Keramische Restaurationen

Ästhetik plus Funktion bei komplexen Fällen

Bei der Rekonstruktion des biokorrosiv oder mechanisch zerstörten Gebisses ist die Zusammenarbeit von Zahnarzt und Zahntechniker erfolgsentscheidend. Ein stimmiges Hand-in-Hand-Konzept präsentierten Prof. Dr. Daniel Edelhoff und ZTM Otto Prandtner auf einer Veranstaltung der Internationalen Fortbildungsgesellschaft (IFG) für Zahnärzte und Zahntechniker in Köln.


komplexe keramische Restaurationen Edelhoff Prandtner

ZTM Otto Prandtner (l.) und Prof. Daniel Edelhoff (r.) hielten in Köln ein Plädoyer für die Zusammenarbeit bei der Rehabilitation des biokorrosiv oder mechanisch zerstörten Gebisses. © Dorothee Holsten


Prof. Dr. Daniel Edelhoff und ZTM Prandtner, beide München, spielten sich wechselweise die Vorlagen für die nächsten Vortragsinhalte zu, wobei sie stets zwei Punkte für komplexe keramische Restaurationen herausstellten: die enorm menschliche und viel zu oft unterschätzte Patientenseite sowie ein stimmiges Hand-in-Hand-Konzept zwischen Zahnarzt und Zahntechniker.

Biokorrosiv oder mechanisch?

Die Defektmorphologie ändert sich derzeit, wie Edelhoff anhand der DMS-V-Daten zeigte: „Jüngere Patienten mit schwerer Karies werden seltener, die Prophylaxe scheint zu greifen. Was hingegen zunimmt, ist der Zahnverschleiß. Manche Softdrinks erreichen aufgrund des niedrigen pH-Werts schon fast die Wirkung eines Selbstadhäsivs!“

Unter normalen Bedingungen zeigen Molaren einen Zahnschmelzverschleiß von ca. 29 µm pro Jahr, also etwa eine halbe Schichtstärke des menschlichen Haares, Prämolaren um 15 µm pro Jahr. Biokorrosion beschleunigt diesen Prozess enorm. Solche Akzelerationen können einen Schmelzverlust von 0,3 mm pro Jahr erreichen. Edelhoff: „So könnte der bis zu ca. 1,5 mm dicke Zahnschmelz bereits nach fünf Jahren abradiert und das Dentin exponiert sein.“ Diese immer häufiger vorkommende biokorrosive Defektmorphologie kann intrinsische (Bulimie, Reflux) oder extrinsische (säurehaltige Getränke) Ursachen haben.

Gleichermaßen zerstörend, aber deutlich anders in der Morphologie ist die mechanische Variante: der Bruxismus, also Tag- bzw. Nachtknirschen. „Zahnärzte müssen lernen, den pathologischen Verschleiß korrekt einzuordnen: Ist er biokorrosiv oder mechanisch bedingt? Kann ich den Zahnverschleiß stoppen, bevor ich restauriere? Dazu bietet sich ein regelmäßiges Monitoring an, zum Beispiel per Intraoralscanner.

Zahnärzte müssen lernen, den pathologischen Verschleiß korrekt einzuordnen: Ist er biokorrosiv oder mechanisch bedingt? Prof. Dr. Daniel Edelhoff

Anhand klinischer Beispiele zeigte Edelhoff, wann der richtige Zeitpunkt für weitere, aufwendigere oder invasivere Maßnahmen erreicht sein könnte, zum Beispiel für kieferorthopädische Extrusion, chirurgische Kronenverlängerung oder endodontische Intervention mit Stiftversorgung. Für eine adhäsive Befestigung müsse dann natürlich noch genügend Restzahnhartsubstanz, vor allem Zahnschmelz, vorhanden sein. Da helfe die Formel: 1 mm2 Zahnschmelz kann 3 kg (30 MPa = 30 N/mm2) Haftkraft bieten. Weiterhin gebe die Veröffentlichung „Wetselaar P, Lobbezoo F, Koutris M, Visscher CM, Naeije M. Reliability of an occlusal and nonocclusal tooth wear grading system: clinical use versus dental cast assessment. Int J Prosthodont 2009;22(4):388–390“ Hilfestellung bei der Quantifizierung des vertikalen Verschleißes von Zähnen und der Entscheidung, ab wann restaurativ interveniert werden sollte.

Edelhoff: „Das wechselseitige Okklusionskonzept besagt: Seitenzähne schützen die Frontzähne in statischer Okklusion. Frontzähne wiederum schützen die Seitenzähne während der dynamischen Okklusion. Wenn die statische Unterstützung der Seitenzähne nicht mehr gewährleistet ist, geht auch die Front-Eckzahnführung verloren. Ein Kollaps des gesamten Kausystems kann die Folge sein.“ Bei der Implantation im Frontzahnbereich junger Patienten sollte beachtet werden: Das dentoalveoläre Wachstum ist bei jungen Menschen in der 2. und 3. Lebensdekade noch erheblich schneller als bei älteren. Da ein Implantat diesem Wachstum nicht folgt, drohen erhebliche funktionelle und ästhetische Beeinträchtigungen. Es sollte also nach Möglichkeit möglichst spät im Frontzahnbereich implantiert und/oder eine Einschätzung des Kieferorthopäden eingeholt werden. Edelhoff: „Implantate bitte immer intelligent und zur richtigen Zeit setzen!“ Einflügelige Adhäsivbrücken bezeichnete er als eine minimalinvasive und langlebige Alternative.


Komplexe keramische Restaurationen richtig planen

90 Prozent der Misserfolge entstehen, bevor man überhaupt angefangen hat, zu behandeln, da man nicht ausreichend und korrekt geplant hat, wie Edelhoff unterstrich. Er berief sich auf ein Zitat des großen amerikanischen Lehrmeisters Dr. Peter Dawson: „Failing to plan is planning to fail.“ In den oben beschriebenen Fällen sieht er das Risiko, dass diese vorschnell in herkömmlicher Weise einfach überkront werden. Dadurch werden aber 70 Prozent der Zahnhartsubstanz überflüssigerweise geopfert. Eine Überkronung wäre daher in den meisten Fällen viel zu invasiv. Weit weniger invasiv und zum Großteil zahnschmelzerhaltend ist hingegen ein Konzept mit Okklusionsonlays und Frontzahn-Veneers.

Seitenzähne schützen die Frontzähne in statischer Okklusion. Frontzähne wiederum schützen die Seitenzähne während der  dynamischen Okklusion. Prof. Dr. Daniel Edelhoff

Wo liegt der Startpunkt bei der ästhetischen Planung? Edelhoff: „Zuallererst wird die Inzisalkante der Frontzähne festgelegt. Das heißt in der Konsequenz: Wax-up immer von vorne nach hinten planen, die dauerhafte Restauration dann aber von hinten nach vorne umsetzen.“ Mit dem Wax-up entsteht eine erste Idee für den Patienten, die unbedingt in einer ästhetischen Evaluierung mit dem Patienten kalibriert werden muss.

Bei komplexen keramischen Restaurationen kann und muss der Zahnarzt dem Zahntechniker dann eine Fülle an Informationen an die Hand geben: Fotos, auch Smartphone-Fotos, 3D-Scans, Gesichtsbogen-Aufnahmen, Ausgangsmodelle etc. können helfen. Zuallererst wird die Schneidekante der zentralen Oberkiefer-Frontzähne festgelegt. Fehlen diese Informationen, würde der Zahntechniker tendenziell von einem symmetrischen Gesicht ausgehen. Doch niemand besitzt zwei gleiche Gesichtshälften! Edelhoff: „Dementsprechend müssen die Zähne einer Mittelkurve, nicht einer geraden Mittellinie angeglichen werden. Wir nennen sie ‚facial flow‘. Das aus der Literatur bekannte Breiten-Längenverhältnis (8:10) bei den mittleren oberen Schneidezähnen gilt es beim Wax-up als Orientierung zunächst zu beachten. Beim restaurativen Team entsteht mit allen diesen Informationen durch das Wax-up nun eine Idee für den Patienten. Diese Idee kann per Mock-up auf die Zähne übertragen werden – eine erste kurze Probefahrt. Noch ist alles offen und reversibel. Edelhoff: „Lassen Sie den Patienten jetzt F-Laute sprechen, am besten von 51 bis 59 zählen lassen. Dokumentieren Sie das für den Techniker per Video.“

Mit welchem Energie-Typ habe ich es eigentlich zu tun? ZTM Otto Prandtner

Den Charakter unterstreichen

Diese „Probefahrten“ stellen die Kommunikationsbasis zwischen Zahnarzt, Zahntechniker und Patient dar. Für ZTM Otto Prandtner ist aber vor allem wichtig: „Mit welchem Energie-Typ habe ich es hier eigentlich zu tun?“

Folgende Energie-Typen nannte er:

  • Symmetrie (kopfgesteuert, analytisch, hält Kopf gerade)
  • Asymmetrie (tief verbunden mit seinen Gefühlen, intuitiv, hält Kopf schräg)
  • Fantasy/Balance (humorvoll, instinktiv, lacht gerne, ganzer Körper in Bewegung)
  • Charakter (mutig, risikobereit, leidenschaftlich)

Ziel seines Vortrags war es, jeden Zuhörer zu motivieren, sich selbst als Beispiel zu nehmen und die Vorteile einer Typanalyse im Bereich der restaurativen Zahnheilkunde zu erkennen. Mit einer Sanierung wird eigentlich eine Gratwanderung zwischen Wahrheit und Show in Gang gesetzt. Vitalität, Charisma, Individualität und Charme könnten dabei verloren gehen. Im Gegensatz zu einem „Schablonenlächeln“ konzentriert sich Prandtners Ansatz auf die Schaffung einer einzigartigen „Zahnidentität“, die der behandelten Person entspricht und deren Charakter bewahrt. „Wir alle haben ein persönliches Bedürfnis nach Struktur. Dies steht jedoch in einem negativen Zusammenhang mit unserer kreativen Leistung.“

Präparationstipps für komplexe keramische Restaurationen

Ist der Patient mit dem Mock-up-Resultat ästhetisch wie funktionell zufrieden, ist dies bei Bisslagenveränderungen der Start für eine dreimonatige Schienentherapie. Als nächstes sollte die Frage nach dem definitiven Restaurationsmaterial geklärt werden, denn davon hängt die gesamte Präparationsgeometrie ab. Edelhoff gab zu, kein Fan von Non-Prep-Veneers zu sein. Er spricht von Low-Prep-Veneers, da insbesondere keramische Veneers in ihrer Stabilität davon profitieren. Er ging auf die Unterschiede von Short-, Medium-, Long- und Full-Wrap Veneers und Full Crowns ein. Bei der Materialauswahl gab er folgende Tipps: „Eckzähne gerne aus monolithischem Lithiumdisilikat, um eine stabile Eckzahnführung gewährleisten zu können; in der Front eher Feldspatkeramik.“ Er warnte: „Es ist bei der Präparation schwieriger, wenig abzutragen als viel abzutragen.“ An dieser Stelle stellte er Spezial-Präparationsinstrumente für Keramik vor. In einem Video zeigte er z. B. den Einsatz des PVP-Sets 4686ST (Komet Dental, Abb. 1a) und hob vor allem den darin enthaltenen Tiefenmarkierer 868BP mit unbelegtem Führungsstift hervor (Abb. 1b). Dieser begrenzt die Eindringtiefe sicher, selbst bei zu steilem Anstellwinkel. Edelhoff: „Weniger invasiv kann man damit bei indirekten Restaurationen kaum sein.“ Ebenso sieht er in der Schallspitze SF8868L/R, dem sog. VeneerFinisher (Komet Dental, Abb. 2) eine echte Hilfe, denn „die Spitze ist der Länge nach halbiert, die Rückseite nicht diamantiert. Das verhindert die Verletzung von Nachbarzähnen, liefert einen feinen Rand und ideale approximale Geometrien. Für mesiale und distale Flächen stehen zwei Versionen (SF8868L bzw. SF8868R) zur Verfügung. Die Spitzen passen u. a. auf das SonicFlex 2003L oder das Komet Schallhandstück SF1LM.“


Lösungen für komplexe keramische Restaurationen im Seitenzahnbereich

Für Edelhoff sind Okklusionsonlays (Tabletops) die Veneers im Seitenzahnbereich. Denn sie reduzieren den Zahnhartsubstanzabtrag auch nur 30 Prozent. Kronen erübrigen sich in der Regel. Die Frage, ob bei Okklusionsonlays die Kontaktpunkte aufgelöst werden müssen, verneinte er. Im Gegenteil: Keramik „freut“ sich, wenn die Randleisten noch stehen. Der Zahntechniker legt, wie auch bei den Veneers im Frontzahnbereich, durch das Wax-up die Lokalisation des Präparationsrands fest. Edelhoff: „Wir übertragen mit ProTemp das Wax-up als Mock-up in den Mund. Dann arbeite ich mich mit dem Tiefenmarkierer durch das Mock-up hindurch. Meine Zahntechniker haben mir immer gesagt: Du schaffst mir in der zentralen Fossa zu wenig Raum für ein ‚Freedom in Centric‘-Konzept. Genau da setzt der OccluShaper an.“ Der OccluShaper (Abb. 3a), Bestandteil des Okklusionsonlay-Sets 4665ST (Komet Dental, Abb. 3b), hat „eine bizarre Form. Er besitzt eine ausgeprägte Ausdehnung in der zentralen Fossa. Dadurch erreicht man mittig genügend Raum und erzielt eine konvexe Höckerunterstützung für komplexe keramische Restaurationen“.

Abschließend lieferte Edelhoff Tipps zur Eingliederung: „Provisorien setze ich einfach mit Bonding (z. B. Heliobond) ein, ohne Ätzen. Wenn frische Aufbaufüllungen darunter sind, diese bitte mit Vaseline abdecken. Ich gebe dem Patienten 1%iges CHX-Gel zur regelmäßigen Anwendung mit. Wenn ich dann die Provisorien mit dem Scaler entferne, liegen beim Eingliedern entzündungsfreie Verhältnisse vor.“ Beim Bilder-Showdown erfolgreicher Patientenfälle konnten sich die Teilnehmer am Ende dieses intensiven IFG-Fortbildungstags davon selbst überzeugen.

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