„(Zahn-)Medizin ist kein Anlage-Investment“
Nach kritischen Medienberichten über investorengeführte Versorgungszentren (I-MVZ) fordert die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), das Aufkaufen von Zahnarztpraxen durch Fremdkapitalgeber wie Private-Equity-Fonds zu unterbinden. Was steckt dahinter?
Der ungehemmte Zustrom von Fremdkapital in der Zahnmedizin müsse beendet werden, um weiterhin einen wirksamen Patientenschutz zu gewährleisten, insistiert BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel. Denn erste Erfahrungen mit Investoren-MVZ bestätigten die Befürchtung, dass in solchen Zahnärztegesellschaften „Verkaufsdruck“ auf junge Zahnärztinnen und Zahnärzte ausgeübt wird.
Investoren-MVZ setzen Zahnärzte unter Verkaufsdruck
Dagegen sprach Engel sich vehement aus: Junge Zahnmediziner dürften niemals unter Druck geraten, Leistungen am Patienten zu erbringen, die nicht medizinisch angezeigt seien. „Die Skandale um fremdkapitalfinanzierte Zahnarztketten in Spanien, England und Frankreich sollten der Politik hierzulande als Warnsignal dienen. Darauf haben wir gemeinsam mit den Ärzten bereits mehrfach hingewiesen“, so Engel.
Zum Hintergrund: In Frankreich und Spanien hatten Zahnarztketten in Investorenhand von Patienten teils hohe Vorauszahlungen eingefordert und waren dann in die Insolvenz gegangen. In der Folge musste der Staat in einigen Fällen einspringen und Entschädigungen zahlen.
Drei Viertel der Kapitalgeber von Investoren-MVZ sitzen in Steueroasen
Wie eine Studie der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen zeigt, haben drei Viertel aller Finanzgeber von Investoren-MVZ ihren Sitz in Steuerparadiesen wie den Cayman Islands. Für Engel ist dies nur schwer erträglich: „Es macht uns fassungslos, dass auf diesem Weg Beiträge deutscher Krankenversicherter in Steueroasen weltweit landen.“ (Zahn-)Medizin sei kein Anlage-Investment, erklärte der BZÄK-Präsident. Werde sie in Deutschland aber derartig betrieben, stehe der Ruf eines der besten zahnmedizinischen Versorgungssysteme der Welt nachhaltig auf dem Spiel.
BZÄK fordert Änderung des Zahnheilkundegesetzes
Im Namen der BZÄK appellierte er an die Bundesregierung, dieser Entwicklung einen Riegel vorzuschieben – beispielsweise durch eine Änderung des Zahnheilkundegesetzes: „Der Schutz unserer Patientinnen und Patienten macht mindestens Aufsichts- und Berufsrechtsregelungen, wie eine verbindliche zahnärztliche Mehrheitsbeteiligung und die Kontrolle juristischer Personen durch die Zahnärztekammern, zwingend erforderlich.”
Wie die „Welt am Sonntag“ (WamS) kürzlich berichtete, verursachen investorengeführte Medizinische Versorgungszentren (I-MVZ) deutlich höhere Kosten im Gesundheitssystem als herkömmliche Praxen in Arzt- oder Zahnarztbesitz. Die Zeitschrift bezog sich in ihren Fallbespielen unter anderem auf Angaben der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) zu zahnmedizinischen Versorgungszentren in Investorenhand. Diese hatten 2018 rund 30 Prozent mehr Leistungen pro Patient mit den Kassen abgerechnet als herkömmliche Zahnarztpraxen.
Die WamS warf nun die Frage auf, ob I-MVZ ihre Kosten möglicherweise künstlich aufblähen – beispielsweise durch Eingriffe und Leistungen, die medizinisch nicht notwendigerweise indiziert sind. Als Beispiel diente der Zeitung dabei der Fall einer Augenarztkette. In deren Arbeitsverträgen waren für angestellte Ärzte Umsatzbeteiligungen von bis zu 40 Prozent für besonders lukrative Leistungen wie die Verordnung einer Katarakt-OP festgelegt. Auffällig war nach Recherchen der Zeitung auch, dass die Zahl der Katarakt-OPs in den vergangenen zehn Jahren laut Angaben der KV Baden-Württemberg um mehr als ein Viertel gestiegen sei. Dies entspräche ziemlich genau dem Wachstum bei MVZ, so die WamS.
Deren Zahl ist mittlerweile nicht unbedeutend: 2018 gab es bereits annähernd 3200 MVZ mit insgesamt rund 18.000 angestellten Ärzten. Im Bereich der Zahnmedizin waren es nach Recherchen der WamS gut 900 Versorgungszentren, denen niedergelassene Zahnärzte gewichen sind.
Quelle: BZÄK, Welt am Sonntag vom 19. Januar 2020