Abrechnung: Verbandplatte bei chirurgischem Eingriff
Gerade bei einer Wundversorgung ist das Anlegen einer Verbandplatte oftmals medizinisch indiziert. Kommentare des Verbands der privaten Krankenversicherer empfehlen für die Abrechnung eine Analogberechnung trotz des Vorhandenseins einer zutreffenden Leistung in der GOÄ. Wie sollte man nun vorgehen?
Im Rahmen einer weitergehenden Wundversorgung (zum Beispiel bei einem Gaumendefekt nach Knochenentnahme) kann das Anlegen einer Verbandplatte mitunter erforderlich sein. Die Verbandplatte gleicht in ihrer Herstellung und Anwendung einem nicht adjustierten Aufbissbehelf. Zur Berechnung ist daher die GOZ-Nr. 7000 analog geeignet. Die in der zahnärztlichen Abrechnungspraxis häufig genutzte GOÄ-Nr. Ä2700 analog ist nicht zulässig, da mit der GOZ-Nr. 7000 eine Position aus der GOZ zur Verfügung steht, die nach Art, Kosten- und Zeitaufwand eine gleichwertige Leistung im Sinne des § 6 Abs. 1 GOZ darstellt.“ Diese Feststellung ist nachzulesen im GOZ-Kommentar der privaten Krankenversicherer und in PKV-publik (Zeitschrift des Verbandes der Privaten Krankenversicherung, 10/2012) auf die Frage, ob das Anlegen einer Verbandplatte nach erfolgtem chirurgischem Eingriff gesondert berechnungsfähig sei.
Ungewöhnliche Einschätzung
Wie ist diese Stellungnahme nun aus rein gebührenrechtlicher Sicht zu werten?
Sicher ist zunächst ein Blick auf die originale Beschreibung der Leistung nach Nr. 2700 GOÄ sinnvoll; dort heißt es: „Anlegen von Stütz-, Halte- oder Hilfsvorrichtungen, einer Verbands- oder Verschlussplatte, Pelotte oder dergleichen – im Zusammenhang mit plastischen Operationen oder zur Verhütung oder Behandlung von Narbenkontrakturen“.
Daraus folgt: Die Gebührennummer Ä2700 ist generell zu berechnen für jede Art von Behandlungsmittel mit dem Charakter einer Stütz-, Halte- oder Hilfsfunktion, auch für eine Verbandplatte oder eine Verschlussplatte oder eine Pelotte.
Da hier explizit von einer Verbandplatte die Rede ist, erscheint die Einschätzung im PKV-Kommentar ungewöhnlich. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass die Ä2700 im Abschnitt „IX. Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie“ aufgeführt und gemäß § 6 (2) GOZ dem Zahnarzt ausdrücklich und uneingeschränkt zugänglich ist.
Therapeutische Aufbissbehelfe
Wirft man nun einen Blick auf die Leistungsbeschreibung der Nr. 7000 GOZ, so fällt auf, dass der spezifizierende Bestandteil „Verband“ dort nicht enthalten ist, lediglich der Bestandteil „Behelf“.
Unter der GOZ-Nr. 7000 werden demnach alle Arten von therapeutischen Aufbissbehelfen berechnet, die der Veränderung der Bisslage, der Bisshebung, der Relaxierung der Kaumuskulatur und/oder der Entlastung der Kiefergelenke dienen, dies ohne Adjustierung an die Gegenbezahnung. Häufig werden sie auch zur Schmerztherapie bei akuter Funktionsstörung im stomatognathen System eingesetzt.
Leistungsinhalt der Ziffer 7000 GOZ ist die Diagnose- und Indikationsstellung inklusive der Feststellung der Behandlungsmöglichkeit bzw. der Notwendigkeit durch ein nicht an die Gegenbezahnung adjustiertes, auf die Zähne oder Zahnreihe aufgesetztes bzw. eingegliedertes Hilfsmittel (beispielsweise eine Tiefziehschiene). Oft wird die anatomische Abformung eines Kiefers dafür erforderlich, allerdings ist sie nicht zwangsläufig immer nötig. Es gibt durchaus auch konfektionierte, nicht adjustierte Schienensysteme, wie den Aqualizer, die ohne vorherige Abformung auskommen und gerade in akuten Schmerzsituationen zum Einsatz kommen. In jedem Fall Bestandteil der Leistungsbeschreibung der Ziffer 7000 GOZ sind auch die Auftragserteilung zur zahntechnischen Herstellung sowie die Kontrolle des Werkstücks, die Einprobe, die Eingliederung mit entsprechender Funktionsprüfung und die Aufklärung des Patienten über Wartung und Pflege.
Variantenreich
Die GOZ selbst definiert davon unabhängig bei Weitem nicht jede Variante eines „Behelfs“ zwangsläufig als Leistung nach Ziffer 7000 GOZ oder in Analogie zu dieser Gebührenposition, sondern mit der jeweils zutreffenden Gebührennummer (7010, 7020 GOZ etc.).
Schienen als Verband- oder Verschlussplatten nach GOÄ-Nr. Ä 2700 werden hingegen zum mechanischen Verschluss bzw. zur Kompression einer Wunde etwa bei bekannter oder drohender Nachblutungsgefahr eingesetzt, folglich also primär im oralchirurgischen Bereich. Diese Leistung beschreibt also „bedeckende, abschirmende oder formende“ Hilfsteile als intraorale Elemente, ganz im Gegensatz zur Ä2701 GOÄ, die eindeutig extraorale Elemente subsumiert.
Die Ä2700 ist je notwendige selbstständige (eigenständige) einzelne Stütz-, Halte- oder Hilfsvorrichtung berechenbar, dabei ist die Berechnungsfähigkeit nicht auf „je Kiefer“ beschränkt Die Ortsbestimmung „am Ober- oder Unterkiefer“ weist lediglich auf Anlegungsstützpunkte hin, zum Beispiel am Kiefer, an der Zahnreihe und/oder am Kieferknochen. Ausdrücklich nicht darunter zu verstehen sind Anlegungsstützpunkte an Weichteilen oder gar in anderen Körperregionen; deshalb ist diese Formulierung „am Kiefer“ nicht mit einer Berechnungsbestimmung zur Frequenz wie „je Kiefer“ gleichzusetzen. Dabei ist die Ä2700 keine zuschlagsfähige Leistung, auch nicht im Zuge einer ambulanten Operation.
Ausnahmen
In der GOZ und/oder GOÄ beschriebene operative Leistungen, bei denen Stütz-, Halte- oder Hilfsvorrichtungen nach Ä2700 erforderlich werden können, enthalten in aller Regel nicht bereits derartige Maßnahmen. Doch Vorsicht, es gibt auch Ausnahmen, etwa die Leistungen nach:
- 3140 GOZ (Zahnreimplantation),
- 5320 GOZ–5340 GOZ (Defektprothesen/-epithesen),
- Ä2688–Ä2693 (Bruchoperationen),
- Ä2695–Ä2699 (Schienenverbände),
- Ä2705, Ä2706 (Osteotomien bei disloziert verheilten Brüchen),
- Ä2720 (Osteotomie in Zusammenhang mit Mundbodenoperation).
Bei anderen Leistungen sind Stütz-, Halte- und Hilfsvorrichtungen durchaus berechnungsfähig, beispielsweise bei einer Wurzelspitzenresektion nach der GOZ-Ziffer 3120 an der palatinalen Wurzelspitze an einem Oberkiefer-Molaren.
Es ist folglich unschwer erkennbar, dass das Anlegen einer Verbandplatte am Ober- oder Unterkiefer nach GOÄ-Nr. 2700 sowohl den Einsatzort betreffend (am Gaumen und/oder am Alveolarfortsatz) als auch bezüglich der klaren Zweckbestimmung (Wundverschluss) vom Leistungsinhalt der GOZ-Nr. 7000 (Okklusionsunterbrechung) erheblich abweicht.
„Günstigere“ Analogziffer
Was bedeutet das nun für die eingangs zitierte Kommentierung der privaten Krankenversicherer? Wenn eine GOÄ-Leistung zutreffend und darüber hinaus auch zugänglich ist, gibt es aus gebührenrechtlicher Sicht keine Grundlage für eine Analogberechnung. Es ist allerding kaum verwunderlich, dass die seitens der PKV „angeratene“ Analogziffer 7000a mit nur 270 Punkten ausgestattet ist, während die zutreffende Ä2700 „Verbandplatte“ eine 350-Punkte-Ausstattung besitzt.
Fazit: Die Empfehlung der PKV publik ist im konkreten Fall offensichtlich irreführend, sowohl aus gebührenrechtlicher als auch aus erstattungspolitischer Sicht, denn eine Analogberechnung trotz des Vorhandenseins einer zutreffenden Leistung in der GOÄ ist nicht möglich: Dies hat der Verordnungsgeber eindeutig formuliert in § 6 Abs. 1 GOZ. Analogberechnung hat keineswegs den Vortritt gegenüber zutreffender Berechnung.
Steffi Scholl
ist Abrechnungsspezialistin und arbeitet seit 2011 bei der ZA Zahnärztlichen Abrechnungsgesellschaft AG in Düsseldorf in der GOZ-Fachabteilung.
sscholl@zaag.de