Darf ein Praxislabor Gewinn machen?
Dürfen Zahnärzte, die zahntechnische Leistungen in einem eigenen Praxislabor erbringen, einen angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteil abrechnen? Dieses Thema sorgt immer wieder für juristische Auseinandersetzungen. Ein Urteil des Landgerichts Darmstadt könnte Klarheit schaffen.
Zahnärzte sind berechtigt, im Rahmen ihrer Praxis ein zahnärztliches Praxislabor zu betreiben oder sich an einem gemeinschaftlichen zahntechnischen Labor mehrerer Zahnarztpraxen zu beteiligen (§ 11 Musterberufsordnung Zahnärzte MBO-2).
Die Fertigung von Zahnprothesen gehört traditionell zum Berufsbild des Zahnarztes und daher zur Ausübung der Zahnheilkunde. Gedeckt wird diese Rechtsauffassung durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahre 1997 (Az.: 5 C 16/97). Danach ist die Leitung des Labors durch einen Zahntechniker nicht notwendig. Begründet wird dies unter anderem damit, dass die zahnärztliche Prothetik wesentlicher Bestandteil des zahnmedizinischen Studiums sowie des Staatsexamens ist und daher das Praxislabor nicht der Handwerksordnung unterliegt, sondern Teil der Zahnarztpraxis ist. Die Leitung des Labors unterliegt dem Zahnarzt, sodass die im praxiseigenem Labor beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (dies können auch Zahntechniker sein) der Anleitung und Aufsicht des zahnärztlichen Praxisinhabers unterliegen. Ein solches Labor darf allerdings zahntechnische Leistungen nur für die eigene Praxis erbringen. Sobald Leistungen für Dritte erbracht werden, würde es sich um gewerbliche Tätigkeiten handeln, die nur im Rahmen eines Handwerksbetriebes möglich wären. Möglich ist aber die Gründung sogenannter „Praxislaborgemeinschaften“. Die Praxislaborgemeinschaft wiederrum darf Leistungen nur für die in der Laborgemeinschaft zusammengeschlossenen Zahnarztpraxen erbringen. Abgerechnet werden solche Leistungen nicht durch die Laborgemeinschaft sondern durch den jeweils beauftragenden Zahnarzt. Soweit teilweise die Auffassung vertreten wird, dass die Zahntechniker jeweils bei den Zahnärzten angestellt sein müssen und die Praxislaborgemeinschaft keine eigenen zahntechnischen Mitarbeiter beschäftigen kann, ist die Betrachtungsweise zu eng und wird insbesondere nicht durch das grundlegende Urteil zu diesem Thema (LSG Schleswig-Holstein vom 07.06.1994, Az.: L 6 KA 75/93) gestützt.
Zahlreiche Streitpunkte
Das zahnärztliche Eigenlabor ist trotz langer Tradition immer wieder Gegenstand von juristischen Auseinandersetzungen und insbesondere den Zahntechnikerinnungen ein „Dorn im Auge“. Es verwundert daher nicht, dass die Zulässigkeit solcher Praxislabore in Frage gestellt wird. Nicht nur wird MVZ GmbHs die Befugnis abgesprochen, Eigenlabore betreiben zu können. Ganz allgemein werden offen Zweifel daran geäußert, dass Zahnärzte, die ihre Approbation nach der neuen Approbationsordnung erhalten, für den Betrieb eines Eigenlabors nicht mehr hinreichend qualifiziert seien. Die Herstellung zahntechnischer Produkte sei in der neuen zahnärztlichen Approbationsordnung weitestgehend nicht mehr enthalten, sodass nur nach alter Approbationsordnung approbierte Zahnärzte ein Praxislabor betreiben dürften. Die Entwicklung des Diskussionsstandes zu dieser Fragestellung bleibt zu beobachten.
Ein weiterer Zankapfel im Zusammenhang mit zahntechnischen Eigenlaboren ist die Frage, ob bei der Berechnung von Eigenlaborleistungen ausschließlich die dem Zahnarzt entstandenen Auslagen oder auch ein kalkulatorischer Gewinnanteil berechnet werden kann. Hintergrund ist die Regelung des § 9 GOZ, der den Ersatz von Auslagen für zahntechnische Leistungen regelt. § 9 Abs. 1 GOZ regelt, dass neben den Gebühren als Auslagen, die dem Zahnarzt tatsächlich entstandenen angemessenen Kosten der zahntechnischen Leistungen berechnet werden können. Aus der Formulierung „tatsächlich entstandenen Kosten“ wird allgemein geschlossen, dass jedenfalls Rückvergütungen, Preisnachlässe, Rabatte, Umsatzbeteiligungen etc. Dritter, also gewerblicher Labore, nicht einbehalten, sondern an den Zahlungspflichtigen weitergegeben werden müssen. Anderenfalls würde der Zahnarzt mehr als den in § 9 vorgesehenen Auslagenersatz erhalten.
Das Urteil
Wie aber ist es im Eigenlabor, wenn also der Zahnarzt als Unternehmer mit eigenen Geräten, Angestellten und damit eigenem Risiko den Zahnersatz herstellt? In diesem Kontext ist das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 15.03.2021 – 18 O 33/20 erfreulich deutlich, indem es seinem Urteil den folgenden Leitsatz voranstellt:
„Zahnärzte, die zahntechnische Leistungen in einem eigenen Praxislabor erbringen, dürfen im Rahmen des § 9 Abs. 1 GOZ einen angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteil abrechnen.“
Gegenstand des Verfahrens war eine wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzung, die durch einen Wettbewerbsverband angestrengt wurde. Dieser war der Auffassung, dass der Zahnarzt im Eigenlabor auch nur die tatsächlich entstandenen Kosten berechnen dürfe. Die Beklagte des Verfahrens vertreibt ein CAD/CAM-gestütztes System, mit welchem über die Verwendung einer Oralkamera und einer Fräsmaschine aus einem Materialblock Restaurationen hergestellt werden können. Geworben wurde mit einem Arbeitspapier für Zahnärzte und Steuerberater zwecks Investitionsplanung. In der Broschüre finden sich Ausführungen zur Wirtschaftlichkeit des Gerätes. Der Kläger war nun der Auffassung, es würde gegenüber den angesprochenen Verkehrskreisen der unzutreffende Eindruck erweckt, durch die Verwendung des Systems und die damit erbrachten zahntechnischen Leistungen könnten Gewinnsteigerungen erreicht werden. Die Abrechnung von zahntechnischen Leistungen unter Kalkulation einer Gewinnmarge für den Zahnarzt würde aber einen Verstoß gegen § 9 Abs. 1 GOZ darstellen, da es Zahnärzten nicht gestattet sei, für zahntechnische Leistungen einen Gewinnanteil abzurechnen. Aus diesem Grund machte der Wettbewerbsverband Unterlassungsansprüche geltend.
Gewinnmarge zulässig
Das Gericht hat die Klage abgewiesen und festgestellt, dass Zahnärzte im Rahmen des Ersatzes von Auslagen für zahntechnische Leistungen in ihrem Eigenlabor sehr wohl einen angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteil abrechnen dürfen. Aus den Gesetzesmaterialien zur GOZ gehe hervor, dass die Abrechnung der Gewinnmarge für Arbeiten, die im eigenen Praxislabor gefertigt wurden, zulässig sein soll. Im Regierungsentwurf heißt es wie folgt:
„Auch für zahntechnische Leistungen, die im eigenen Praxislabor erbracht werden, darf der Zahnarzt nur die tatsächlich entstanden Kosten unter Einschluss eines angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteils als Auslagen abrechnen.“
Auch wenn diese Formulierung nicht unmittelbar Eingang in § 9 Abs. 1 GOZ gefunden hat, so spricht weder die Formulierung der Norm noch deren Sinn und Zweck gegen die Auffassung, nach der ein Zahnarzt, der zahntechnische Leistungen in einem eigenen Praxislabor erbringt, einen angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteil abrechnen darf. Das Gericht meint, dass das aus § 9 GOZ abzuleitende grundsätzliche Verbot, einen zusätzlichen Gewinn durch die bloße Weiterreichung von Kosten zu erwirtschaften, zwar dann begründet ist, wenn Zahnarzt selbst keine maßgebliche Leistung erbringt. Auch trüge der Zahnarzt, der ein Fremdlabor mit der Erbringung zahntechnischer Leistungen beauftragt, in der Regel kein eigenes wirtschaftliches Risiko. Diese Erwägungen aber verfangen dann nicht, wenn der Zahnarzt sein eigenes Labor betreibt und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Risiken zu tragen hat.
Anderenfalls würde nämlich ein Verlust, der bei dem Betrieb des eigenen Praxislabors entstehen kann, durchweg allein vom Zahnarzt zu tragen sein. Der Zahnarzt, der über ein Eigenlabor verfügt, würde insoweit aber schlechter stehen als der Kollege, der mit einem Fremdlabor zusammenarbeitet, was von § 9 GOZ jedoch nicht gewollt ist. Auch sei es im Rahmen von § 9 Abs. 1 GOZ allgemein anerkannt, dass in bestimmten Konstellationen eine Weiterreichung von Vorteilen des Zahnarztes, die er bei Beauftragung eines Fremdlabors erhält, nicht zu erfolgen hat. So hat der Zahnarzt Skonti in Höhe von bis 3 % nicht weiterzureichen, wenn er zeitnah eine Zahntechnikerrechnung begleicht.
Fazit
Das Urteil ist von seinem Ergebnis und in der Klarheit der getroffenen Aussagen sehr zu begrüßen. Seit jeher gehört die Erbringung zahntechnischer Leistungen zum Berufsbild des Zahnarztes. Es wäre jedoch systemwidrig, wenn der Zahnarzt mit seiner Leistungserbringung keinen Gewinn erwirtschaften dürfte. Dem steht auch die Regelung des § 9 Abs. 1 GOZ nicht entgegen. Leider verhält sich das Urteil in keiner Weise zur Höhe des zulässigen kalkulatorischen Gewinnaufschlags im Praxislabor, wobei diese Frage im strittigen Fall aber auch nicht zur Debatte stand. Ohnehin dürfte die Angemessenheit ohne Einzelfallbetrachtung auch nicht zu bestimmen sein. Führt man die Argumentation des Landgerichts weiter, wird die Angemessenheit des Gewinnaufschlages von verschiedenen Parametern, wie beispielswiese der Frage abhängen, inwieweit der Zahnarzt eine eigene Leistung erbringt und wie hoch sein wirtschaftliches Risiko im Zusammenhang mit dieser Leistungserbringung ist.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Kläger hat Berufung gegen das Urteil eingelegt. Es bleibt zu hoffen, dass das Urteil in der Berufungsinstanz durch das OLG Frankfurt am Main bestätigt wird.
Der Experte
RA Jens-Peter Jahn
Fachanwalt für Medizinrecht in der Kölner Kanzlei michels.pmks Rechtsanwälte mit einem Tätigkeitsschwerpunkt im Zahnarztrecht.
info@michelspmks.de
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