Implantatprothetik

Backward Planning: Das sind die Erfolgsgaranten

Fast ein Viertel der über 65-Jährigen ist bereits komplett zahnlos oder hat nur noch wenige Restzähne. Welche festsitzenden Versorgungen sich bei bestehender oder drohender Zahnlosigkeit anbieten und wie sich Implantate und Implantatprothetik zum Beispiel mittels Backward Planning einfach umsetzen lassen, erklärt Dr. Jan Spieckermann.


Backward Planning Implantate

Digitales Wax-up und Einprobe der gedruckten Zahnaufstellung im Patientenmund. © Spieckermann


In welchen Fällen favorisieren Sie die geführte Implantation?

Spieckermann: Die Hauptindikation sehe ich bei zahnlosen Patienten bzw. bei Patienten, die kurz vor der Zahnlosigkeit stehen. Um ihnen wieder eine festsitzende Versorgung zu ermöglichen, bieten wir das COMFOUR-Konzept an, das sich in unserer Praxis inzwischen etabliert hat. Das chirurgische Protokoll sieht im Unterkiefer vier, im Oberkiefer sechs Implantate vor. Im anterioren Kieferbereich werden gerade Implantate inseriert, in der posterioren Region können die Implantate zur Schonung sensibler anatomischer Strukturen auch schräg gesetzt werden. Mit diesen Optionen lässt sich das vorhandene Knochenvolumen optimal ausnutzen. Allerdings braucht es eine gute Planung der Implantate, z.B. mittels Backward Planning.

Bei der Versorgung von Einzelzahnlücken setzen Sie die Implantate freihand?

Spieckermann: Nein, ich gehe immer über ein Wax-up und eine OP-Schablone. Nur in Freiendsituationen definieren wir die Implantatposition über eine klassische Bohrschablone.

Also ohne die SMOP-Software zu nutzen?

Spieckermann: Richtig, es sei denn, wir planen eine Sofortversorgung. Dann kann ich dank der geführten Implantologie im Vorfeld die Prothetik im Partnerlabor präfabrizieren bzw. über DEDICAM vorab fertigen lassen und am OP-Termin direkt einsetzen.


Preiswerter ist die Chairside-Fertigung …

Spieckermann: Das stimmt. Können sich Patienten die full-guided implantology nicht leisten, wünschen aber eine Sofortversorgung, fertige ich das Provisorium chairside.

Wie gehen Sie da vor?

Spieckermann: Ich fertige ein konventionelles Provisorium im Mund. Diese Technik ist allerdings für den Patienten wie auch für mich nicht so komfortabel und auch nicht so präzise. Der OP-Situs muss so mit Kofferdam abgedeckt werden, dass der Kunststoff nicht eindringen kann und die Heilung beeinträchtigen könnte. Die basalen Auflagen müssen für eine optimale Hygienefähigkeit der chairside erstellten Provisorien nach wenigen Tagen korrigiert werden.

Zurück zum Backward Planning für Implantate. Was sind die „Erfolgsgaranten“?

Spieckermann: Gleichgültig ob full-guided oder konventionell – für das Backward Planning ist das prothetische Ziel ein Muss. Wir müssen vorab definieren, wie später restaurativ gearbeitet werden soll. Dafür braucht es ein Wax-up, das man digital erstellen kann. Im Idealfall liegt ein Situationsmodell der Ausgangssituation vor, also ein Modell der ursprünglichen Zahnpositionen. Teilweise lässt sich auch die vorhandene Totalprothese des Patienten nutzen. Dabei gilt es allerdings kritisch zu prüfen, ob alle Parameter der okklusalen Ausrichtung des Zahnersatzes wirklich stimmen, und ob die Aufstellung mit Blick auf das ästhetische Outcome tatsächlich funktioniert.


Bitte beschreiben Sie das Protokoll für das Backward Planning der Implantate konkret. Wie lässt sich die Prothese des Patienten nutzen?

Spieckermann: Wir starten beim Backward Planning mit einem digitalen Wax-up, fräsen oder drucken die Zahnaufstellung. Anschließend überprüfen wir Zahnstellung, Phonetik und Ästhetik im Patientenmund.

Sie gehen quasi von der digitalen Welt zurück in die analoge?

Spieckermann: Richtig – und werden anschließend gleich wieder digital. Kommt der Patient mit der Zahnaufstellung gut zurecht, planen wir anhand dieser Parameter mittels Backward Planning die Positionen der Implantate. Dafür braucht es die knöcherne Situation, also die DICOM-Daten, die STL-Daten und die virtuelle Zahnaufstellung. Diese drei Datensätze nutzen wir zur Planung in der SMOP-Software und zum Druck der Implantatschablone für die geführte Implantatinsertion.


Formen Ihre Überweiser bereits digital ab, oder erhalten Sie vor allem gescannte Modelle?

Spieckermann: Noch formt das Gros der Zahnärzte konventionell ab; die Modelle werden im Labor digitalisiert. Aber unsere Überweiser kennen unseren Workflow, und es ist inzwischen ein Trend in die Richtung digitale Abformung und Datenakquise erkennbar.

Müssen es stets DVT-Aufnahmen sein, wenn man sich für Implantate mittels Backward Planning entscheidet?

Spieckermann: Wenn man die SMOP-Software nutzen möchte, ja! Grundsätzlich ist ein DVT selbstverständlich nicht in allen Fällen fürs Backward Planning erforderlich, vielleicht in einem Drittel unserer Fälle. Wir setzen auch viele Einzelimplantate im ortsständigen Knochen. Da reicht die 2D-Aufnahme. Die 3D-Diagnostik nutzen wir bei komplexen Fällen, wenn die Einschätzung des Knochenangebots oder der angrenzenden anatomischen Strukturen es erfordern – und natürlich bei der full-guided Sofortimplantation und -versorgung zahnloser Kiefer.

Backward Planning Implantate Software

DVT-Aufnahme mit freigestelltem Vestibulum durch Einlegen von Watterollen. © Spieckermann

Worauf gilt es bei der DVT-Aufnahme zu achten?

Spieckermann: Liegt das Weichgewebe am Kieferkamm an, lässt sich eine DVT-Aufnahme kaum interpretieren: Zwischen Gingiva und Wange ist kein Unterschied zu erkennen. Um das Vestibulum freizustellen, hilft das Einlegen einer Watterolle. Nur dann ist erkennbar, dass die Weichgewebe auf dem Kieferkamm und am Knochen anliegen. Und: Die Zunge darf bei der DVT-Aufnahme nicht am Gaumen anliegen. Ist das der Fall, lässt sich auch die Zunge in der DVT-Aufnahme nicht vom Gaumen unterscheiden. Bei sehr vielen DVT-Aufnahmen sind die Kontraste im Bereich der Kieferkämme zu gering, und eine eindeutige Zuordnung der STL-Daten ist somit erschwert.

Kommen wir zur Primärstabilität. Braucht es trotz der Verblockung bei der COMFOUR-Versorgung eine Primärstabilität von 35 Ncm?

Spieckermann: Unbedingt. Erreicht das Eindrehmoment weniger als 35 Ncm bei allen Implantaten, lasse ich gedeckt einheilen. Der Patient erhält eine weichbleibend unterfütterte Prothese als temporären Ersatz. Erreicht ein Implantat, allerdings nicht das endständige, diese Primärstabiliät nicht, kann die verschraubte Brücke eingesetzt werden.


Lässt sich auch die neue PROGRESSIVE-LINE für das COMFOUR-System nutzen?

Spieckermann: Prinzipiell ja, jedoch sind die Guide-Bohrer noch nicht gelauncht. Aber ich erwarte sie noch in diesem Frühjahr. Ich arbeite derzeit erfolgreich mit den CAMLOG SCREW LINE Guide Implantaten mit Promote plus Oberfläche.

Backward Planning für Implantate: Ihr Fazit?

Spieckermann: Die geführte Implantatinsertion ist ein Muss bei geplanter Sofortversorgung mit präfarbiziertem Zahnersatz. Die Implantatpositionen können mit dem Guide System von CAMLOG exakt umgesetzt werden. Insbesondere die Planbarkeit und die Sicherheit bei komplexen chirurgischen, aber auch prothetischen Situationen überzeugen. Voraussetzung für den Erfolg ist allerdings die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Ich arbeite schon sehr lange und sehr eng mit ZT Ulf Neveling zusammen, der inzwischen den Bereich Guide von DEDICAM leitet. Mit ihm plane ich die Versorgungen mit der SMOP-Software über das digitale Netzwerk, und er erstellt die Schablonen für die Guided Surgery.


Der Experte

Dr. Jan Spieckermann
studierte Zahnmedizin in Wien und Greifswald und ist seit 2017 niedergelassen in eigener Praxis in Chemnitz. Tätigkeitsschwerpunkte: Implantologie und Oralchirurgie.
js@dr-spieckermann.de

Foto: privat