Präparationsgrenzen perfekt erfassen



Im Vergleich zu der in Deutschland noch verbreiteten Korrekturabformung kann bei dieser Technik kein so hoher Stempeldruck zur Führung des dünnfließenden Materials in subgingivale Bereiche ausgeübt werden. Allerdings bietet diese Abformtechnik dafür andere entscheidende Vorteile. Ein wesentlicher Punkt ist der deutliche Zeitvorteil, da die getrennten Wartezeiten für die Abbindung zweier Materialien und das sehr aufwendige Ausschneiden der Vorabformung entfallen. Die Reduktion der Arbeitsschritte vermindert natürlich auch die Fehlermöglichkeiten. Als häufige Fehlerquelle ist bei der Korrekturabformung vor allem die elastische Deformation der Vorabformung zu nennen, die durch einen vertikalen Versatz des raumfordernden dünnfließenden Materials entstehen kann. Zu beobachten ist das besonders, wenn noch unter sich gehende Bereiche vorhanden sind.

Nicht zuletzt spielen natürlich die verwendeten Materialien eine entscheidende Rolle. Neben einer guten Hydrophilie zur Überwindung der immer vorhandenen Restfeuchtigkeit stehen gerade bei der Doppelmischabformung die Fließeigenschaften im Vordergrund. Zur Verbesserung der Patientenakzeptanz sollte der Kraftaufwand bei der Mundentnahme möglichst gering ausfallen und selbstverständlich sollten keine Geschmacksbeeinträchtigungen auftreten. Am Beispiel eines klinischen Falls wird eine typische praktische Vorgehensweise beschrieben.

Der konkrete Fall

Bei einem 53 Jahre alten männlichen Patienten sollten die Zähne 35 und 36 mit Zirkonkronen versorgt werden. Nach der Beratung des Patienten fiel die Entscheidung auf eine teilverblendete Zirkonkrone für den Zahn 35 und eine Vollzirkon-Krone für den Zahn 36. Der Zahn 37 war bereits mit einer Krone versorgt. Der Zahnengstand und die bestehenden großen Füllungen an den zu präparierenden Zähnen stellten besondere Herausforderungen an die Präparation (Abb. 1). Da die vorhandenen Füllungen auch radiologisch intakt waren, konnten diese belassen werden. Aus Stabilitätsgründen sollten jedoch die Kronen verblockt werden.

Zur Verbesserung des Druckaufbaus und zur Vermeidung von möglichen Fließnasen wurde das mittelfließende Vinylsiloxanether Material Identium Medium (Kettenbach) gemeinsam mit dem dünnfließenden Material Identium Light in Rim-Lock-Löffeln verwendet. Bei der Auswahl der Größe wurde darauf geachtet, dass zwischen den Löffelwänden und dem Zahnbogen genügend Raum verblieb, um eine für die Rückstellung des Abformmaterials ausreichende Materialdicke zu gewährleisten.

Nach dem Setzen einer intraligamentären Anästhesie wurde eine Situationsabformung im Unterkiefer mit dem A-Silikon Silginat zur Erstellung der späteren Provisorien genommen. Der Gegenkiefer wurde in der Monophasentechnik mit Identium Medium abgeformt.

Zuerst wurde der Zahn 36 und anschließend der Zahn 35 präpariert (Abb. 2). Mit dem Bissregistriermaterial Futar wurde anschließend ein Komplettregistrat angefertigt (Abb. 3). Gemeinsam mit der vorab genommenen Abformung des Gegenkiefers wurde das fertige Registrat in ein Desinfektionsbad eingelegt. Da schon die Füllungsränder der bestehenden Füllungen zervikal bis in den Sulkus reichten, mussten auch die Präparationsgrenzen entsprechend tief subgingival gelegt werden. Damit ergab sich die Notwendigkeit, durch entsprechende Retraktionsmaßnahmen Verhältnisse zu schaffen, die ein sicheres Erfassen der Präparationsgrenzen auch in der Tiefe des Sulkus gewährleisteten.

Retraktionspaste statt -Faden

Das Legen eines Retraktionsfadens oder auch eines Doppelfadens ist sehr zeitaufwendig und wird von vielen Patienten als unangenehm empfunden. Außerdem besteht das Risiko, das Parodont bei zu hohen Einbringkräften nachhaltig zu schädigen. Daher wurde in diesem Fall das Produkt „Adstringierende Retraktionspaste“ der Firma 3M Espe verwendet, das einfach mit einem Komposit-Dispenser in den Sulkus eingebracht werden kann. Der in der Paste enthaltene Zusatz von Aluminiumchlorid für eine hämostatische Wirkung ist für die Abbindung der meisten Abformmaterialien unkritisch. Nach der Applikation der Paste direkt in den Sulkus und einer Einwirkzeit von ca. zwei Minuten wurde die Paste sorgfältig mit Wasserspray aus dem Sulkus entfernt. Aufgrund der persistierenden Blutungen an Zahn 36 mussten die Retraktionsmaßnahmen noch einmal wiederholt werden.

Schließlich konnte nach dem Stillen der Blutung ein sauberes und relativ trockenes Präparationsumfeld geschaffen werden (Abb. 4). Eine absolute Trockenheit im Sulkus ist aufgrund nachsickernder Feuchtigkeit aus dem Parodontalspalt oder auch der umgebenden Schleimhaut nicht zu erreichen. Damit das verwendete Abformmaterial dennoch bis in die Tiefe des Sulkus fließen und auch die Präparationsgrenzen vollständig abbilden kann, muss das Material eine hohe Toleranz gegenüber bestehender Restfeuchtigkeit besitzen. Mit anderen Worten, die Hydrophilie eines Abformmaterials ist ein entscheidender Materialparameter, der mit darüber entscheidet, wie das Material subgingival liegende Präparationsgrenzen abbilden kann. Natürlich müssen diese hydrophilen Materialeigenschaften sofort, also initial, beim Kontakt mit der noch vorhandenen Feuchtigkeit zum Tragen kommen. Eine weitere maßgebliche Materialeigenschaft ist das Fließverhalten. Gerade bei Doppelmischabformungen in der Kombination eines Medium- oder Heavy-Body-Materials mit einem Light Body ist der Stempeldruck im Vergleich zur klassischen Korrekturabformung reduziert. Damit das Material dennoch gut in tiefe und enge Spalträume fließen kann, kommt dem Fließverhalten des Light-Body-Materials eine besondere Bedeutung zu.

Zur gezielten Applikation auch in den Sulkus wurde Identium Light direkt aus der Kartusche mit einem auf den Mischer aufgesetzten Intraoral Tip appliziert (Abb. 5). Die Spitze des Intraoral Tip sollte während der Applikation immer im Material eingetaucht bleiben, damit keine Luftblasen eingebracht werden. Abschließend wurde die komplette Stumpfoberfläche mit dem Light-Body-Material bedeckt.

Befüllung des Löffels

Schon während des Umspritzens der Stümpfe muss der mit dem Identium Adhäsiv vorbereitete Rim-Lock-Löffel mit dem Löffelmaterial Identium Medium befüllt werden. Das ist sehr wichtig, da das bereits im Mund befindliche Light-Body-Material der erhöhten Mundtemperatur ausgesetzt ist und der Abbindevorgang startet. Nach dem Abschluss des Umspritzens sollte also sofort der mit dem mittelfließenden Material befüllte Löffel in den Mund eingesetzt werden (Abb. 6). Auch bei der Befüllung des Löffels ist darauf zu achten, dass der Auslass des aufgesetzten dynamischen Mischers immer im Material verbleibt, um Lufteinschlüsse zu vermeiden.

Gerade bei der Doppelmischabformung kann es, abhängig von der Fließfähigkeit des Materials, der Löffelwahl und der Art des Einsetzens, zu Abformdefekten durch Fließnasen kommen. Das mittelfließende Material kann dabei nicht ausreichend in unter sich gehende Stellen, beispielsweise unterhalb des Zahnäquators, fließen, sondern fließt einfach senkrecht von der größten Circumferenz in die Richtung der Umschlagfalte – quasi parallel zur Löffelwand. Durch ein eher langsames Einsetzen des Löffels und die Verwendung eines Löffels, der den anatomischen Verhältnissen besser folgt, kann bewirkt werden, dass der Staudruck erhöht und ein gut fließfähiges Material nicht zu schnell am Äquator entlanggeführt wird und so in die unter sich gehenden Bereiche einfließen kann. Beim Einsetzen des Löffels ist darauf zu achten, dass der Löffelboden nicht bis auf die Zahnreihe durchgedrückt wird und der Löffel bis zur vollständigen Abbindung der Materialien ruhig in situ gehalten wird, um jegliche elastischen Deformationen während der Abbindung zu vermeiden.

Nach der vollständigen Abbindung sollte die Abformung möglichst senkrecht aus dem Mund entnommen werden. Unter fließendem Wasser wurden Speichel und Blutreste abgespült und die fertige Abformung auf Vollständigkeit geprüft (Abb. 7) Bevor die Doppelmischabformung des Unterkiefers, die Gegenkieferabformung des Oberkiefers und auch das Bissregistrat dem Zahntechniker übergeben wurden, wurden alle Unterlagen ausreichend in einem Silosept-Desinfektionsbad gereinigt und desinfiziert.

Fazit

Dank der ausgeprägten hydrophilen Eigenschaften von Identium Light, die sich direkt nach dem Mischen ausbilden, und des guten Fließvermögens auch in engen Spalträumen konnte das Abformmaterial bis in die Tiefe des Sulkus einfließen. Die Präparationsgrenzen an den präparierten Zähnen 36 und 35 konnten trotz der eher schwierigen klinischen Umstände vollständig erfasst werden und auch der übrige Zahnbestand war sauber abgebildet.