Vermischtes

Windows XP – nichts geht mehr

Seit Microsoft den Support für Windows XP eingestellt hat, sind auch Patienten- und Abrechnungsdaten nicht mehr sicher vor digitalen Angriffen. Zahnärzte, die noch mit dem alten Betriebssystem arbeiten, sollten rasch aktiv werden.



Windows XP ist ein Auslaufmodell. Das heißt: Seit 8. April gibt es für das betagte Betriebssystem keine Sicherheitsupdates mehr. „Microsoft unterstützt Betriebssysteme generell zehn Jahre, Windows XP jedoch weitaus länger, nämlich 13 Jahre. Der Grund für die Abkündigung von Windows XP liegt in einer völlig veralteten Sicherheitsarchitektur, die den heutigen Anforderungen nicht mehr entspricht“, erklärt Irene Nadler, Kommunikationsmanagerin von Microsoft Deutschland.

Trotz umfangreicher Vorankündigungen von Microsoft, den Medien sowie der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und den Dental-Depots blieben etliche Zahnarztpraxen zunächst gelassen. „Etwa 30 Prozent unserer Kunden arbeiten noch mit dem alten Betriebssystem“, berichtet Henning Richter, Geschäftsführender Gesellschafter und Leiter des Bereichs Digital beim Dentalhändler Gerl. Und das, obwohl Gerl Dental bereits im Mai 2013 einen Info-Flyer zum Support-Ende von Windows XP an alle 4200 Kunden verschickt hatte. „Dabei ist jede Praxis, die mit dem Internet verbunden ist, ohne Sicherheitsupdates komplett ungeschützt – Spam, Trojaner, Viren und Hacker haben freien Zugang“, warnt Richter.
Ebenso machte der größte deutsche Dentalfachhandel Henry Schein die Zahnärzte im zweiten Halbjahr 2013 mit einem Flyer auf die Abkündigung des Supports von Microsoft aufmerksam. „Die erste Resonanz war eher gering“, so das Fazit von Thomas Spörer, Vertriebsmanager Digitale Systeme Deutschland. „In der Regel befassen sich die Zahnärzte erst dann mit ihrem PC oder Netzwerk, wenn ein Problem auftaucht.“ Seiner Erfahrung nach haben viele, jedoch längst nicht alle Praxen, einen Internetzugang; für diesen Anteil sei die Abkündigung zunächst uninteressant. „Es passiert ja auch erst einmal gar nichts“, sagt Spörer.

KZBV warnt: Hacker haben freie Bahn

Das sieht die KZBV kritischer: Auch sie habe ihre Kunden frühzeitig und umfangreich auf den Stichtag 8. April durch Artikel in Online- und Printmedien aufmerksam gemacht, sagt Dr. Günther E. Buchholz, KZBV-Vorstand für Datenschutz und Telematik. Seiner Meinung nach besteht höchste Sicherheitsgefahr bei Zahnärzten, die ihre Daten auf alten Rechnern mit Windows XP verwalten. „Wir raten den Praxen aufgrund der Sicherheitslücke dringend umzustellen auf die neuen Betriebssysteme 7 oder 8.1.“ Windows XP, erklärt er, sei lange Jahre Hauptziel von Hackerangriffen gewesen, weshalb Microsoft laufend Sicherheitsupdates entwickelte. „Da es seit April keine Updates mehr gibt, ist alles, was online oder in digitalen Datenbanken gespeichert ist – Passwörter, PINs, Bankdaten – potenzielles Ziel von Datendieben“, warnt Buchholz. „Mittlerweile verbreitet sich aber der Gedanke der Sicherheitslücke unter den Zahnärzten.“

Richter führt die späte Reaktion auch auf mangelnde Professionalität bei der Einrichtung der Praxis-EDV zurück. Obwohl fast alle Bereiche in der Praxis – von der Hygiene bis zu den Patientendaten – digitalisiert seien, „beauftragt ein Drittel aller Zahnärzte keine Fachfirma zum Aufsetzen ihres EDV-Netzwerks“.
In letzter Zeit wurden immer mehr Praxen „wach“, denn schon bald könnte ihre Abrechnungssoftware nicht mehr funktionieren: Auch die Hersteller von Praxismanagement-Programmen beenden ihren Support für Windows-XP-Rechner. „Wir haben unsere 11 000 Kunden im Mai 2014 über ein Support-Ende für Windows XP zum Juni 2015 informiert“, sagt Thomas Lohmann, Vertriebsleiter von Dampsoft. „Bei einem solchen Brief werden die Zahnärzte hellhörig und reagieren, da die Praxismanagement-Software alle Bereiche des Arbeitsalltags beeinflusst“, erklärt Spörer. Weniger Zeit haben die etwa 2900 Nutzer der Praxismanagement-Software „Charlie“ von Solutio – am 28. April informierte der Hersteller seine Kunden über ein Support-Ende für Windows XP zum 31. Juli 2014.

Die Folge: Die EDV-Spezialisten der Dental-Depots haben alle Hände voll zu tun – etliche Praxen fragen nach Systemchecks, deren Kosten sich in der Regel pauschal auf etwa 100 bis 150 Euro belaufen. „Da solche Projekte oft nur außerhalb der Öffnungszeiten der Praxen durchgeführt werden können, muss mit entsprechenden Vorlaufzeiten geplant werden“, sagt Spörer. Als Ergebnis dieser Checks steht oftmals eine Auf- oder gar Umrüstung des gesamten Netzwerks an.

Lieferengpass behindert Neubeschaffung

Dabei ist ein Austausch von Hardware momentan nicht einfach, aufgrund von Lieferengpässen. „Die Lieferzeiten sind um bis zu vier Wochen gestiegen“, sagt Spörer. Denn da gleichzeitig Behörden, Firmen und ganze Kommunen auf neue Rechner umstellen, melden die großen PC-Hersteller Engpässe. Trotz umfassender Bekanntgaben versuchen viele Praxen die Neuanschaffung selbst angesichts teilweise längst ausgedienter PC-Anlagen zu umgehen, sagt Spörer. Oftmals, so der IT-Experte, werden bei System-Checks Computer vorgefunden, die mehr als sechs bis acht Jahre alt sind und bei denen nie ein Update durchgeführt wurde. Hier hilft dann oft wirklich nur eine komplette Umstellung des Systems.
Trotz des Lieferstaus sollten sich Praxen, die weiter mit Windows-XP-Rechnern arbeiten, dringend um eine Aktualisierung kümmern, sagt Richter. „Wer den Austausch des Betriebssystems nicht bis zum 8. April geschafft hat, sollte den Rechner so wenig wie möglich im Internet nutzen“, rät Irene Nadler von Microsoft.
Experten raten dringend dazu, die Betriebssysteme auf Windows 7 oder 8 umzustellen.