Abtretung und Schweigepflicht von Zahnärzten
Die zahnärztliche Schweigepflicht ist ein zentraler Bestandteil des Zahnarzt-Patienten-Verhältnisses. Bei Verstößen drohen neben berufsrechtlichen auch strafrechtliche Sanktionen.
Ihre Grundlage hat die Schweigepflicht im Berufsrecht (vgl. § 7 Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer) sowie im Strafrecht (§ 203 StGB). Naturgemäß macht die Verschwiegenheitsverpflichtung auch vor einer privatärzt‧lichen Verrechnungsstelle nicht Halt. Es verwundert daher nicht, dass die Rechtsprechung die Abtretung einer zahnärztlichen Honorarforderung an eine gewerbliche Verrechnungsstelle, die zum Zweck der Rechnungsstellung und Einziehung unter Übergabe der Abrechnungsunterlagen erfolgt, ohne Zustimmung des Patienten aufgrund des damit verbundenen Verstoßes gegen die ärztliche Schweigepflicht für nichtig hält (grundlegend BGH, Urteil v. 10.07.1991, VIII ZR 296/90). Trotz dieser recht eindeutigen Entscheidung des BGH beschäftigt die Schweigepflichtsverletzung im Zuge der Abtretung von Honorarforderungen die Gerichte immer wieder. Nicht selten wird dieser Einwand vom Patienten als Schutzbehauptung vorgebracht, um sich gegenüber den Honorarforderungen zur Wehr zu setzen.
Auch das höchste deutsche Zivilgericht, der Bundesgerichtshof, musste sich in einer jüngeren Entscheidung erneut mit Fragen der Schweigepflicht bei Abtretung einer zahnärztlichen Honorarforderung auseinandersetzen (BGH, Urteil v. 10.10.2013, III ZR 325/12).
Der BGH hat in dieser Entscheidung erneut auf das Urteil aus dem Jahr 1991 verwiesen und festgehalten, dass die Abtretung einer ärztlichen oder zahnärztlichen Honorarforderung an eine gewerbliche Verrechnungsstelle aufgrund eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB) gem. § 134 BGB nichtig ist, wenn der Patient der damit verbundenen Weitergabe seiner Abrechnungsunterlagen nicht zugestimmt hat.
Der Grund für die Nichtigkeit der Abtretung ist, dass den Zedenten, also denjenigen, der die Forderung abtritt, gem. § 402 BGB die Pflicht trifft, dem neuen Gläubiger die zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen und ihm die zum Beweis der Forderungen dienenden Urkunden, soweit sie sich in seinem Besitz befinden, auszuliefern. Ohne einen Verstoß gegen die Schweigepflicht ist es aber nicht möglich, dieser Verpflichtung nachzukommen.
Der BGH hatte sich mit einem Fall auseinanderzusetzen, in dem es nicht um die primäre Abtretung an das Abrechnungsinstitut ging. Vielmehr sah die vom Patienten unterzeichnete Erklärung die Möglichkeit vor, die Forderung während einer Refinanzierung an eine Bank weiter abzutreten. Im Berufungsverfahren hielt das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig den Honoraranspruch des Abrechnungsinstituts für unbegründet, da die zugrunde liegende Abtretung unwirksam sei. Zwar genüge die Zustimmungserklärung bezüglich des Abrechnungsinstituts den Anforderungen an eine wirksame Entbindung von der Schweigepflicht und den datenschutzrechtlichen Vorgaben; dagegen werde die vertraglich vorgesehene Möglichkeit der Weiterabtretung durch das Abtretungsinstitut an eine Bank zum Zweck der Refinanzierung nicht deutlich gemacht.
Da die Abtretungsmöglichkeit an das Abrechnungsinstitut rechtlich und inhaltlich mit der weiteren Abtretungsmöglichkeit in einem untrennbaren Zusammenhang stehe, sei die Klausel insgesamt unwirksam. Eine sog. geltungserhaltende Reduktion sei nicht möglich.
Der BGH führte insoweit aus, dass eine wirksame Einwilligung i.S.v. § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB voraussetze, dass der Erklärende eine im Wesentlichen zutreffende Vorstellung davon hat, worin er einwilligt, und die Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung zu überblicken vermag. Er muss deshalb wissen, aus welchem Anlass und mit welcher Zielsetzung er welche Personen von ihrer Schweigepflicht entbindet; auch muss er über Art und Umfang der Einschaltung Dritter unterrichtet sein.
Diesen Anforderungen hielt die im strittigen Fall benutzte Klausel stand. Es wurde deutlich, dass der Patient aufgrund der Abtretung in einem späteren Prozess gezwungen sein könnte, gegenüber einem außerhalb des Arzt-Patienten-Verhältnisses stehenden Dritten Einwände gegen die Honorarforderung vorzubringen und dazu u. U. Einzelheiten aus der Krankengeschichte und der Behandlung zu offenbaren.
Der BGH ging also davon aus, dass die Klausel zur Abtretung an das Abtretungsinstitut von der Klausel zur Abtretung an das refinanzierende Kreditinstitut abtrennbar sei, so dass die etwaige Unwirksamkeit der Zweitabtretungsklausel keinen Einfluss auf die andere Klausel hat. Eine untrennbare Verknüpfung liegt nicht vor, so dass eine wirksame Zustimmung zur Weitergabe der Unterlagen gegeben war.
Auch in einem weiteren aktuellen Urteil (LG Detmold vom 18.06.2013, Az.: 1 O 230/12) hat sich ein Patient erfolglos auf eine vermeintlich unwirksame Abtretung berufen. In diesem Urteil berief sich der Patient ebenfalls auf die Unwirksamkeit der Klausel aufgrund einer unklaren Formulierung der Weiterabtretungsklausel.
In diesem Fall war der Beklagte der Auffassung, dass die Klausel deswegen nichtig sei, weil zwar in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Möglichkeit der Abtretung an eine refinanzierende Bank, nicht jedoch die der Weitergabe von Informationen an dieselbe genannt war. Das Gericht ließ diesen Einwand jedoch nicht gelten, da aus dem Zusammenhang zu erkennen gewesen sei, dass die Abtretung an die refinanzierende Bank gleichfalls mit der Weitergabe von Informationen verbunden sein könne.
Factoring sorgt für Diskussionen
Solange es Factoringunternehmen im Zusammenhang mit der Abrechnung von zahnärztlichen Leistungen gibt, gibt es Diskussionen über die Voraussetzungen einer wirksamen Honorarabtretung. Vielfache Unsicherheit gab es in der Vergangenheit schließlich im Hinblick auf die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene Möglichkeit der weiteren Abtretung an refinanzierende Banken. Die Instanzenrechtsprechung war insoweit teilweise widersprüchlich. Einige Gerichte gingen davon aus, dass bei der Abtretung der Forderung aus einer Arztrechnung an ein Abrechnungsunternehmen aus der Einwilligung für den Patienten ersichtlich sein muss, dass im Fall der Weiterabtretung an die refinanzierende Bank die Patientenunterlagen und Behandlungsdaten an diese weitergegeben werden können. Wird gegen diese Regelung verstoßen, so sei die gesamte Abtretungsklausel nichtig. Teilweise wurde auch vertreten, dass die Abtretungsmöglichkeit an einen unbestimmten Dritten zu intransparent sei.
Andere Gerichte haben hingegen die Zweitabtretungsklauseln für wirksam gehalten (so beispielsweise das vorgenannte Urteil des LG Detmold).
Das Urteil des BGH vom 10.10.2013 ist jedenfalls insoweit zu begrüßen, als dass Klarheit geschaffen wird. Dies bedeutet zwar nicht, dass die Zweitabtretungsklausel ohne Weiteres wirksam ist. Die etwaige Unwirksamkeit aber schlägt auf die Abtretungsmöglichkeit an das Abrechnungsinstitut nicht durch. Jedenfalls solange das Abrechnungsunternehmen den Anspruch selbst verfolgt, dürften sich hinsichtlich der Aktivlegitimation keine Probleme mehr stellen. Anders mag dies sein, wenn eine refinanzierende Bank aus abgetretenem Recht klagen sollte. Dies könnte zu einer erneuten Befassung der Rechtsprechung mit der Frage der Wirksamkeit der Abtretungen führen.
RA Jens-Peter Jahn
ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE in Köln. Tätigkeitsschwerpunkte: Zahnarztrecht, insbesondere im Zusammenhang mit Praxisgründungen, -abgaben oder -übernahmen sowie der Gründung oder Umstrukturierung von Kooperationen.
Kontakt: jens-peter.jahn@medizin-recht.com