem Argument abzulehnen, dass dieser Therapie noch die wissenschaftliche Anerkennung fehle. Die konkret verhandelte Berechnung der photodynamischen Therapie (PDT/PT) beziehungsweise antimikrobiellen photodynamischen Therapie (aPDT) war schon in der „alten“ GOZ’88 nicht geregelt und fand auch in die novellierte Gebührenordnung 2012 keinen Eingang. In der GOÄ findet sich dazu ebenfalls keine Regelung. So sind die Urteile aus Stuttgart unvermindert aktuell.
Fehlende wissenschaftliche Anerkennung?
Konkret hatte die PBeaKK die Erstattung der GOZ 219 analog für eine „antimikrobielle photoaktivierte Desinfektion zur Kariessterilisation“ abgelehnt. Der gegen diese Entscheidung eingelegte Widerspruch wurde von der PBeaKK ebenfalls zurückgewiesen. Zur Begründung hieß es: „Mit Hilfe der antimikrobiellen Therapie werden bei Parodontose- beziehungsweise Parodontitis-Patienten versucht, die in den Zahnfleischtaschen vorhandenen Bakterien mit Hilfe der Laserenergie abzutöten. Die antimikrobielle Therapie stelle eine selbstständige Behandlungsmethode dar, die weder in der GOÄ noch in der GOZ geregelt sei. Dieser Therapie fehle noch die wissenschaftliche Anerkennung.“
Das VG Stuttgart formulierte in seinem Urteil hingegen unter anderem: „Nach § 6 Abs. 2 GOZ’88 können selbständige zahnärztliche Leistungen, die erst nach Inkrafttreten der Gebührenordnung für Zahnärzte auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt werden, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses für zahnärztliche Leistungen berechnet werden. Die photoaktivierte Desinfektion konnte danach zu Recht unter Ansatz der Nr. 219 GOZ abgerechnet werden. (…) Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, der photoaktivierten Desinfektion fehle die wissenschaftliche Anerkennung. Der Beklagte hat für diese These keine hinreichenden Anhaltspunkte dargelegt.“
Entscheidungen
Nach Feststellung des VG Stuttgart waren die von der PBeaKK vorgenommenen Abzüge unberechtigt. Diese Entscheidung dürfte vor allem für Praxen von Interesse sein, die die Photodynamische Therapie einsetzen. Dass grundsätzlich eine Analogberechnung möglich ist, sollte eigentlich unstrittig sein. So listet die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) die antimikrobielle Photodynamische Therapie (aPDT) in ihrem „Katalog selbstständiger zahnärztlicher, gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analog zu berechnender Leistungen“ (Stand Oktober 2015) im Abschnitt E ausdrücklich auf.
Und auch in den Beschlüssen vom 26.05.2014 des GOZ-Expertengremiums (bestehend aus Vertretern der Landeszahnärztekammer Nordrhein, verschiedener berufsständischer und Fachgesellschaften und GOZ-Experten der ZA AG) in Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Laserzahnheilkunde (DGL) fand sich die „antimikrobielle photodynamische Therapie (aPDT o. Ä.), je Parodont, Wunde, Kanal“ als analog zu berechnende Leistung.
Doch solange die privaten Krankenversicherer der hauseigenen Fehlauslegung folgen, in der es unter anderem heißt: „Es gibt mit GOZ-Nr. 0120 eine Gebührenposition für die Laseranwendung“ – was prinzipiell zutrifft –, ist auch weiterhin mit Erstattungsproblemen zu rechnen. Schon allein weil die Nr. 0120 GOZ einen Zuschlag zu bestimmten Grundleistungen und keine selbstständige und eigenständig bewertete Leistung darstellt. Genau deshalb ist die Nr. 0120 auch selbst als Analogleistung nicht heranziehbar.
Licht im Erstattungsdschungel
Doch es gibt auch Licht im Erstattungsdschungel. So lehnt die DKV beispielsweise die analoge Berechnung der photodynamischen Therapie (PDT) nicht grundsätzlich ab, versucht andererseits aber vorzugeben, welche Berechnungsweisen sie für angemessen hält, zum Beispiel:
Basisgebühr | Zusatzgebühr pro Zahn/Implantat | Basisgebühr + Zusatzgebühr |
---|---|---|
1 × GOZ 1000a |
Anzahl × GOZ 4025a Anzahl × GOZ 4150a |
PDT zzgl. Kosten verwendeter Materialien |
× 2.7-fach | × 2.7-fach |
Dass Berechnungsempfehlungen von Herstellern und/oder Versicherern völlig unverbindlichen Charakter haben, muss an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt werden.
Sehr hilfreich ist dagegen die Positionierung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) in „Schnittstellen BEMA – GOZ“: Sie äußert sich zur möglichen privaten Vereinbarung der PDT bei gesetzlich versicherten Patienten wie folgt: „Im Rahmen der Parodontitistherapie ist beim Versicherten der GKV der Einsatz eines Lasers zur Deepithelisierung, Entkeimung o. Ä. als selbständige Zusatzleistung möglich, ohne dass der Versicherte seinen Anspruch auf die Sachleistung (Nrn. P200 ff. BEMA) verliert. Gleiches gilt für die photodynamische Therapie. Die Berechnung erfolgt jeweils gem. § 6 Abs. 1 GOZ und nicht nach der Nr. 0120 GOZ.“ Das ist klare Argumentation, die vor allem die wachsende Zahl der privat zahnzusatzversicherten Patienten interessieren dürfte.
Fazit
Ein Fazit: Bei der Berechnung von Analogleistungen folgt man dieser Feststellung des GOZ-Senats der BZÄK (Klartext vom 27.06.2012): „Generell ist der behandelnde Zahnarzt allein zuständig und verantwortlich für die Wahl der angemessenen analogen Gebührennummer bei zahnärztlichen Leistungen, die in der GOZ nicht abgebildet sind.“
Wohl begründbar kann allerdings die weitere Einschätzung der BZÄK abweichend gesehen werden: „Eine zahnärztliche Leistung, die analog berechnet werden muss, kann in ihrer Ausgestaltung derart unterschiedlich gewichtet sein, dass die Fixierung auf eine analoge Gebührennummer nicht sachgerecht wäre.“ Dagegen kann die Vereinbarung nach § 2 (1, 2) GOZ angeführt werden: Sie bietet eine gut abgesicherte Möglichkeit, unterschiedlich nötige Steigerungssätze auch bei Analogberechnungen mit gleichen Analogziffern vorab einvernehmlich festzulegen.
Steffi Scholl
ist Abrechnungsspezialistin und arbeitet seit 2011 bei der ZA Zahnärztlichen Abrechnungsgesellschaft AG in Düsseldorf in der GOZ-Fachabteilung.
sscholl@zaag.de