Zahnärztliche Behandlung ausländischer Patienten
Aus aktuellem Anlass stellt sich auch die Frage, wann eine zahnärztliche Versorgung bei Flüchtlingen möglich, in welchen Fällen sie unumgänglich ist und welcher Kostenträger für die Rechnungsbegleichung in Betracht kommt.
Viele Zahnärzte sind sich bezüglich der Behandlung von ausländischen Patienten noch im Unklaren, wer für die Behandlungskosten aufkommen muss. Daneben stellen sich rein praktische Probleme wie beispielsweise Fragen der Kommunikation, die schnell einen rechtlichen Hintergrund erreichen können, wenn es zum Beispiel um die Risikoaufklärung oder die Anamnese geht. Folgende Übersicht erklärt, was in welchem Falle zu tun ist.
I. Versorgung von Patienten, die im Ausland krankenversichert sind
Ausländische Patienten, die eine Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) oder eine provisorische Ersatzbescheinigung (PEB) besitzen, werden wie Patienten behandelt, die bei einer deutschen Krankenkasse versichert sind. Die Abrechnung der Sachleistung erfolgt dann über die EHIC oder PEB. Vor der Durchführung der Behandlung hat der ausländische Patient das Formular 80 und 81 auszufüllen und zu unterschreiben.
Diese Formulare werden dann mit einer Kopie des Identitätsnachweises an die aushelfende deutsche Krankenkasse übersandt. Bei einem vorübergehenden Aufenthalt des im Ausland Versicherten gilt, dass Ansprüche auf alle Sachleistungen bestehen, die sich unter Berücksichtigung der Art der Leistung und der voraussichtlichen Aufenthaltsdauer als medizinisch notwendig erweisen. Zu diesem Personenkreis gehören etwa Touristen oder entsandte Arbeitnehmer. Sie können auch dann behandelt werden, wenn eine Erkrankung bereits vor der Einreise nach Deutschland bestanden hat.
II. Behandlung ohne Vorlage eines relevanten Nachweises
Anders sieht es aus, wenn der im Ausland Versicherte keine Europäische Krankenversichertenkarte oder provisorische Ersatzbescheinigung und/oder einen Identitätsnachweis vorlegt. Der Zahnarzt kann und muss dann von dem ausländischen Patienten eine Vergütung nach GOZ und GOÄ fordern. Das Gleiche gilt, wenn sich der im Ausland Versicherte ohne Genehmigung des zuständigen ausländischen Kostenträgers nach Deutschland begeben hat, um eine zahnärzt‧liche Behandlung zu erhalten. Der ausländische Patient sollte sich vor Behandlungsbeginn zunächst an eine aushelfende deutsche Krankenkasse wenden, um von dort einen Anspruchsnachweis zu erhalten.
Nicht zutreffend ist die teilweise geäußerte Auffassung, nach der GOZ und GOÄ bei der Behandlung ausländischer Patienten nicht anwendbar sind. § 1 GOZ lässt keine Zweifel offen. Er bestimmt, dass sich die beruflichen Leistungen der Zahnärzte nach der GOZ bestimmen, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist, was für diesen Fall nicht gilt.
III. Zahnärztliche Versorgung bei Asylbewerbern
In den ersten 15 Monaten des Deutschlandaufenthalts haben Asylbewerber nur einen eingeschränkten Anspruch auf medizinische Versorgung. Nach der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG (Asylbewerberleistungsgesetz) darf ein Asylbewerber nur bei akuter Erkrankung oder Schmerzzuständen zahnärztlich behandelt werden. Akute Erkrankungen sind plötzlich auftretende, schnell und heftig verlaufende Erkrankungen, die von chronischen Erkrankungen abzugrenzen sind. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Asylbewerber einen Anspruch auf eine Behandlung größeren Umfangs haben, wenn sie im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist. Kiefergelenk-, Parodontal- und Zahnersatzbehandlungen müssen grundsätzlich vor Behandlungsbeginn genehmigt werden.
Damit eine Abrechnung des Zahnarztes erfolgen kann, ist ein Abrechnungsschein erforderlich. Den notwendigen Zahnbehandlungsschein stellen die Sozialämter aus, die dann gleichzeitig auch die Kostenträger sind. Der Abrechnungsschein gilt für das eingetragene Quartal, wenn nichts anderes bestimmt ist. Nach den einzelnen Abrechnungsbestimmungen sollte man sich beim zuständigen Sozialamt und der KZV/Zahnärztekammer erkundigen. Die Auslegung der Regelungen divergiert zum Teil erheblich.
Nach Ablauf von 15 Monaten erhalten Asylbewerber gemäß § 2 AsylbLG eine elektronische Gesundheitskarte. Dadurch genießen sie eine Behandlung auf dem Niveau der gesetzlich Krankenversicherten.
IV. Gesundheitskarte für Flüchtlinge
Am 28. August 2015 hat das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege & Alter des Landes NRW (MGEPA NRW) entschieden, dass Flüchtlinge ab 2016 eine Gesundheitskarte (G-Karte NRW) erhalten sollen. Die Vereinbarung sieht vor, dass nur diejenigen Flüchtlinge eine G-Karte erhalten, die die Erstaufnahmeeinrichtungen und zentralen Unterbringungseinrichtungen verlassen haben und der Gemeinde zugewiesen wurden. In Hamburg und Bremen existiert eine solche Gesundheitskarte bereits.
Die G-Karte soll dazu verhelfen, dass Flüchtlinge ohne Beantragung eines Behandlungsscheins direkt zum Arzt gehen können, wenn sie krank sind. Die jeweilige Gemeinde erklärt den Beitritt zur Rahmenvereinbarung freiwillig und ist dafür zuständig, die zugewiesenen Flüchtlinge bei der zuständigen Krankenkasse anzumelden. Bis die Krankenkasse die G-Karte NRW an die Flüchtlinge verschickt, wird ein Ersatz-Abrechnungsschein für die zahnärztliche Versorgung ausgestellt. Der Leistungsumfang richtet sich nach den Vorschriften der §§ 4 und 6 AsylbLG.
Die flächendeckende Einführung einer solchen Gesundheitskarte in allen Bundesländern wird auf politischer Ebene derzeit sehr kontrovers diskutiert.
V. Allgemeines
Problematisch kann eine zahnärztliche Behandlung sein, wenn der Patient die deutsche Sprache nicht beherrscht. Grundsätzlich muss der Zahnarzt sicherstellen, dass eine ordnungsgemäße Aufklärung und Anamnese stattgefunden hat. Zur Hilfe können Anamnesebögen in verschiedenen Sprachen zur Verfügung gestellt werden, wenn der Zahnarzt merkt, dass der Patient Verständnisprobleme hat. Diese Bögen entlasten den Zahnarzt jedoch keineswegs von einer persönlichen Aufklärung. Der Zahnarzt hat jedoch die Möglichkeit, einen Dolmetscher heranzuziehen. Es reicht aber auch aus, wenn Angehörige, Bekannte des Patienten oder Mitarbeiter der Praxis als „Übersetzer“ tätig werden. Wird ein Dolmetscher benötigt, empfiehlt es sich dringend, die Kostenübernahme mit der zuständigen Behörde, in der Regel dem Sozialamt, schriftlich abzuklären. Der behandelnde Zahnarzt kann die Behandlung ablehnen, wenn eine Verständigung nicht möglich ist.
In diesem Zusammenhang stellt sich aber die Frage, wie ein Zahnarzt vorgehen muss, wenn eine zahnärztliche Behandlung dringend notwendig, eine Aufklärung aber aufgrund eines sprachlichen Verständnisproblems nicht möglich ist. Dabei ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Bei starken Schmerzen werden regelmäßig die Grundsätze der sogenannten „hypothetischen Einwilligung“ greifen. Danach entfällt die Haftung des Zahnarztes für einen Aufklärungsfehler, wenn der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung dem jeweiligen Eingriff zugestimmt hätte (vgl. § 630 h Abs. 2 BGB). Naturgemäß ist dieser Einwand im Fall eines Prozesses vom Zahnarzt zu beweisen, so dass auf eine sorgfältige Dokumenta‧tion der Beschwerdesymptomatik zu achten ist.
Lehnt der Zahnarzt eine Notfallbehandlung ab, so könnte eine unterlassene Hilfeleistung vorliegen. Der Zahnarzt befindet sich bei Auftreten von Sprachbarrieren in einer Zwickmühle zwischen Behandlungspflicht und Aufklärungsnotwendigkeit.
RA Jens-Peter Jahn
ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE in Köln mit einem Tätigkeitsschwerpunkt im Zahnarztrecht.
koeln@medizin-recht.com