Abrechnung/GOZ

Abrechnungen über Parodontalchirurgie und Schleimhautplastiken

Was tun, wenn Abrechnungen über Parodontalchirurgie und Schleimhautplastiken nie ohne Beanstandungen seitens der Kostenträger durchgehen? Resignation ist fehl am Platz. Wie berechnungsfähige Vorgehensweisen aussehen können, zeigt das Beispiel der Tuberplastik.



„Neben einer offenen parodontalchirurgischen Therapie nach den Nummern 4090 und 4100 ist die Berechnung der Nummern 3240, 3250, Ä2675 etc. nicht möglich“ – so oder ähnlich lautende Behauptungen liest man in Erstattungsbescheiden privater Krankenversicherer immer wieder. Obwohl dieses Prozedere schon aus der GOZ ’87 hinlänglich bekannt war, scheint diesbezüglich die Novellierung bei den Kostenerstattern nicht stattgefunden zu haben. Denn die verwendeten Textbausteine sind nahezu identisch mit denen vor zehn oder zwanzig Jahren, sieht man von der geänderten Nummerierung der Gebührenziffern einmal ab. Dass Resignation seitens der Zahnärzteschaft hier eine unpassende Reaktion wäre, beweist das Beispiel der „kleinen“ Tuberplastik nach Nummer 3250 GOZ. Um mögliche Berechnungskonstellationen herauszuarbeiten, ist es zunächst unumgänglich, den genauen Leistungsinhalt zu hinterfragen. Was verbirgt sich also hinter dieser oralchirurgischen Maßnahme?

Leistungsinhalt der „kleinen“ Tuberplastik ist eine subtraktiv straffende, gegebenenfalls das Volumen vermindernde oder nach operativem Eingriff die Weichteilstruktur wiederherstellende Schleimhaut- oder Bindegewebsplastik am Tuber des Alveolarfortsatzes rechts oder links. Keineswegs betrifft dies ausschließlich den Oberkiefer mit dem Tuber maxillae, auch im Unterkiefer kann am Tuber mandibulae eine Tuberplastik durchgeführt werden. Der mitunter verbreitete Glaube, dass Tuberplastiken lediglich im Oberkiefer vorkämen, basiert vermutlich auf der Tatsache, dass diese im Oberkiefer meist wesentlich deutlicher ausgeprägt sind als im Unterkiefer und dass man sie oft auch auf Röntgenaufnahmen erkennen kann.

Generell sind Tubera dorsale Abschlussformationen des zahntragenden Kieferanteils, distal vom zweiten beziehungsweise dritten Molar gelegen, die auch im Unterkiefer vorkommen in einer Manifestation als knotige Erhebung über das Kammniveau hinaus. Die Gründe für die Notwendigkeit einer Tuberplastik sind vielfältig. Meist erfolgt sie aus chirurgischen, präprothetischen, parodontaltherapeutischen oder implantologischen Gründen. Häufig anzutreffen ist diese Leistung im Zusammenhang mit Parodontaltherapie und nach operativer Entfernung eines Weisheitszahns. Eine „kleine“ Tuberplastik umfasst weder Volumen vermehrende Weichteilplastik noch Knochenaufbau. Im Gegensatz dazu ist die „große“ Tuberplastik (Ä2675) eine Schleimhaut und gegebenenfalls Knochen darunter neu formende, Tuber schaffende, ergänzende oder vergrößernde Leistung. Weitere Knochen generierende und deckende Leistungen können eine solche Maßnahme ergänzen und daneben gesondert berechnet werden. Man denke zum Beispiel an die Leistung nach Nummer 9090 GOZ für die autologe Auffang-/Schabeknochenimplantation in einen Kieferdefekt zur Weichteilstützung oder auch an die Membranlegung nach 4138 GOZ.

Berechnungsfähig ist die Leistung nach Nummer 3250 je „kleine“ Tuberplastik einer Kieferseite und für jede weitere auf der gegenüberliegenden Kieferseite oder im Gegenkiefer. Im Einzelfall ist ein wiederholter Ansatz nach Änderung der klinischen Situation in einer, vielleicht sogar zwei Folgesitzungen möglich. Ob der Kiefer bezahnt, partiell oder komplett unbezahnt ist, spielt aus gebührenrechtlicher Sicht keine Rolle. So ist folglich auch der Ansatz im unmittelbaren Zusammenhang mit parodontalchirurgischen Leistungen weder ausgeschlossen noch eingeschränkt. Berechnungsfähig ist die Nummer 3250 GOZ neben den Leistungen nach 4070 bis 4100 GOZ in derartigen Fällen distal von endständigen Molaren.

Neben zahlreichen weiteren oralchirurgischen Leistungen ist auch eine Berechnungsfähigkeit im Zusammenhang mit implantologischen Maßnahmen denkbar, wie beispielsweise

  1. neben 9010, 9120 GOZ (Implantatinsertion), distal lokalisiert
  2. neben 9040 GOZ (Implantatfreilegung), distal lokalisiert
  3. neben 9110 GOZ (interner Sinuslift), distal lokalisiert (Auszug aus „Der GOZ-Praxiskommentar“ GOZ ’12).

Wie in allen anderen Bereichen der Zahnmedizin hilft eine sorgfältige Dokumentation der Behandlung bei der Entscheidung, ob und, wenn ja, inwieweit eine Berechnung der Leistung nach Nummer 3250 GOZ zutreffend ist.

Fazit: Berechnungsfähig, aber nur mit präziser Beschreibung und Dokumentation

Eine „kleine“ Tuberplastik ist immer neben Leistungen berechnungsfähig, die keine distale Straffungsplastik im Bereich der Kiefertubera enthalten. Daraus folgt aber auch, dass neben orts- und sitzungsgleichen Nummern 3100 „plastischer Wundverschluss“, 3090 „lokaler Kieferhöhlenverschluss“ oder 3240 „max. zweizahnbreite Vestibulumplastik“ eine Berechnung der partiell inhaltsgleichen, jedoch gleich beziehungsweise geringer bewerteten Nummer 3250 ausgeschlossen ist (§ 4 Abs. 2 GOZ „Bestandteil einer anderen Leistung). Prinzipiell Gleiches gilt für einige schleimhautchirurgische Leistungen aus der GOÄ, wie beispielsweise die Nummer Ä2675 für die „große“ Tuberplastik. Hier ist der Leistungsinhalt – wie deutlich beschrieben – ein anderer und grenzt sich somit von der Leistung nach 3250 GOZ „kleine“ Tuberplastik ab.

Es bleibt festzuhalten: Die eingangs zitierte Behauptung der privaten Krankenversicherer ist weder neu noch gebührenrechtlich zutreffend. Dennoch kommen Transparenz und eine fehlerfreie Abrechnung komplexer oralchirurgischer Eingriffe nur zustande, wenn die Therapiemaßnahmen präzise beschrieben und nachvollziehbar dokumentiert werden.

Steffi Scholl
ist Betriebswirtin für Management im Gesundheitswesen, QM-Praxismanagerin, AZP und arbeitete zehn Jahre lang freiberuflich als Abrechnungsspezialistin. Seit 2011 ist sie bei der Zahnärzt‧lichen Abrechnungsgenossenschaft eG (ZA) in Düsseldorf in der GOZ-Fachabteilung tätig.
Kontakt: sscholl@zaag.de

TERMINE Zahnärztliche Abrechnungsgenossenschaft
23.11.2013     Leipzig
Thema: GOZ-Spezial: 5 meist vergessene, 10 meist beanstandete GOZ/GOÄ-Leistungen; Dr. Peter H. G. Esser
Ort: LeipzigAnmeldung/Information: Agentur Service Conzept
Tel.: 04952 8269480
Service-concept@t-online.de, www.ch-baumeister.de
CME-Punkte: 4, Gebühr: 200 € (Mitglieder), 220 € (Nichtmitglieder)

23.11.2013     München
Thema: Der erfolgreiche Praxisverkauf – Mit Strategie ans Ziel oder Weitermachen mit Erfolg und Freude;
Dr. Susanne Woitzik
Ort: München
Anmeldung/Information: ZA eG, Dr. Susanne Woitzik
Tel.: 0211 5693223; cwolk@zaag.de, www.za-eg.de
CME-Punkte: 2, Gebühr: 99 € (Mitglieder), 149 € (Nichtmitglieder)

06.12.2013     Köln
Thema: Privatbehandlung des GKV-Patienten: Prophylaxe, Zahnerhaltung und Parodontologie; Dr. Peter H. G. Esser
Ort: Köln
Anmeldung/Information: Agentur Service Conzept
Tel.: 04952 8269480
Service-concept@t-online.de, www.ch-baumeister.de
CME-Punkte: 4, Gebühr: 200 € (Mitglieder), 220 € (Nichtmitglieder)