Urteil: Ästhetik ohne Umsatzsteuer

Zahnarzt muss keine Umsatzsteuer zahlen

Ästhetische Maßnahmen, die aufgrund einer vorhergehenden Behandlung nötig werden, sind für den Zahnarzt von der Umsatzsteuer befreit. So muss beispielsweise für eine Zahnaufhellung, die durch eine Therapiemaßnahme bedingt ist, kein Aufschlag gezahlt werden. 


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Urteil: Ästhetische Maßnahmen, die aufgrund einer vorhergehenden Behandlung nötig werden, sind von der Umsatzsteuer befreit. Foto: Claudio Divizia/Fotolia.com


Die Steuerbefreiung des § 4 Abs. 4 Umsatzsteuergesetz (UStG) ist nicht auf solche Leistungen beschränkt, die unmittelbar der Diagnose, Behandlung oder Heilung einer Krankheit oder Verletzung dienen. Sie erfasst auch Leistungen, die erst als Folge solcher Behandlungen erforderlich werden, seien sie auch ästhetischer Natur (Folgebehandlung). So verhält es sich, wenn die medizinische Maßnahme dazu dient, die negativen Folgen der Vorbehandlung zu beseitigen. Dies entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Urteil vom 19.03.2015 (Az: V R 60/14).

Streitig war die Umsatzsteuerpflicht im Hinblick auf zahnärztliche Leistungen. Im Anschluss an bestimmte medizinisch indizierte zahnärztliche Behandlungen (zum Beispiel Wurzelkanalbehandlungen) wurde bei einigen Patienten eine Zahnaufhellung (Bleaching) an den zuvor behandelten Zähnen durchgeführt. Die Klägerin berechnete die Zahnbehandlung ohne Umsatzsteuer. In den Umsatzsteuererklärungen behandelte sie die Leistungen als umsatzsteuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 14 des UStG.

Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch das Finanzamt

Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging das Finanzamt davon aus, dass die Klägerin mit der Zahnaufhellung umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht habe, und erließ einen entsprechenden Steuerbescheid. Die dagegen gerichteten Einsprüche hatten keinen Erfolg. Das zuständige Finanzgericht Schleswig-Holstein hingegen gab der Klage statt. Zahnaufhellungsbehandlungen, wie im Streitfall, seien, so das Finanzgericht, umsatzsteuerbefreit.

Heilbehandlung ist Voraussetzung

Das Finanzamt legte dagegen Revision ein und begründete diese mit dem Argument, eine Heilbehandlung liege nicht bereits deswegen vor, weil eine vorherige Heilbehandlung ursächlich für eine optische Beeinträchtigung des behandelten Zahns sei. Der BFH wies die Revision zurück und bestätigte damit das Urteil des Finanzgerichts. Nach § 4 Nr. 14 S. 1 UStG sind Umsätze aus der Tätigkeit u. a. zahnarztsteuerfrei. Umsatzsteuerfreiheit setzt jedoch eine Heilbehandlung voraus.

Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin dienen der Diagnose, Behandlung und – soweit möglich – der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen. Sie müssen einen therapeutischen Zweck haben. Dazu gehören auch Leistungen zum Zweck der Vorbeugung und zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit. „Ärztliche Leistungen“, „Maßnahmen“ oder „medizinische Eingriffe“ zu anderen Zwecken sind keine Heilbehandlungen.

Auch ästhetische Behandlungen sind Heilbehandlungen, wenn diese Leistungen dazu dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen oder die Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.

Ästhetische Eingriffe als Folgebehandlungen

Die Steuerbefreiung, so der BFH, ist indes nicht auf solche Leistungen beschränkt, die unmittelbar der Diagnose, Behandlung oder Heilung einer Krankheit oder Verletzung dienen. Sie erfasst auch Leistungen, die erst als Folge solcher Behandlungen erforderlich werden, seien sie auch ästhetischer Natur (Folgebehandlung). So verhält es sich, wenn die medizinische Maßnahme dazu dient, die negativen Folgen der Vorbehandlung zu beseitigen. Dies stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach eine therapeutische Zweckbestimmtheit einer Leistung nicht in einem besonders engen Sinne zu verstehen sei.

Nach diesen Maßstäben war von steuerfreien Leistungen auszugehen. Die streitgegenständlichen Zahnbehandlungen, die jeweils eine Verdunkelung des behandelten Zahns zur Folge hatten, waren medizinisch indiziert. Als Heilbehandlung waren diese zahnärztlichen Leistungen deswegen umsatzsteuerfrei.

Eingriff medizinisch erforderlich

Die als Folge dieser Zahnbehandlungen notwendig gewordenen Zahnaufhellungsbehandlungen – als ästhetischer Eingriff – sind ebenfalls steuerfrei. Der Eingriff ästhetischer Natur war im Streitfall medizinisch erforderlich. Zwar hatte die Zahnaufhellungsbehandlung nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts im Streitfall ausschließlich eine optische Veränderung des Zahns (Aufhellung) zur Folge. Gleichwohl erfolgte der Eingriff nicht zu rein kosmetischen Zwecken. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts dienten die Zahnaufhellungen dazu, die infolge der Vorschädigung eingetretene Verdunkelung der Zähne zu behandeln. Damit standen die Zahnaufhellungsbehandlungen im Streitfall in einem sachlichen Zusammenhang zu den vorherigen Behandlungen, weil sie die negativen Auswirkungen (Verdunkelung) zu beseitigen bezweckten.

Für die Steuerbefreiung ist es unerheblich, dass die Zahnaufhellungsleistungen von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts erbracht worden sind. Da die Steuerbefreiung personenbezogen ist und nur davon abhängt, dass es sich um ärztliche oder arztähnliche Leistungen handelt, die – wie im Streitfall – von Personen erbracht werden, die die erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweise besitzen, kommt es nicht auf die Rechtsform an, unter der die Heilbehandlungen erbracht werden.

RA Jens-Peter Jahn

ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE in Köln mit einem Tätigkeitsschwerpunkt im Zahnarztrecht.

jens-peter.jahn@medizin-recht.com