GOZ: Verfassungsbeschwerde unzulässig
Das Bundesverfassungsgericht hat es abgelehnt, die Verfassungsbeschwerde gegen die GOZ 2012 zur Entscheidung anzunehmen. Der Nichtannahmebeschluss scheint nicht veröffentlicht zu sein, jedoch ist bekannt, dass das Gericht sich nicht zu seinen Gründen für diese Ablehnung geäußert hat. Hierzu ist das Bundesverfassungsgericht auch nicht verpflichtet.
Für Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gibt es Regeln, Grundsätze und Konsequenzen, die für jeden verständlich in einem kurzen Merkblatt auf der Homepage des Bundesverfassungsgerichts dargestellt sind. Der erste Satz des Merkblatts über die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht lautet: „Jedermann kann Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben, …“.
Tatsächlich legen nicht wenige Privatpersonen und juristische Laien immer wieder erfolgreich eine Verfassungsbeschwerde ein. Andererseits musste selbst Prinzessin Caroline von Monaco – anwaltlich sicherlich gut vertreten – vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern. Sie hatte sich dagegen zu wehren versucht, dass Urlaubsbilder von ihr und ihrem damaligen Mann veröffentlicht werden dürfen. Allerdings war die Verfassungsbeschwerde der Prinzessin immerhin zur Entscheidung angenommen worden.
Grundsätzlich kann also jedermann eine Verfassungsbeschwerde einlegen. Hierzu bedarf es – anders als bei einem Verfahren vor beispielsweise den Landgerichten, Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof – nicht einmal eines Anwalts. Jedenfalls nicht aus Formgründen.
Auch fallen beim Bundesverfassungsgericht – ebenfalls anders als bei den meisten anderen Gerichten – keine Gerichtskosten an. Ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht kann im Einzelfall also sowohl personell als auch finanziell mit wenig Aufwand betrieben werden.
Bundesverfassungsgericht will “unsinnige” Verfahren vermeiden
Damit es nicht zu einer Schwemme „unsinniger“ Verfahren kommt, hat das Bundesverfassungsgericht die Hürde der Annahme der Verfassungsbeschwerde errichtet. Es nimmt eine Verfassungsbeschwerde erst gar nicht zur Entscheidung an, wenn der Rechtsweg nicht erschöpft wurde oder die Verfassungsbeschwerde ersichtlich unbegründet ist.
Diese Hürden hat das Bundesverfassungsgericht aktuell in einem Nichtannahmebeschluss (Az. 1 BvR 1578/12), der allerdings nichts mit dem Verfahren um die GOZ zu tun hat, noch einmal erläutert. Es hielt in diesem Fall die Verfassungsbeschwerde aus zwei Gründen für unzulässig.
Zum einen genügte die Verfassungsbeschwerde mangels Erschöpfung des Rechtswegs nicht dem Grundsatz der Subsidiarität. Vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde muss ein Beschwerdeführer gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG den in der maßgeblichen Prozessordnung vorgesehenen Rechtsweg erschöpfen. Ausnahmen hiervon sind eng begrenzt.
Es kann spekuliert werden, dass das Bundesverfassungsgericht auch im Hinblick auf die GOZ die Erschöpfung des Rechtswegs verlangt. Dies ist aber reines Mutmaßen, da von der Rechtswegerschöpfung abgesehen werden kann, wenn die Beschwerde von allgemeiner Bedeutung ist beziehungsweise argumentiert werden kann, dass gegen die Rechtsverordnung GOZ kein eigener Rechtsweg eröffnet ist.
Eher in Betracht kommt, dass das Bundesverfassungsgericht die Substantiierung der Verfassungsbeschwerde als nicht ausreichend ansah. So führt das Bundesverfassungsgericht in dem oben erwähnten Beschluss aus: „Gemäß §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG ist ein Beschwerdeführer gehalten, den Sachverhalt, aus dem sich die Grundrechtsverletzung ergeben soll, substantiiert und schlüssig darzulegen.
Beschwerdeführer muss darlegen, inwieweit das Recht verletzt sein soll
Er ist des Weiteren verpflichtet, das angeblich verletzte Grundrecht oder grundrechtsgleiche Recht zu bezeichnen und substantiiert darzutun, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Recht verletzt sein soll (…). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss der Beschwerdeführer anhand dieser Maßstäbe aufzeigen, inwieweit seine Grundrechte durch die angegriffene Maßnahme verletzt sein sollen … .“
Nicht vergessen werden darf dabei, dass dem Bundesverfassungsgericht – im wahrsten Sinne des Wortes – existenzielle Eingriffe in Grundrechte des Beschwerdeführers dargelegt werden müssen.
Die Annahme einer Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht ist also die erste große Hürde, die genommen werden muss. Unmöglich ist das freilich nicht. Hinreichend bekannt sein dürfte zum Beispiel der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25.10.2004 (Az. 1 BvR 1437/02), mit dem die Verfassungsrichter die Abrechnung über dem 3,5-fachen Faktor gestärkt haben, um zu gewährleisten, dass das zahnärztliche Honorar, gemessen an der erbrachten Leistung, ausreichend ist. Das Bundesverfassungsgericht führte aus:
„Der Beschwerdeführer hat als ausschließlich privat tätiger Zahnarzt keine Möglichkeit, Leistungen außerhalb der Gebührenordnung für Zahnärzte anzubieten und abzurechnen. Geht man davon aus, dass der 2,3-fache Steigerungssatz der Gebührenordnung der Vergütung entsprechender Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht, besteht innerhalb des – ursprünglich deutlich weiter bemessenen – gesetzlichen Rahmens wenig Spielraum für die Berücksichtigung qualitativer Besonderheiten.
Wo aber wegen des besonderen Aufwandes einer Leistung eine angemessene Vergütung durch den vorgegebenen Gebührenrahmen nicht mehr gewährleistet ist, bedarf es einer Öffnungsklausel, die im Einzelfall ein Abweichen von der Gebührenordnung erlaubt. Damit wird sichergestellt, dass dem Leistungserbringer nicht unangemessen niedrige Vergütungssätze oder von ihm abgelehnte Leistungsstandards zugemutet werden.
Richterschelte sollte vermieden werden
Den Patienten steht es frei, die Leistung eines anderen Anbieters ‚einzukaufen‘, wenn ihnen der Preis zu hoch erscheint. Die Gebührenordnung geht – wie jede typisierende Regelung – von einem mittleren Standard bei der Leistungsqualität aus. Soweit Leistungen von außergewöhnlicher Qualität in Anspruch genommen werden, besteht kein schützenswertes Interesse daran, diese Leistung nur in dem vom Normgeber vorgegebenen ‚üblichen‘ Rahmen zu vergüten.“
Dieses federführend von einem einzelnen Zahnarzt geführte Verfahren wurde vom Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung angenommen und war erfolgreich. Dies zeigt, dass das Bundesverfassungsgericht es nicht tendenziell ablehnt, sich mit den berechtigten Interessen der Zahnärzte – wenn es um die Frage eines hinreichenden Honorars geht – auch inhaltlich auseinanderzusetzen.
Richterschelte, abgeleitet allein aus der Tatsache, dass die Verfassungsbeschwerde gegen die GOZ 2012 nicht angenommen wurde, sollte daher tunlichst vermieden werden. Die Verfassungsrichter sind nicht verpflichtet, ihre Entscheidung zu begründen. Über die Gründe, warum sie es in diesem Fall nicht getan haben, kann ebenfalls nur spekuliert werden.
Es mag sein, dass das Bundesverfassungsgericht nicht ausschließt, in naher Zukunft unter dem Stichwort „Bürgerversicherung“ sehr grundlegende Betrachtungen zur Finanzierung des Gesundheitswesens und der Honorierung von Zahnärzten und Ärzten anstellen zu müssen. Diese Überlegung eignet sich jedoch nicht für die Begründung eines Nichtzulassungsbeschlusses.
Dr. Susanne Zentai ist Medizinanwältin in der Kanzlei Dr. Zentai – Heckenbücker in Köln und als Beraterin sowie rechtliche Interessenvertreterin verschiedener (Zahn-)Ärztlicher Berufsvereinigungen tätig. Sie ist Justiziarin des BDO und der PZVD. Außerdem ist sie Lehrbeauftragte der Hochschule Fresenius (Bereich Medizinrecht). Kontakt: kanzlei@d-u-mr.de