Aktueller Fall: Grenzen der Zahnmedizin
Wo hört die Zahnheilkunde auf, und wo fängt eine kosmetische Behandlung an? In einem aktuellen Fall wurden die Grenzen zum Heilpraktikergesetz deutlich abgesteckt.
Ärzte und Heilpraktiker dürfen kosmetische Heilbehandlungen außerhalb des Mundes durchführen, Zahnärzte nicht. Gegen diesen Umstand klagte sich eine Zahnärztin durch mehrere Instanzen. Das vorerst letzte Urteil fiel im April 2013.
Die Vorgeschichte
Eine approbierte Zahnärztin teilte der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe mit, dass sie im Rahmen der zahnärztlichen Tätigkeit künftig auch Faltenunterspritzungen vornehmen wolle. Angedacht waren Mesotherapie und Injektionslipolyse im Gesichts- und Halsbereich, Faltenunterspritzung mit doppelvernetzter Hyaluronsäure sowie die Anwendung von Botulinumtoxin. Doch die Kammer untersagte ihr dies. Gegen diesen Bescheid reichte die Zahnärztin Anfang 2009 Klage ein.
Zwei Jahre später, am 19. April 2011, wies das Verwaltungsgericht Münster die Klage ab. Der Ansicht der Richter nach ermächtige die zahnärztliche Approbation nur zu Tätigkeiten, die den Bereich der Zähne, des Mundes und des Kiefers beträfen. Die von der Klägerin beantragten Behandlungen seien aber vielmehr dem Naso-Labial-Bereich und anderen Bereichen der Gesichtshaut und des Halses zuzuordnen. Und da es sich bei den beabsichtigten Tätigkeiten um die Ausübung von Heilkunde im Sinne des Heilpraktikergesetzes (HeilprG) handele, sei dafür eine ärztliche Approbation beziehungsweise eine Heilpraktikererlaubnis erforderlich. Diese könnte die Klägerin nicht vorweisen.
Doch die Zahnärztin gab nicht auf. Sie legte Berufung ein und blitzte damit in diesem Jahr erneut ab. In seinem Urteil vom 18. April 2013 untersagte das Oberverwaltungsgericht NRW erneut die schönheitschirurgischen Behandlungen (Az.: 13 A 1210/11). „Die Klägerin verfügt über eine Approbation als Zahnärztin. Diese ermächtigt sie, die Zahnheilkunde unter der Berufsbezeichnung Zahnärztin dauerhaft auszuüben (§ 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 ZHG). Mit den von ihr beabsichtigten Tätigkeiten übt die Klägerin jedoch keine Zahnheilkunde aus, weil diese Tätigkeiten final auf einen Eingriff außerhalb des räumlich abgrenzbaren Bereichs der Zähne, des Mundes und des Kiefers gerichtet sind“, lautete die Begründung.
Das zahnärztliche Tätigkeitsfeld umfasse nur solche Behandlungsmaßnahmen, die ihren unmittelbaren Ansatz im Bereich der Zähne, des Mundes und des Kiefers finden. Eine Ausnahme könne angebracht sein, wenn ein notwendiger begleitender Übergriff auf die Gesichtshaut bei bestimmten zahnärztlichen chirurgischen Behandlungen medizinisch indiziert sei. Liege der Fokus hingegen von vornherein auf der Behandlung außerhalb des Bereichs der Zähne, des Mundes einschließlich der bei natürlichem Verständnis dazugehörigen Lippen und des Kiefers, so sei dies von der zahnärztlichen Approbation nicht erfasst.
Der Blick auf Europas Richtlinien
Eine andere Betrachtung ergibt sich nach Ansicht des OVG NRW ebenfalls nicht aus den europäischen Richtlinien (Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen). Zwar gehört neben der Behandlung von Zähnen, Mund und Kiefer auch die des „dazugehörigen Gewebes“ zu den Tätigkeiten eines Zahnarztes. Die Aufführung dieses dazugehörigen Gewebes lasse indes schon bei natürlicher Betrachtungsweise nicht darauf schließen, dass damit auch der Naso-Labial-Bereich und sonstige Bereiche der Gesichtshaut und des Halses gemeint sein sollen.
Weitere Argumente wurden ebenfalls abgeschmettert. So seien auch die abrechnungsrechtlichen Vorschriften der BEMA-Z und der Gebührenordnung für Zahnärzte grundsätzlich nicht geeignet, die Grenzen der zahnärztlichen Approbation zu bestimmen, befand das Gericht. Und ein Verstoß gegen das Grundgesetz könne auch nicht festgestellt werden: „Die Beschränkung der zahnärztlichen Tätigkeiten verstößt auch weder gegen Art. 12 Abs. 1 noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG, denn der Klägerin bleibt es unbenommen, neben ihrer Tätigkeit als Zahnärztin einer weiteren, nicht auf den Bereich der Zähne, des Mundes und des Kiefers beschränkten (heilkundlichen) Tätigkeit nachzugehen“, urteilte das OVG NRW.
Zahnarzt: ein klar definierter Aufgabenbereich
Fazit: Eine zahnärztliche Approbation berechtigt nur zur Vornahme von Behandlungen, die gemäß § 1 Abs. 3 ZHG dem zahnärztlichen Tätigkeitsbereich zuzuordnen sind. Dieser Passus lautet: „Ausübung der Zahnheilkunde ist die berufsmäßige auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Als Krankheit ist jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer anzusehen, einschließlich der Anomalien der Zahnstellung und des Fehlens von Zähnen.“
Wird der definierte Bereich überschritten, deckt die zahnärztliche Approbation die Erbringung dieser Leistungen nicht ab – und der Zahnarzt riskiert im Fall eines Verstoßes neben haftungsrechtlichen auch strafrechtliche Konsequenzen.
RA Jens-Peter Jahn ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE in Köln. Tätigkeitsschwerpunkte: Zahnarztrecht, insbesondere im Zusammenhang mit Praxisgründungen, -abgaben oder -übernahmen sowie der Gründung oder Umstrukturierung von Kooperationen.