Höckerersatz mit Bulk-fill



Die Indikationen für direkte Kompositrestaurationen haben in den letzten Jahren aufgrund der materialtechnischen Verbesserungen der Kompositwerkstoffe und zugehöriger Adhäsivsysteme bei gleichzeitiger Optimierung der Behandlungsprotokolle eine stetige Erweiterung erfahren [20, 21, 22, 23, 26, 30, 42, 48, 59, 63, 64, 68]. Direkte Kompositrestaurationen sind heutzutage für viele zahnärztliche Praktiker die bevorzugte Füllungsvariante, auch für große Kavitäten im okklusionstragenden Seitenzahnbereich [9, 10, 38, 42, 61]. Im Fokus des Interesses steht dabei auch immer mehr die substanzschonende Versorgung von Defekten mit Höckerbeteiligung als Alternative zu indirekten Onlays und Teilkronen [1, 11, 12, 13, 30, 35, 36, 37, 42, 43, 51, 58, 62, 75]. Der Ersatz einzelner Höcker mit direkten Kompositen stellt mittlerweile kein Problem mehr dar und ist wissenschaftlich abgesichert [29].

Allerdings sind bei der Versorgung sehr großer Kavitäten, die den Ersatz mehrerer Höcker pro Zahn erfordern, indirekte Restaurationen immer noch eine sinnvolle Alternative; dies erfordert aber oft einen zusätzlichen Abtrag an Zahnhartsubstanz [42]. Klinische Untersuchungen zu Seitenzahnkompositrestaurationen mit Höckerersatz zeigen eine akzeptable bis sehr gute klinische Performance und qualifizieren diese Restaurationen in ausgewählten klinischen Fällen als Alternative zu konventionellen indirekten Versorgungen [8, 14, 39, 55, 61].

Üblicherweise werden lichthärtende Komposite aufgrund ihrer Polymerisa‧tionseigenschaften und der limitierten Durchhärtungstiefe in einer Schichttechnik mit Einzelinkrementen von max. 2 mm Dicke verarbeitet. Die einzelnen Inkremente werden wiederum jeweils separat polymerisiert, mit Belichtungszeiten von 10–40 s, je nach Leistung der Lampe und Farbe bzw. Transluzenzgrad der entsprechenden Kompositpaste [34]. Dickere Kompositschichten führten mit den bis vor Kurzem verfügbaren Materialien zu einer ungenügenden Polymerisa‧tion des Kompositwerkstoffs und somit zu schlechteren mechanischen und biologischen Eigenschaften [4, 15, 65]. Vor allem bei großvolumigen Seitenzahnkavitäten kann das Einbringen des Komposits in 2-mm-Schichten ein sehr zeitintensives Vorgehen sein. Für diesen Indikationsbereich besteht deswegen eine große Nachfrage nach möglichst einfach bzw. schnell und somit ökonomischer zu verarbeitenden Kompositmaterialien [3].

Bulk-Fill-Komposite

Dafür wurden in den letzten Jahren die Bulk-Fill-Komposite entwickelt, die bei entsprechend hoher Leistung der Polymerisationslampe in einer vereinfachten Applikationstechnik in Schichten von 4–5 mm Dicke mit kurzen Inkrementhärtungszeiten von 10–20 s schneller in der Kavität platziert werden können [6, 16, 34, 44, 45]. „Bulk Fill“ bedeutet im eigentlichen Sinne, dass man eine Kavität ohne Schichttechnik in einem einzigen Schritt lege artis füllen kann [27]. Möglich ist dies derzeit unter den plastischen Zahnfüllungsmaterialien lediglich mit Zementen – die aufgrund ungenügender mechanischer Eigenschaften eine klinisch langfristig stabile Füllung im Kaulast tragenden Seitenzahnbereich des bleibenden Gebisses nicht erlauben und deshalb lediglich als Interimsversorgungen/Langzeitprovisorien geeignet sind [18, 29, 41] – und mit chemisch aktivierten oder dualhärtenden Stumpfaufbaukompositen – die allerdings weder als Füllungsmaterial freigegeben sind noch vom Handling (z.B. Kauflächengestaltung) für eine solche Indikation geeignet erscheinen.

Die Bulk-Fill-Komposite, die derzeit für die vereinfachte Füllungstechnik im Seitenzahnbereich angeboten werden, sind bei genauem Hinsehen eigentlich keine echten „Bulk“-Werkstoffe, weil speziell die approximalen Extensionen der klinischen Kavitäten meist tiefer sind als die maximale Durchhärtungstiefe dieser Materialien (4–5 mm) [17, 19]. Allerdings können mit einer geeigneten Materialwahl bis zu 8 mm tiefe Kavitäten – und dies umfasst die überwiegende Zahl der im klinischen Alltag vorkommenden Defektdimensionen – in zwei Inkrementen gefüllt werden.

Bulk-Fill-ormocere

Die meisten Komposite enthalten auf der klassischen Methacrylatchemie basierende organische Monomermatrizes [57]. Alternative Ansätze dazu existieren in der Silorantechnologie [25, 31, 33, 40, 67, 76] und der Ormocerchemie [28, 49, 50, 69, 71, 72, 73, 74]. Bei den Ormoceren („organically modified ceramics“) handelt es sich um organisch modifizierte, nichtmetallische anorganische Verbundwerkstoffe [24]. Ormocere können zwischen anorganische und organische Polymere eingeordnet werden und besitzen sowohl ein anorganisches als auch ein organisches Netzwerk [52, 53, 74]. Diese Materialgruppe wurde vom Fraunhofer-Institut für Silikatforschung, Würzburg, entwickelt und in Zusammenarbeit mit Partnern in der Dentalindustrie im Jahre 1998 erstmals als zahnärztliches Füllungsmaterial vermarktet [72, 73]. Seither hat für diesen Anwendungsbereich eine deutliche Weiterentwicklung der ormocerbasierten Komposite stattgefunden. Die Anwendung der Ormocere ist aber nicht auf Kompaktwerkstoffe in der Zahnmedizin beschränkt. Diese Materialien werden seit Jahren bereits erfolgreich u. a. in der Elektronik, Mikrosystemtechnik, Kunststoffveredelung, Konservierung, Korrosionsschutzbeschichtung, Funktionsbeschichtung für Glasoberflächen und als hochresistente, kratzfeste Schutzbeschichtungen eingesetzt [5, 60, 70].

Ormocerbasierte dentale Füllungskomposite sind derzeit von zwei Dentalfirmen verfügbar (Admira-Produktgruppe, VOCO; CeramX, Dentsply). Bei den bisherigen zahnmedizinischen Ormocerprodukten wurden zur besseren Verarbeitbarkeit noch weitere Methacrylate zur reinen Ormocerchemie hinzugefügt (neben Initiatoren, Stabilisatoren, Pigmenten und anorganischen Füllkörpern) [32]. Deshalb ist es besser, von ormocerbasierten Kompositen zu sprechen. Das neue, seit dem Jahr 2015 erstmals erhältliche Bulk-Fill-Ormocer Admira Fusion x-tra (VOCO) enthält laut Hersteller jetzt keine klassischen Monomere mehr neben den Ormoceren in der Matrix. Es verfügt über eine nanohybride Füllertechnologie mit einem anorganischen Füllkörperanteil von 84 Gew.-%. Es ist in einer Universalfarbe verfügbar und weist eine Polymerisationsschrumpfung von nur 1,2 Vol.-% bei gleichzeitig niedrigem Schrumpfungsstress auf. Admira Fu‧sion x-tra kann in Schichten von max. 4 mm appliziert und je Inkrement in 20 s gehärtet werden (Leistung Polymerisationslampe > 800 mW/cm²). Die modellierbare Konsistenz wie auch die werkstoffkundlichen Daten erlauben dem Behandler mit Admira Fu‧sion x-tra Kavitäten in der Bulk-Technik mit einem einzigen Material zu restaurieren; eine okklusale Deckschicht mit einem weiteren Komposit – wie bei der Verwendung von fließfähigen Bulk-Kompositmaterialien notwendig – ist nicht erforderlich.

Klinischer Fall

Ein 34-jähriger Patient erschien in unserer Sprechstunde mit dem Wunsch, die Kompositfüllung in Zahn 36 austauschen zu lassen (Abb. 1). Der Zahn war suffizient endodontisch behandelt, die vorhandene Kompositrestauration wies eine ungünstige Form im Bereich des ersetzten distolingualen Höckers auf, was zu regelmäßiger Speiseimpaktation in diesem Bereich mit zugehörigen negativen Konsequenzen führte. Nach der Aufklärung über mögliche Behandlungsalternativen und deren Kosten entschied sich der Patient für eine plastische Füllung mit dem Nanohybrid-Ormocer Admira Fusion x-tra (VOCO) in der Bulk-Fill-Technik.

Zu Beginn der Behandlung wurde der betreffende Zahn mit fluoridfreier Prophylaxepaste und einem Gummikelch gründlich von externen Auflagerungen gesäubert. Da Admira Fusion x-tra nur in einer Universalfarbe verfügbar ist, kann auf eine detaillierte Bestimmung der Zahnfarbe verzichtet werden. Nach dem vorsichtigen Entfernen der alten Kompositrestauration wurde die Kavität exkaviert, der Eingang zu den Wurzelkanälen mit Glas‧ionomerzement (IonoStar Plus, VOCO) abgedeckt und nachfolgend die gesamte Präparation mit Feinkorndiamanten finiert. Anschließend wurde der Zahn durch das Anlegen von Kofferdam isoliert und die Kavität mit einer zirkulären Metallmatrize eingegrenzt (Abb. 2). Der Spanngummi grenzt das Operationsfeld gegen die Mundhöhle ab, erleichtert ein effektives und sauberes Arbeiten und garantiert die Reinhaltung des Arbeitsgebiets von kontaminierenden Substanzen wie Blut, Sulkusfluid und Speichel.

Eine Kontamination von Schmelz und Dentin würde zu einer deutlichen Verschlechterung der Adhäsion des Komposits an den Zahnhartsubstanzen führen und eine langfristig erfolgreiche Versorgung mit optimaler marginaler Integrität gefährden. Zudem schützt der Kofferdam den Patienten vor irritierenden Substanzen, wie z. B. dem Adhäsivsystem. Kofferdam ist somit ein wesentliches Mittel zur Arbeitserleichterung und Qualitätssicherung in der Adhäsivtechnik. Der geringe Aufwand, der zum Legen des Kofferdams investiert werden muss, wird durch die Vermeidung des Watterollenwechsels und des Verlangens des Patienten nach Ausspülen zusätzlich kompensiert. Für die adhäsive Vorbehandlung der Zahnhartsubstanzen wurde das Universaladhäsiv Futurabond U (VOCO) ausgewählt. Bei Futurabond U handelt es sich um ein modernes Universal-Adhäsiv, das mit allen Konditionierungstechniken kompatibel ist: der Self-Etch-Technik und den phosphorsäurebasierten Konditionierungstechniken (selektive Schmelzätzung bzw. komplette Etch-and-Rinse-Vorbehandlung von Schmelz und Dentin).

Glänzende Kavitätenoberfläche

Im vorliegenden Fall wurde das Adhäsiv selbstkonditionierend eingesetzt. Abbildung 3 zeigt die Applikation einer reichlichen Menge des Universalhaftvermittlers Futurabond U auf Schmelz und Dentin mit einem Microbrush. Das Adhäsiv wurde für 20 s mit dem Applikator sorgfältig in die Zahnhartsubstanzen einmassiert. Nachfolgend wurde das Lösungsmittel mit trockener, ölfreier Druckluft vorsichtig verblasen (Abb. 4) und der Haftvermittler mit einer Polymerisationslampe für 10 s ausgehärtet (Abb. 5). Es resultierte eine glänzende und überall gleichmäßig von Adhäsiv benetzte Kavitätenoberfläche (Abb. 6). Dies sollte sorgfältig kontrolliert werden, da matt erscheinende Kavitätenareale ein Indiz dafür sind, dass nicht ausreichend Adhäsiv auf diese Stellen aufgetragen wurde. Im schlimmsten Fall könnte dies mit einer verminderten Haftung der Füllung an diesen Arealen einhergehen. Werden bei der visuellen Kontrolle derartige Areale gefunden, so wird dort selektiv nochmals Haftvermittler aufgetragen.

Im nächsten Schritt wurde im Bereich des distalen Kastenbodens eine geringe Menge Admira Fusion x-tra appliziert und ein spezielles Handinstrument (Easy Contact Point, Helmut Zepf Medizintechnik) zur Gestaltung eines anatomisch korrekt ausgeformten Approximalkontakts in die nicht polymerisierte Kompositmasse eingesetzt (Abb. 7). Durch kontrolliertes Andrücken des an der Spitze des Arbeitsendes gabelförmig gestalteten Instruments gegen den Nachbarzahn wird die Matrize im Kontaktbereich in die gewünschte Form gebracht und gleichzeitig ein zervikaler Kompositsteg ausgeformt, der nach dem Aushärten des Füllungsmaterials für 20 s mit einer Polymerisationslampe (Lichtleistung > 800 mW/cm²) – das Instrument bleibt beim Polymerisationsvorgang in der Kavität – die Matrize gegen den Nachbarzahn stabilisiert und einen straffen Approximalkontakt gewährleistet (Abb. 8). Nachfolgend wurde mit dem nächsten Inkrement Admira Fusion x-tra die distale Approximalfläche bis zur Randleistenhöhe komplettiert und die Außenkontur des fehlenden distolingualen Höckers modelliert (Abb. 9). Diese Schicht wurde wiederum für 20 s polymerisiert.
Durch den Aufbau der distalen Approximalfläche wurde die ursprüngliche Klasse-II-Kavität in eine „effektive Klasse-I-Kavität“ umgewandelt und dann das nunmehr nicht mehr benötigte Matrizensystem entfernt (Abb. 10).

Dies erleichtert im weiteren Behandlungsverlauf den Zugang zur Kavität mit Hand‧instrumenten zur Ausformung der okklusalen Strukturen und ermöglicht aufgrund der verbesserten Einsehbarkeit des Behandlungsareals eine bessere visuelle Kontrolle der nachfolgend aufzutragenden Materialschichten. Da die verbliebene Kavitätentiefe die maximal mögliche Polymerisationstiefe des Bulk-Fill-Ormocers Admira Fusion x-tra (max. 4 mm) noch überschritt, wurde ein weiteres horizontales Inkrement des Füllungsmaterials eingebracht und für 20 s polymerisiert (Abb. 11). Mit der letzten Schicht Admira Fusion x-tra (Abb. 12) wurde das Restvolumen der Kavität komplett gefüllt. Nach Ausformung einer funktionellen, aber rationellen okklusalen Anatomie (Abb. 13) – die ebenfalls dazu beiträgt, ein schnelles Ausarbeiten und Polieren sicherzustellen – wurde die letzte Schicht des Füllungsmaterials wieder für 20 s gehärtet (Abb. 14).

Perfekter Höckerersatz

Nach Abnahme des Kofferdams wurde die höckerersetzende direkte Ormocerrestauration sorgfältig mit rotierenden Instrumenten und abrasiven Scheibchen ausgearbeitet und die statische und dynamische Okklusion adjustiert (Abb. 15). Danach wurde mit diamantimprägnierten Silikonpolierern (Dimanto, VOCO) eine glatte und glänzende Oberfläche der Restauration erzielt. Abbildung 16 zeigt die fertige direkte Ormocerrestauration mit Höckerersatz, die die ursprüngliche Zahnform mit anatomisch funktioneller Kaufläche, physiologisch gestaltetem Approximalkontakt und ästhetisch akzeptabler Erscheinung wiederherstellt. Zum Abschluss wurde mit einem Schaumstoffpellet Fluoridlack (Bifluorid 12, VOCO) auf die Zähne appliziert.

Fazit

Die Bedeutung direkter Füllungsmaterialien auf Kompositbasis wird in der Zukunft weiter zunehmen. Es handelt sich dabei um wissenschaftlich abgesicherte und durch die Literatur in ihrer Verlässlichkeit dokumentierte, hochwertige permanente Versorgungen für den kaubelasteten Seitenzahnbereich [7, 26, 46, 54, 56, 66]. Die Ergebnisse einer umfangreichen Übersichtsarbeit haben gezeigt, dass die jährliche Verlustquote von Kompositfüllungen im Seitenzahnbereich (2,2 %) statistisch nicht unterschiedlich zu der von Amalgamfüllungen (3,0 %) ist [46].

Auch für Defektkonfigurationen mit Höckerersatz werden direkte Kompositrestaurationen mittlerweile vermehrt eingesetzt und erweisen sich hier in ausgewählten klinischen Fällen als Alternative zu konventionellen indirekten Versorgungen [8, 14, 39, 55, 61].

Der zunehmende wirtschaftliche Druck im Gesundheitssystem erfordert für den Seitenzahnbereich neben den zeitaufwendigen High-End-Restaurationen auch eine einfachere, schneller zu erbringende und somit kostengünstigere Basisversorgung. Dafür sind seit einiger Zeit Komposite mit optimierten Durchhärtungstiefen auf dem Markt, mit denen man in einer im Vergleich zu den traditionellen Hybridkompositen wirtschaftlicheren Prozedur klinisch und ästhetisch akzeptable Seitenzahnfüllungen legen kann [2, 47]. Neben den Bulk-Fill-Kompositen mit klassischer Methacrylatchemie wurde das Angebot im Bereich der plastischen Füllungsmaterialien mit großer Durchhärtungstiefe nun um eine Nanohybrid-Ormocer-Variante erweitert.