Diskussion um Delegation an eine selbstständige ZFA
Das „alte“ Thema Delegation ist wieder brandaktuell. Ein noch frisches Urteil aus dem vergangenen Jahr sorgt unter Zahnärzten für Diskussionsstoff und auch verschiedene Landeszahnärztekammern sowie die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) haben sich bereits damit beschäftigt.
Eine kürzlich von der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg veranstaltete Fortbildung (Winterakademie des ZFZ Stuttgart) griff einen bislang wenig beachteten Aspekt der Delegation auf. RA Axel Maag, Direktor der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg, verdeutlichte in seinem Vortrag: Es besteht die Gefahr der Scheinselbstständigkeit bei Praxismitarbeiterinnen, die in mehreren Praxen tätig sind. Obwohl das bereits angesprochene Urteil aus dem Jahr 2015 des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (Az. L2 R 200/13, LSG Rheinland-Pfalz, 27.07.2015) die Delegation von zahnärztlichen Leistungen an eine selbstständige ZFA ermöglichte, beurteilte Maag die Ausgangslage ganz anders.
Drohende Strafen
Er sieht bei einer Selbstständigkeit die gesetzlich geforderte Kontrolle der Delegation durch den Zahnarzt gefährdet. „Die Delegation bedingt ein Weisungsrecht und die Aufsicht des Zahnarztes. Wie soll dies bei einer selbstständig beschäftigten Mitarbeiterin möglich sein?“, fragte Maag. Die möglichen Strafen für den Praxisinhaber bei festgestellter Scheinselbstständigkeit könnten schmerzhaft werden: Es drohen die Nachzahlung von jahrelang nicht gezahlten Sozialabgaben sowie ein Strafverfahren.
Völlig problemlos sieht Maag die Arbeit einer Mitarbeiterin in mehreren Praxen mit Angestelltenvertrag. Der BZÄK ist das Urteil aus Rheinland-Pfalz auch bekannt, der Vorstand hat sich dazu bereits beraten. Ähnlich wie Maag, beurteilt auch die BZÄK die Entscheidung der Richter: „Das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz ist nach hiesiger Auffassung rechtsfehlerhaft und unterliegt einem Subsumtionsfehler. Das LSG hat in irriger Annahme entschieden, dass der Delegationsrahmen nach § 1 Abs. 5 und 6 Zahnheilkundegesetz (ZHG) eine selbständige Tätigkeit nicht ausschließe. § 1 Abs. 5 ZHG verlange von Zahnärzten nicht, dass sie die in der Vorschrift genannten Fachkräfte als Arbeitnehmerin beschäftigen. Den Erfordernissen des Zahnheilkundegesetzes, das die Ausübung der Zahnheilkunde den approbierten Zahnärzten zuweist, werde auch bei einer selbstständigen Tätigkeit, wie sie von der ZFA ausgeübt worden ist, Rechnung getragen, wenn die Zahnärzte ihrer Kontroll- und Überwachungspflicht genügen, so das Gericht.
Gerade der Begriff des „Personals“ im Gesetzestext belegt für die BZÄK, dass eine Delegation an selbstständige Mitarbeiterinnen eben nicht ohne Weiteres erfolgen sollte. „Der Gesetzgeber hat aber in § 1 Abs. 5, 6 ZHG nicht ohne Grund den Begriff des Prophylaxe-Personals gewählt. Das Merkmal des Personals oder des Personalbegriffs ist gerade die Unselbstständigkeit einer ausführenden Tätigkeit. Hätte der Gesetzgeber hier auch die Delegation an selbständig tätige Mitarbeiter gewollt, dann hätte er ohne Weiteres nur von ,qualifizierten Dritten’ sprechen können. Dies hat er aber gerade nicht getan, sondern den Begriff ,Personal’ gewählt und damit zum Ausdruck gebracht, dass eine selbstständige Tätigkeit gerade nicht möglich ist.“
Für die BZÄK bleibt auch die delegierte zahnärztliche Leistung eine Leistung des Zahnarztes. „Nur höchstpersönlich oder aber nach fachlicher Weisung erbrachte Leistung sind abrechenbar, siehe § 4 Abs. 2 GOZ.“ Eine selbstständige Tätigkeit schließt aber nach Ansicht der BZÄK eine fachliche Weisung aus, da diese im Zweifel gegenüber einer selbstständig tätigen Person nicht – beispielsweise durch das arbeitsrechtliche Direktionsrecht – durchsetzbar wäre.
Zahnärzte kontrollierten Arbeit
Für RA Cornelia Weitekamp, Fachanwältin für Medizin- und Arbeitsrecht in der Kanzlei Prof. Dr. Halbe, Rothfuß, Wiedey, Jahn & Partner in Köln, gibt es am Urteil des LSG Rheinland-Pfalz sozialversicherungsrechtlich nichts zu rütteln, wobei sie darauf hinweist, dass auch hier nur der konkrete Einzelfall entschieden wurde. Sie sieht die Verantwortung in dem vorliegenden Fall auch weiterhin bei den Zahnärzten, die in der Verhandlung geäußert hätten, dass sie immer wieder die Arbeit der Beklagten kontrolliert hätten. Für Weitekamp hat das Urteil auch keine Auswirkungen in Richtung der Substitution, die vonseiten der Kammer eventuell befürchtet werden könnte. „Die Entscheidungskompetenz liegt am Ende immer bei den Zahnärzten. Sind diese nicht mit der Arbeit oder den Leistungen der selbstständig tätigen Mitarbeiterin zufrieden, wird die Zusammenarbeit beendet.“ Weitekamp sieht bei den Mitarbeiterinnen ein eigenständiges Interesse, die delegierten Leistungen sorgfältig zu erbringen. Dadurch werde die Verantwortung der Zahnärzte eben nicht ausgehebelt.
Was das Thema Selbstständigkeit der Mitarbeiterin in der Zahnarztpraxis angeht, hat die Rechtsanwältin auch eine klare Meinung. Sollte die Scheinselbstständigkeit festgestellt werden, droht dem Zahnarzt die Zahlung der sozialversicherungspflichtigen Beiträge in voller Höhe, jedenfalls für den Zeitraum von bis zu vier Jahren. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen Sozialversicherungsbetrugs eingeleitet wird. „Die sicherere Variante ist hier natürlich die Anstellung.“ Diese Option benennt auch die BZÄK. Für die Interessenvertretung der Zahnärzte ist klar: „Es können mehrere Teilzeitverträge mit unterschiedlichen Praxen abgeschlossen werden – allerdings keine Honorarverträge oder Ähnliches.“
Nicht finanziell attraktiv
Klar ist auch, für die Praxismitarbeiterinnen sind mehrere Teilzeitverträge finanziell nicht so attraktiv – für die Zahnarztpraxen aber auch nicht. Für Sylvia Fresmann, erste Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für DentalhygienikerInnen e. V., steht in der aktuellen Diskussion vor allem das Wohl der Patienten im Vordergrund und deren Anspruch auf bestmögliche Betreuung. Dass dieser Anspruch untrennbar mit der Qualifikation der Behandler verbunden ist, steht für sie außer Frage. Ebenso, dass Qualifikationen mit erheblichen Aufwänden in finanzieller, zeit‧licher und persönlicher Hinsicht verbunden sind. „Kolleginnen sind sehr engagiert, die Nachfrage nach Fortbildung ist ungebrochen“, sagt Fresmann.
Die Attraktivität des Berufsbildes hängt ihrer Ansicht nach auch von der finanziellen Komponente ab; dies gelte gleichermaßen auch für die Praxisinhaber. Dies zeigten die aktuelle Diskus‧sion in ihrem Verband wie auch gesellschaftliche Überlegungen und Aktivitäten auf Ebene der EU zum Umgang mit dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel. Ihrer Überzeugung nach ist dieser Fachkräftemangel bereits deutlich in den Praxen zu erkennen.
Auf den Bereich der Zahnarztpraxen bezogen, wünscht sie sich eindeutige Regelungen zur Qualifikation und Delegation sowie ihre einheitliche Umsetzung in den Bundesländern. Der Delegationsrahmen der BZÄK biete da eine gute Orientierung. Der Raum für Interpretationen sollte minimiert werden.
Im Zusammenhang mit der demografischen Herausforderung und der zunehmenden Bedeutung der Prävention und Nachsorge ist es ihrer Meinung nach von eminenter Bedeutung, die Attraktivität der Berufsbilder zu steigern. Wie? „Wertschätzung, attraktive Arbeitsplätze, ein harmonisches Team, Klarheit der Aufgabenverteilung bei der Betreuung der Patienten, leistungsgerechte Honorierung sind nur einige Faktoren in diesem Zusammenhang“, erklärt Fresmann. Gemeinsam mit den Zahnärztinnen und Zahnärzten, wünscht sich die Dentalhygienikerin, sollten neue Formen der Zusammenarbeit und Kooperation gefunden werden, die sowohl die Praxisinhaber als auch die Mitarbeiterinnen zufriedenstellen. „Denn Prophylaxe ist Teamarbeit.“
Andere Formen der Kooperation
Der Blick ins Ausland, etwa in die Schweiz, verrät: Auch dort arbeitet ein Großteil der Dentalhygienikerinnen mit den Zahnärzten in den Zahnarztpraxen zusammen. „Aber dort sind auch andere Formen der Kooperation, außerhalb der Selbstständigkeit, möglich“, erklärt Fresmann. Ganz neu ist das Thema allerdings nicht. Die BZÄK informiert die Zahnärzte bereits seit Jahren durch Mitgliederrundschreiben, Kammerpublikationen, Gutachtertagungen und Fortbildungen über die Rechtsgrundlagen. Die BZÄK und die Kammern werden vor Gericht auch oft als Experten angehört. Beim Rechtsstreit vor dem LSG Rheinland-Pfalz war dies nicht der Fall.
Hinzu kommt der Delegationsrahmen der BZÄK, der auch im Urteil des LSG Rheinland-Pfalz ein Thema war. „Das Gericht hat dennoch eine nach unserer Auffassung falsche Entscheidung getroffen“, heißt es vonseiten der BZÄK. Aber: Die Deutsche Rentenversicherung hat Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Das Urteil ist damit noch nicht rechtskräftig und derzeit vor dem Bundessozialgericht anhängig.