Recht/Haftung

Neue Urteile zu Arztbewertungsportalen

Arztbewertungsportale stehen dank zweier Gerichtsurteile wieder mal im Fokus. Dabei geht es um die Anonymität der Bewertungen und die Einstufung einer Meinungsäußerung.


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Dass Bewertungsportale für Zahnärzte und Ärzte weiterhin kritisch gesehen werden, ist bekannt. Immer deutlicher wird – gerade in Praxismarketingkreisen – aber auch, dass Patienten bei der Arztwahl immer mehr auf die Bewertungen in diesen Portalen zurückgreifen. Marketingexperten stufen die Bedeutung dieser Portale mittlerweile ähnlich hoch ein wie die einer guten Praxishomepage.

Das Landgericht Stuttgart präzisierte nun in seinem Urteil vom 17. April 2014 (Az. 11 0 28/14) erneut, dass Arztbewertungen selbst dann als Meinungsäußerungen anzusehen sind, wenn sie schlagwortartige Aussagen enthalten, die isoliert betrachtet dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptungen sind. Laut Urteil ist dabei der Gesamtkontext einer Bewertung zu berücksichtigen. Die Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung ist zentral, da Meinungsäußerungen durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt und damit nicht angreifbar sind – vorausgesetzt, die Grenze zur Schmähkritik ist nicht überschritten. Tatsachenbehauptungen dagegen müssen im Streitfall belegt werden

Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung?

Im konkreten Fall hatte ein Berliner Orthopäde gegen zwei Bewertungen seiner beruflichen Tätigkeit durch Nutzer des Arztbewertungsportals jameda (www.jameda.de) geklagt und gefordert, die Kommentare zu löschen. In den Kommentaren äußerte sich ein Patient zum einen zur in seinen Augen mangelnden Kompetenz des Arztes. Zum anderen wurde bemängelt, der Arzt gehe auf das Problem des Patienten nicht ein. Die Klage wurde abgewiesen. Berufung ist derzeit noch möglich.
Während es sich bei der Aussage „nicht wirklich kompetent“ unstreitig um eine Meinungsäußerung handelte, war der Arzt der Auffassung, dass der Kommentar eines Patienten, der Arzt sei auf sein Problem nicht eingegangen, eine unwahre Tatsachenbehauptung darstelle. Das Landgericht (LG) Stuttgart folgt dieser Sicht jedoch nicht. Vielmehr betonen die Richter, dass es sich bei der Vermengung von Tatsachen und Meinungen auch dann um eine Meinungsäußerung handelt, wenn „die gesamte Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder des Meinens geprägt ist“. Auch wenn eine Trennung der Aussage in Tatsachenelemente und in Elemente der Meinungsäußerung ohne Änderung des Sinngehalts der Gesamtaussage nicht möglich ist, handelt es sich um eine Meinungsäußerung. In beiden Fällen kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass es sich noch um zulässige Kritik handelt, da die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund steht.
Außerdem bestätigt das Gericht, dass ein öffentliches Interesse an Bewertungsportalen bestehe und diese nur dann funktionieren, wenn die Anonymität der Patienten bei Meinungsäußerungen gewahrt ist. Meinungsäußerungen sind daher auch anonym zulässig, solange sie „an der Sache orientiert“ sind und keine Schmähkritik darstellen.

“Flucht” in Meinungsäußerung?

Dr. Susanna Zentai, Medizinanwältin aus Köln, sieht in diesem Zusammenhang die Gefahr, dass Patienten bei Bewertungen in Portalen argumentativ in die Meinungsäußerung „fliehen“. Das sei ähnlich wie die regelmäßig vorprogrammierte Behauptung von Patienten (die einen Behandlungsfehler nicht beweisen können), sie seien nicht richtig aufgeklärt worden. Auch dem habe der Bundesgerichtshof (BGH) unlängst einen Riegel vorgeschoben. „Diesen erhoffe und erwarte ich auch bei der ,Grauzone‘ zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung“, erklärt die Expertin. Für den Patienten sei es günstiger, wenn seine Bemerkung als Meinungsäußerung gewertet werde. Für den Arzt sei es besser, wenn es sich um eine Tatsachenbehauptung handeln solle, denn dann sei diese nachprüfbar. Zentai glaubt, dass es wichtig ist, in geeigneten Fällen gegen die Patienten vorzugehen, die Portale und Formulierungen ausnutzen, nicht um anderen Patienten Informationen zukommen zu lassen, sondern Ärzten zu schaden.

BGH-Urteil in Kürze

Weitere Erkenntnisse zum Thema Bewertungsportale könnte auch ein Urteil des BGH bringen, das in den kommenden Wochen erwartet wird. Dabei geht es um die Revision eines Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart. In diesem befanden die Richter am 26. Juni 2013, dass ein Arzt aus Baden-Württemberg Auskunft von dem Bewertungsportal Sanego (www.sanego.de) darüber verlangen darf, wer der Verfasser eines anonymen Kommentars mit negativer Bewertung ist. Das OLG bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz, die Sanego dazu verurteilte, die Bewertung nicht weiter zu verbreiten und Name und Anschrift ihres Verfassers mitzuteilen. Dagegen legte Sanego Revision ein, die beschränkt auf die Frage des Auskunftsanspruchs vom BGH zugelassen wurde. Dabei macht das Unternehmen eine Bestimmung in § 13 des Telemediengesetzes (TMG) geltend, wonach ein Anbieter von Internetdiensten deren Nutzung anonym oder unter Pseudonym ermöglichen muss.