Mehr Oberfläche, mehr Primärstabilität
Das AnyRidge-Implantatsytsem feierte 2018 seinen zehnten Geburtstag. Es liegen 5- und 10-Jahres-Follow-up-Studien vor. Was macht dieses System so außergewöhnlich? Was hat es mit dem Plus an Implantatoberfläche auf sich? Wie gestaltet sich der digitale Workflow? Dr. Marcus Engelschalk bringt es auf den Punkt.
Mit dem AnyRidge-Implantat soll man 40 Prozent mehr Oberfläche im Vergleich zu einem herkömmlichen Implantat erhalten. Was ist der Grund?
Engelschalk: Wenn man sich das AnyRidge-Implantat ansieht, fällt die große Auswahl an verwendbaren Durchmessern auf. Kommt man nun mit der Sichtweise anderer Systeme, so macht dies keinen Sinn. Bei diesem System allerdings ändert sich nicht der Implantatgrundkörper, den es mit 2,9 mm, 3,3 mm und 4,8 mm in drei verschiedenen Durchmessern gibt. Sondern was sich ändert, ist der breiteste Durchmesser der Gewinde, der somit von 3,5 mm bis 8,0 mm variieren kann. Nur so kann in Kombination mit dem speziell gestalteten Gewinde den unterschiedlichen Knochendichten der Patienten Rechnung getragen werden. Somit kommt es mittels einer einfachen Methode zum einen zur Vergrößerung der Oberfläche und zum anderen zur erheblichen Steigerung der Primärstabilität, unabhängig von der Knochenqualität.
Für welche Indikationen nutzen Sie AnyRidge?
Engelschalk: Grundsätzlich eignet sich das System mit seiner hohen Vielfalt für jede Indikation. Als ich mit AnyRidge angefangen habe, habe ich es wie mit jedem neuen System nur im Seitenzahnbereich angewendet. Dabei fiel mir schnell auf, dass die spezielle Gewindestruktur und -form zu einer hohen Primärstabilität und hohen initialen ISQ-Werten führte. Dies brachte mich wieder dazu, über Sofortimplantationen und sogenannte All-on-4- oder All-on-6-Versorgungen bei meinen Patientenfällen nachzudenken. Diese Versorgungsformen hatte ich eigentlich aufgrund einer für mein Gefühl zu hohen persönlichen Komplikationsrate mit anderen Systemen eher wieder zurückgestellt.
Dank der Varianz im Gewindegang und der damit verbundenen Flexibilität je nach Knochendichte erreiche ich in diesen Fällen wieder eine extrem hohe Primärstabilität und ISQ-Werte, die mich verlässlich sowohl Sofort‧implantationen als auch provisorische Sofortversorgungen erfolgreich durchführen lassen. Mittlerweile ist auch die Indikation Frontzahnimplantat mit AnyRidge hinzugekommen, sodass ich sagen kann, dass es fast immer zum Einsatz kommt, besonders aber in Fällen, in denen ich mich auf das Implantat verlassen können muss.
Wie funktioniert der digitale Workflow mit dem Implantatsystem?
Engelschalk: Grundsätzlich muss man heute ja beim digitalen Workflow zwei voneinander getrennte Bereiche unterscheiden: die digitale präoperative Planung sowie die digital basierte Herstellung der Implantatprothetik.
Beides lässt sich mit dem AnyRidge-System hervorragend darstellen, was mich fast dazu bringen würde, es ein digitales Implantatsystem zu nennen. Bei der digitalen Implantatplanung wird das AnyRidge System durch die R2Gate unterstützt, eine Software von MegaGen, die basierend auf DICOM-Daten eine dreidimensionale Implantatplanung in Kombination mit den Daten aus intraoralem Scan oder Modellscan generieren kann, die neben der Wahl des entsprechend richtigen Implantatkörpers auch Aussagen über die Knochenqualität treffen kann und in der Lage ist, eine entsprechende OP-Schablone wie auch einen vorfabrizierten provisorischen Zahnersatz herzustellen. Somit ist eine optimale Umsetzung der digitalen chirurgischen Planung bis zur provisorischen Versorgung von Anfang an möglich.
Der prothetische Workflow kann entsprechend bereits im Mund beginnen. Dazu stehen für das AnyRidge-System von MegaGen zwei verschiedene intraorale Scanbodies zur Verfügung, die bereits in den gängigen CAD/CAM-Programmen hinterlegt sind. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass ein intraoraler Scanbody auch als sogenanntes Healing Abutment dient und somit die Notwendigkeit von Schraubenbewegungen am unversorgten Implantat im Sinne einer Hartgewebsprävention von Anfang an vermieden werden können. Mithilfe entsprechender Laboranaloge für gedruckte Modelle sind diese ebenfalls leicht herzustellen und zur zahntechnischen Herstellung der Prothetik neben einem rein vollanatomischen Herstellungsweg für den Zahntechniker nutzbar. Diese Wege sind sowohl für verschraubte als auch für zementierte Befestigungsvarianten gangbar.
Eignet sich AnyRidge für Einsteiger? Wie steil ist die Lernkurve?
Engelschalk: Das Geheimnis des AnyRidge-Systems liegt ja in seiner Fähigkeit, den verschiedenen Knochendichten D1 bis D4 gezielt durch Anpassung der Gewindedurchmesser Rechnung zu tragen. Da sehe ich für den Beginner in der Implantologie anfänglich eine etwas höhere Herausforderung, dies am Röntgenbild beziehungsweise während des Bohrvorgangs zu beurteilen. Allerdings gilt es sich diese Fähigkeit alsbald anzueignen, da sonst mit jedem Implantatsystem eine Herausforderung im Sinne zu geringer Primärstabilitäten entstehen kann. Auf das AnyRidge-System bezogen kann die Lernkurve ziemlich einfach abgeflacht werden, wenn man sich vernünftig mit dem System im Vorfeld beschäftigt und bereit ist, auch einen entsprechenden Workshop oder eine Hospitation zu besuchen – da wir bekanntlich nie aufhören zu lernen, etwas, was wir von Zeit zu Zeit für alle Systeme tun sollten.
Welche Fortbildungen würden Sie dazu den Einsteigern empfehlen?
Engelschalk: Grundsätzlich würde ich mich in erster Linie an die implantologischen Fachgesellschaften in Deutschland halten. Sie bieten verlässliche und evidenzbasierte Informationen, Kongresse und Kurse zu allen wichtigen Themen rund um die Implantologie. Neben Curricula sind auch Hospitationen buchbar. Daneben ist natürlich jedes Implantatsystem mit seinen eigenen Fortbildungen und Kursen eine ideale Plattform, sich zielgerecht zu informieren. AnyRidge als Implantatsystem bietet mit MINEC ein internationales, interdisziplinäres und unabhängiges wissenschaftsbasiertes Forum für alle an der Implantologie interessierten Fachleute, sowohl mit Kursen, Kongressen und Hospitationen als auch als Onlineplattform zum E-Learning. Dank der Internationalität von MINEC sind auch ein internationaler Informa‧tionsaustausch sowie eine Vernetzung von verschiedensten Anwendern und Interessenten möglich, was einem Mal einen Blick über den eigenen Tellerrand ermöglicht.
Der Experte:
Dr. Markus Engelschalk ist zusammen mit PD José Gonzales niedergelassen in einer Praxisgemeinschaft für Parodontologie und Implantologie in München.