Keine Werbung mit Wort "Spitzenmediziner"
Werbung von Ärzten unterliegt engen Grenzen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund geltenden Wettbewerbsrechts. Dies gilt auch und besonders für das Medium Internet.
Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte am 7. März 2013 eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe (Urt. v. 7. Mai 2012, Az. 6 U 18/11) über die Unzulässigkeit von Werbeaussagen über Ärzte auf einer Internetplattform, indem er die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zurückwies und ihr damit eine Revision verweigerte. Der Betreiber einer Internetplattform, die ein für die Teilnehmer kostenpflichtiges Ärzteverzeichnis mit werbendem Inhalt umfasst, darf nicht ohne Weiteres mit der Behauptung für Ärzte und deren Dienstleistungen werben, dass diese eine Spitzenstellung unter der deutschen Ärzteschaft einnähmen, indem diese als „Spitzenmediziner“ bezeichnet werden. Zudem muss er ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Inhalte der Webseite durch die beworbenen Ärzte finanziert werden. Damit wird die strenge Rechtsprechung des BGH in diesem Bereich aus den 90er Jahren fortgeschrieben.
Die Klägerin, ein eingetragener Verein zur Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen, nahm die Beklagte wegen Werbeäußerungen auf deren Internetseite auf Unterlassung in Anspruch. Der Internetauftritt richtete sich vor allem an Patienten mit schweren Erkrankungen und bezeichnete die dort verzeichneten Ärzte unter anderem als „deutsche Spitzenmediziner“, „von Chefärzten empfohlene Mediziner“ und „Koryphäen“ ihres Fachs. Unter der Rubrik „Hintergrundinfos“ beschreibt die Beklagte ihr Auswahlverfahren und die Kriterien wie langjährige medizinische Erfahrung, die Verwendung neuester diagnostischer und operativer Verfahren, eine hohe Zahl von Fachveröffentlichungen, Forschungspreise usw., auf deren Grundlage durch ein Fachgremium und die Redaktion der Beklagten nach intensiver Prüfung die Spitzenmediziner ausgewählt würden. Keine ausdrückliche Erwähnung findet die Tatsache, dass nur die Ärzte gelistet werden, die bereit sind, dafür eine erhebliche Gebühr zu bezahlen, und dann für den gebuchten Zeitraum „exklusiv“ für ein bestimmtes Gebiet gelistet werden.
Kompetenzvorsprung durch taugliche Kriterien belegen
Während das Landgericht (LG) Heidelberg in den Inhalten des Internetauftritts keinerlei Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) erkannte, sah das OLG Karlsruhe das UWG gleich in mehrfacher Hinsicht verletzt: Die Werbung mit einer Spitzengruppenstellung sei vorliegend unzulässig, da die Beklagte die ihr obliegende Pflicht versäumt habe, die Wahrheit dieser Werbeaussage ausreichend darzulegen, also insbesondere aufzuzeigen, anhand welcher tauglichen Kriterien und unter welcher Gewichtung dieser Kriterien sie einen „deutlichen Vorsprung“ an Kompetenz ermittelt habe, der für Spitzengruppenwerbung notwendig sei. Denn schon die benannten Kriterien (nachgewiesene Spezialisierung, mindestens zehn Jahre fachärztliche Berufserfahrung, zahlreiche Publikationen usw.) seien in Anlehnung an die „Die Besten I und II“-Rechtsprechung des BGH (BGH GRUR 1997, 912 – Die Besten I und BGH 1997, 914 – Die Besten II) für die Darlegung nicht aussagekräftig. Weder eine häufige Vornahme bestimmter Eingriffe, noch längere Berufserfahrung, noch eine Vielzahl von Fachpublikationen, noch akademische Titel oder Forschungsauszeichnungen, noch die Reputation des Arztes bei Fachkollegen seien demnach geeignet, die Qualifikation des Arztes bei der Heilbehandlung zu bewerten.
Die Bezeichnungen „Spitzenmediziner“ und „Top-Fachärzte“ aus den Inhalten des Internetauftritts bewertete das OLG Karlsruhe auch nicht wie noch das LG Heidelberg als bloße nichtssagende Anpreisungen, bei denen eine Prüfung des Wahrheitsgehalts nicht vorgenommen werden muss („wäscht weißer als weiß …“).
Anders als noch das Landgericht nahm das OLG Karlsruhe auch nicht an, der von der Werbung betroffene Personenkreis sei beschränkt auf schwer erkrankte und daher besonders interessierte und informierte Verbraucher, sondern umfasse jede Person, die in diese Situation geraten kann, und daher dem Grunde nach jeden Verbraucher, sodass kein besonderer Maßstab bei der Bewertung der Werbeaussagen anzulegen ist. Zudem seien schwer erkrankte Hilfesuchende besonders empfänglich für Versprechungen aller Art. Damit verstoßen die Inhalte der Webseite nach Ansicht des OLG Karlsruhe gegen § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG, da die Inhalte unwahre und zur Täuschung geeignete Angaben über die bezeichneten Personen und deren Befähigungen enthalten.
Darüber hinaus handle es sich bei den Inhalten um als Information getarnte Werbung, da die Inhalte sich als von den Ärzten finanzierte redaktionelle Inhalte darstellten. Die Gestaltung täusche eine objektive neutrale Berichterstattung vor. Das verstoße gegen § 3 Abs. 3 i.V.m. Anhang Nr. 11 zu § 3 Abs. 3 UWG. Für das OLG Karlsruhe ergibt sich diese Wertung aus einer Gesamtschau der Beschreibung „Spitzenmediziner“ im Zusammenhang mit der Rubrik „Hintergrundinformationen“ und der Aussage, die Auswahl erfolge durch die zuständige „Redaktion“.
Patientenwerbung richtet sich nicht nur an einen beschränkten Personenkreis
Einen weiteren Verstoß sah das erkennende Gericht in der fehlenden Kenntlichmachung, dass die Internetdarstellung durch die beworbenen Ärzte finanziert werde. Denn nach § 3 Abs. 3 UWG und den Inhalten der diesem Gesetz zugrunde liegenden EU-Richtlinie müsse über diesen Umstand aufgeklärt werden. Eine Revision vor dem BGH ließ das OLG Karlsruhe nicht zu. Eine hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BGH zurückgewiesen, womit die Entscheidung nicht mehr angreifbar ist.
Das OLG Karlsruhe führt damit die Rechtsprechung des BGH zu Werbeaussagen im gesundheitlichen Bereich fort. Dabei sind solche Werbeaussagen – wie hier – nicht per se rechtlich unmöglich. Nur hat die Beklagte es versäumt, der angepriesenen Auswahlentscheidung den notwendigen Unterbau bereitzustellen, um vor Gericht bestehen zu können. Bemerkenswert ist zudem, dass sich nach der Lesart des OLG Karlsruhe Patientenwerbung stets nicht nur an einen beschränkten Personenkreis richtet, sondern an jeden, da jeder Patient werden könne.
Bezeichnung „Spezialist“ kann grundsätzlich zulässig sein
Die Entscheidung verdeutlicht die Vielzahl wettbewerbs- und werberechtlicher Stolperfallen, die beachtet werden wollen. Denn während mit einer „Spitzenstellung“ eines Arztes nicht geworben werden darf, kann die Bezeichnung als „Spezialist“ grundsätzlich zulässig sein. So entschied es das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 8. Januar 2002, 1 BvR 1147/01) in einem Fall, in dem eine Klinik für zwei ihrer Ärzte als „Spezialist für Knie- bzw. Wirbelsäulenchirurgie“ warb. Die Ärzte waren Fachärzte für Orthopädie und hatten in dem jeweiligen Bereich bereits 7.000 Wirbelsäulen- und 13.000 Knieoperationen vorgenommen.
Für die Bewertung der Werbung als zulässig kommt es nach dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) darauf an, ob die Werbung eine interessengerechte und sachangemessene Information darstellt, die nicht zu Irrtümern oder Verwechslungen zugunsten eines Werbeeffekts führen kann. Das sei bei dem Begriff „Spezialist“ der Fall. Eine Spezialisierung auf Knie- bzw. Wirbelsäulenoperationen liege auf der Hand. In diesem Punkt besteht der maßgebliche Unterschied zur vorliegenden Entscheidung, denn der Beweis der „Spitzenstellung“ der beworbenen Ärzte ist nach Ansicht des OLG Karlsruhe nicht erbracht worden.
Angesichts der hohen Hürden, die der BGH (Die Besten I und II) für den Nachweis einer Spitzenstellung aufgestellt hat, ist dies der Sache nach wohl auch nur schwer möglich. Denn der Ausschluss der aufgeführten Bewertungskriterien als untauglich zum Nachweis einer Spitzenstellung eines Arztes in seinem Fachgebiet erscheint derart weitreichend, dass er einem Totalverbot nahekommt.
Bezahlte Werbeinhalte müssen kenntlich gemacht werden
Neu ist zudem die zusätzliche Verpflichtung zur Anzeige, dass die Inhalte durch die beworbenen Personen finanziert werden, die das OLG durch eigene Auslegung der entsprechenden EU-Richtlinie feststellt. Daraus ergibt sich eine weitere Rechtspflicht, die es zur Vermeidung von Abmahnungen durch Verbraucherzentralen und Unterlassungsverfahren – wie vorliegend – zu beachten gilt.
Wenn das Werberecht im Gesundheitswesen auch in den letzten Jahren eine fortschreitende Liberalisierung erfahren hat, sind Werbeaussagen nach wie vor begrenzt auf eine interessengerechte und sachangemessene Information, die nicht zu Verwechslungen führen kann. Bei Werbeaussagen ist vor diesem Hintergrund stets Vorsicht geboten, ob die getätigte Aussage stichhaltig und wasserdicht zu beweisen ist.
RA Jens-Peter Jahn ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE in Köln. Tätigkeitsschwerpunkte: Zahnarztrecht, insbesondere im Zusammenhang mit Praxisgründungen, -abgaben oder -übernahmen sowie der Gründung oder Umstrukturierung von Kooperationen.
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