Angestellte Zahnärzte: Was muss der Praxisinhaber wissen?

Trend zur Anstellung: Eine Win-Win-Situation?

Ein angestellter Zahnarzt muss sich weniger mit den betriebswirtschaftlichen Pflichten der Praxis auseinandersetzen und hat mehr Freizeit. Das ist einer der Gründe für den Trend zum angestellten Zahnarzt. Was ein Praxisinhaber bedenken muss, wenn er einen Kollegen anstellt, lesen Sie hier.



Wenn das Behandlungsspektrum der eigenen Praxis ausgebaut werden soll oder die Zahl der Patienten einfach zu groß geworden ist, um die Praxis allein zu führen, ist eine die Beschäftigung einer weiteren Zahnärztin oder eines weiteren Zahnarztes nötig und sinnvoll“, meint Christian Berger, Präsident der Landeszahnärztekammer Bayern. Doch wie stellt sich die Anstellung eines Kollegen für den Praxisinhaber aus finanzieller Sicht dar? Das A und O ist die richtige Kalkulation. Dabei gilt es einige harte und weiche Faktoren zu beachten, sagt Dr. Detlev Nies von der Sachverständigensozietät Dr. D. Nies und K. Nies in Köln, die sich mit der Bewertung und Beratung von Arzt- und Zahnarztpraxen beschäftigt. „Harte“ Faktoren sind die aufgrund der Einstellung nötigen zusätzlichen finanziellen Aufwendungen, wie zum Beispiel die Einstellung weiteren (Assistenz-)Personals oder Neuinvestitionen in die Praxissubstanz.

Die „weichen“ Faktoren drehen sich um die tägliche Arbeit und die Effektivität der Praxis: „Der Praxisinhaber muss sich fragen, ob infolge einer Einstellung die Öffnungszeiten ausgeweitet werden können und ob der angestellte Kollege Patienten gewinnt und bindet, die sonst gar nicht auf die Praxis aufmerksam werden oder abwandern würden“, sagt Nies. Ist das Bestellbuch auf Wochen voll und beschweren sich die Patienten über zu lange Wartezeiten, ist das ein Hinweis darauf, dass ein weiterer Kollege helfen würde. „Wenn bei zahlreichen Patienten nur Schmerzbehandlungen durchgeführt werden und Gebisssanierungen sich ohne (behandlungs-)technische Notwendigkeit über mehrere Monate hinziehen, fehlt ein weiterer Kollege im Team.“ Dazu kommt die Work-Life-Balance: Dank eines weiteren Kollegen ergibt sich unter Umständen mehr Freizeit auch für den Praxisinhaber.

Was verdienen angestellte Zahnärzte?

Eine pauschale Berechnungsformel für das Gehalt angestellter Zahnärzte ist der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) nicht bekannt, wie Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstands der KZBV, dem DENTAL MAGAZIN bestätigt. Auch Nies kennt keine aussagekräftigen statistischen Daten über die Gehaltsstruktur angestellter Zahnärzte. Selbst die Zahnärztekammern können keine Hilfestellung leisten, beispielsweise mit Listen, die Empfehlungen für angemessene Gehälter enthalten: Die Kammern in Bayern, Westfalen-Lippe, Hessen und Nordrhein mussten bei dieser Frage passen. „Wir wissen allerdings, dass es regionale Unterschiede bei den Gehaltsstrukturen gibt. In jedem einzelnen Fall ist die Gehaltsfrage freie Verhandlungssache zwischen dem Praxiseigentümer und dem angestellten Kollegen“, erklärt Dr. Ralf Hausweiler, Vizepräsident der Zahnärztekammer Nordrhein.

Der bayerische Kammerpräsident Berger empfiehlt individuelle Lösungen: „Das Gehalt des angestellten Zahnarztes ist wie der Gewinn des Praxisinhabers abhängig von der Kostenstruktur der jeweiligen Praxis. Eine prozentuale Umsatzbeteiligung ist für beide Seiten vorteilhaft.“ Praxisinhabern rät er, ihren Steuerberater zu konsultieren – schließlich existierten verschiedene Modelle. „Es gibt Festgehälter, Umsatzbeteiligungen oder eine Kombination aus beidem. Wenn der angestellte Kollege umfassend ausgebildet ist und ‚voll‘ behandeln kann, ist die Umsatzbeteiligung die fairste Lösung“, sagt Prof. Dr. Günter Dhom, DGI-Fortbildungsreferent und Praxisinhaber aus Ludwigshafen. In Abhängigkeit von den Kosten der Praxis seien das zwischen 25 und 30 Prozent des erarbeiteten Honorarumsatzes.

Konkrete Zahlen liefert die Humanmedizin: Frisch approbierte Ärzte verdienen zwischen 4219 Euro und 5416 Euro im sechsten Jahr, Fachärzte von etwa 5500 Euro bis knapp unter 7000 Euro. „Diese Werte sind auch für Zahnmediziner an Unikliniken bindend“, erklärt Christian Twardy, Referatsleiter Tarifpolitik beim Marburger Bund. Ein Zahnmediziner habe de facto den Anspruch auf das gleiche Gehalt wie ein Humanmediziner. Das Problem: Außer Oralchirurgen und Kieferorthopäden gibt es in der Zahnmedizin keine Fachärzte, daher ist ein höheres Gehalt für viele nicht „vorgesehen“. Aber: „Wenn ein Zahnarzt sechs Jahre lang an der Uni war, ist ein Arbeitgeber gut beraten, den Gehaltsrahmen für Fachärzte zugrunde zu legen, denn von der Berufserfahrung her erfüllen diese Zahnmediziner die Voraussetzung definitiv“, erklärt Twardy.

Warum gibt es immer mehr Angestellte?

Etwa 8400 der insgesamt 61 000 Zahnärzte, die in Deutschland gesetzlich krankenversicherte Patienten betreuen, waren Mitte 2014 in einem Angestelltenverhältnis beschäftigt – Tendenz steigend. In den vergangenen Jahren lässt sich ein Anstieg der Gesamtzahl der entgeltlich beschäftigten Arbeitnehmer in Zahnarztpraxen verzeichnen. „Dieser Anstieg resultiert insbesondere aus der Zunahme der beschäftigten […] angestellten Zahnärzte“, heißt es dazu im Jahrbuch 2014 der KZBV. Diese Zahlen belegen den bereits seit einiger Zeit vorherrschenden Trend, dass es immer mehr größere Praxiseinheiten mit mehr als einem Behandler gibt. Im KZBV-Jahrbuch heißt es weiter, dass „einerseits Vertragszahnärzte aus der Selbstständigkeit in ein Angestelltenverhältnis gewechselt sind und andererseits Berufsanfänger in stärkerem Maße statt der Selbstständigkeit ein Angestelltenverhältnis bei Vertragszahnärzten gewählt haben“.

Was sind die Gründe für den Wandel? Seit einigen Jahren gelten rechtliche Bedingungen, die die Anstellung begünstigen. Das am 1. Januar 2007 in Kraft getretene Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) wurde zum 1. Juli desselben Jahres durch Änderungen der Bundesmantelverträge präzisiert. „Damit sind neue ‧Möglichkeiten zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs geschaffen. Vertrags‧zahn‧ärzte können nun in erweitertem Umfang Zahnärzte anstellen, Zweigpraxen eröffnen oder gemeinsam überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften gründen“, heißt es dazu im KZBV-Jahrbuch. Die zuvor genannten Zahlen zeigen, dass Zahnärzte in den vergangenen sieben Jahren diese neuen Möglichkeiten genutzt haben.

Die aufwendige Finanzierung der Selbstständigkeit kann ein Hindernis darstellen: Laut „InvestMonitor Zahnarztpraxis“, der vom Informationsdienst des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) herausgegeben wird, erforderte eine Einzelpraxisneugründung im Jahr 2013 mit 427 000 Euro im Durchschnitt ein extrem hohes Gesamtfinanzierungsvolumen. „Als angestellter Zahnarzt kann man viele Vorteile genießen und hat manche Sorgen nicht, die einen Praxisinhaber plagen können“, sagt Dhom. Das hohe Investitionsrisiko bleibe aus, es müssten keine Schulden abgebaut werden. „Ein fleißiger Kollege, der gut zu tun hat, kann als angestellter Zahnarzt viel Geld verdienen – in einer großen Einheit eher als in einer kleinen Einzel- oder Gemeinschaftspraxis“, fügt Dhom an.

Prioritäten setzen: Familienleben wird immer wichtiger

Veränderte Bedürfnisse der Zahnärzte tragen auch zum Anstellungstrend bei: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird immer wichtiger. „Angehende Zahnärztinnen und Zahnärzte legen heutzutage großen Wert auf ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Arbeits- und Familienleben“, sagte Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), beim ersten „Zukunftskongress Beruf und Familie“ auf dem Deutschen Zahnärztetag 2014. Eine geschlechterspezifische Gewichtung lässt sich dabei nicht beobachten. Bei Praxis‧inhaber Dhom ist die Aufteilung diesbezüglich ebenfalls ausgewogen. Bei ihm arbeiten 13 Zahnärzte als Angestellte – sieben Frauen und sechs Männer.

Ein angestellter Zahnarzt muss sich nicht, oder zumindest nicht im gleichen Maße wie der Praxisinhaber, mit den betriebswirtschaftlichen Pflichten der Praxis auseinandersetzen, was zu mehr Freizeit führen kann. „Spezialisierungen sind leichter möglich, Vertretungsregelungen einfacher zu realisieren oder auch die Arbeit von Kolleginnen und Kollegen in Teilzeit“, zählt der bayerische Kammerpräsident Berger auf. Weitere Vorteile für den Angestellten nennt Dhom. Die Tendenz zu größeren Einheiten sieht der Ludwigshafener Zahnarzt als gesamtgesellschaftlichen Trend. Man müsse erkennen, dass wirtschaftliche Ressourcen mit diesen Modellen einfach besser genutzt werden könnten. „In meiner Praxis haben wir ein Schichtsystem von 7 Uhr bis 21 Uhr – das schafft ein Einzelkämpfer nicht. Die Miete und die Geräte kosten aber das Gleiche!“ Berger hält fest, welche positiven Effekte größere Praxen für die Patienten haben: „Diese Praxiseinheiten bieten sicher so manche Vorteile, was den Service oder das Spektrum des Behandlungsangebots angeht.“

Hat die Einzelpraxis überhaupt eine Perspektive?

Dhom glaubt, dass kleine Praxen auf lange Sicht wegen der gedeckelten Einnahmen bei gleichzeitig stark steigenden Kosten nur schwer existieren können. Das allerdings würde die flächendeckende Versorgung auf dem Land gefährden, befürchtet Eßer. Eine aktuelle Analyse der KZBV zeige jedoch, dass es auf Planungsebene derzeit keine Unterversorgung gebe. „An Nachwuchs bei Zahnärzten mangelt es angesichts der Studien- und Approbationszahlen momentan nicht“, ergänzt Eßer – obwohl je nach Bundesland der Numerus clausus für Zahnmedizin zum Wintersemester 2014/15 aufgrund der hohen Nachfrage bei 1,0 bis 1,4 lag.

Es lasse sich jedoch nicht absehen, wie sich das Niederlassungsverhalten der nachkommenden Zahnärztegeneration entwickelt. Um trotz des Trends weg von der Selbstständigkeit und hin zum Anstellungsverhältnis oder zur „alternativen“ Praxisform eine flächendeckende Versorgung ermöglichen zu können, müssen laut Eßer für Einzel- oder Gemeinschaftspraxen attraktive Rahmenbedingungen geschaffen werden: „Das sind zum Beispiel beherrschbare Finanzierungsrisiken, wirtschaftliche Unabhängigkeit durch adäquate Honorierung und eine funktionierende Infrastruktur bei der Gründung neuer Praxen.“

Fakt ist: Wer als Praxisinhaber die Zukunft plant und dazu beispielsweise sein Behandlungsspektrum ausbauen und den Patientenservice erweitern will, der sollte konkret über die Einstellung einer Kollegin oder eines Kollegen nachdenken. Ist diese Entscheidung individuell bewertet und getroffen, kann die Auswahl beginnen. Die Bedingungen der Zusammenarbeit – also die Fragen von Gehalt, Arbeitszeit und Behandlungsschwerpunkt – sind frei verhandelbar.