Medizinproduktegesetz: Sorge um Altbewährtes
Die dreijährige Übergangsfrist der Medizinprodukte-Verordnung (MDR) ist im Mai vorbei. Bis dahin sollen alle Dentalprodukte neu bewertet sein. Die Re-Zertifizierung altbewährter Produkte läuft jedoch nicht so reibungslos wie geplant. Christian Berger, Präsident des BDIZ EDI und der Bayerischen Landeszahnärztekammer, erklärt im Interview, welche Befürchtungen durch das Medizinproduktegesetz entstehen.
Herr Berger, ist tatsächlich ein Produktesterben zu befürchten?
Berger: Ja, das fürchten wir! Wir Zahnärzte haben natürlich ein großes Interesse daran, dass alle Medizinprodukte, die wir anwenden, sicher sind. Wir wollen Materialien und Instrumente haben, mit denen wir unsere Patienten unbedenklich behandeln können. Das fängt bei den Materialien für Kunststofffüllungen an und hört beim Implantat immer noch nicht auf. Wir haben aber die Sorge, dass die Re-Zertifizierung durch das Medizinproduktegesetz ohne Rücksicht auf Maß und Ziel erfolgt. Die bisher verwendeten Medizinprodukte sind erprobt und zugelassen. Wir wehren uns dagegen, dass nun für diese Medizinprodukte von einem Tag auf den anderen durch neue Risikoklassen und eine Neuzertifizierung sehr hohe zusätzliche Hürden kommen sollen. Ich verstehe, dass neue Materialien und Produkte getestet, untersucht und zugelassen werden müssen. Aber die Zulassung bisheriger und bewährter Materialien und Medizinprodukte einfach aufzuheben, ohne für sie einen Ersatz zu haben, bedroht natürlich unsere tägliche Arbeit in den Praxen.
Auf welche Produkte trifft das zu?
Berger: Die Bandbreite der Medizinprodukte reicht von Mundspiegeln, der bei Zahnärzten verwendet wird, um die Wange abzuhalten, über Implantate, die in den Knochen eingebracht werden, bis hin zu Füllungsmaterialien wie Kompositen und Co. Wir sind schon einmal froh darüber, dass die Risikoklasse 1 r – einfachere Materialien, aber auch wiederverwendbare chirurgische Instrumente wie Zahnzangen etc. – eine längere Übergangsfrist bekommen hat. Die Übergangsfrist für diese Medizinprodukte geht jetzt ja noch bis 2024 weiter. Das hilft aber nur temporär, nicht endgültig. Denn noch vor Ablauf dieser Frist droht der nächste Stau, weil alle diese Medizinprodukte in der Zwischenzeit eine (teure) Neuzertifizierung bekommen müssen. Die Benannten Stellen, die diese Materialien testen, sind personell nicht nur unterbesetzt, ihre Anzahl ist auch sehr viel geringer als bisher. Und in der Forschung und in der Produktion und Testung muss sich ein großer Wandel vollziehen und die Vorschriften im Medizinproduktegesetz lassen für diesen Wandel nicht genügend Zeit.
Wird das zum Beispiel für kleinere Implantathersteller ein Problem?
Berger: Nicht nur für kleine Implantatfirmen, sondern für alle kleineren Hersteller. Nur Big Player können sich rasch eine aufwendige und teure Zertifizierung vieler Medizinprodukte leisten. Für Instrumente, die nur in geringer Stückzahl verkauft werden, lohnt sich der Aufwand auch für einen großen Hersteller nicht – diese Produkte werden einfach verschwinden. Und – wie gesagt – es gibt viel zu wenig Benannte Stellen, die auch noch zu wenig Personal haben.
Wie hilft der BDIZ EDI nun weiter?
Berger: Wir kämpfen dafür, dass die Neuzertifizierung aller bereits zugelassener Materialien und Produkte durch das Medizinproduktegesetz deutlich längere Fristen bekommt und Bewährtes nicht einfach vom Markt verschwindet. Für uns war es ein erster Schritt, dass die einfacheren Materialien und Medizinprodukte der Klasse 1 r jetzt eine längere Übergangsfrist haben. Das wird dazu führen, dass im Juni nicht anders behandelt werden muss als im Mai oder April. Aber – wie gesagt – wir kämpfen für deutlich verlängerte Übergangsregelungen: Nicht nur für die einfachen Mundspiegel und Zahnzangen, sondern für alle Materialien und Medizinprodukte, die bisher eine Zulassung haben.
Der Experte
Christian Berger
Präsident des BDIZ EDI und der Bayerischen Landeszahnärztekammer