30 Jahre ANKYLOS
Vom 17. bis 18. Juni 2016 findet in Frankfurt am Main der internationale ANKYLOS-Jubiläumskongress unter dem Motto „30 Jahre dokumentierter Erfolg! Einfach, innovativ.“ statt. Zeit, mit Professor Dr. Georg-Hubertus Nentwig und Dr. Dipl.-Ing. Walter Moser, den beiden Entwicklern des Implantatsystems, zurückzuschauen und einen Blick in die Zukunft zu wagen. Ebenfalls zu Wort kommt Dr. Werner Groll, der als Geschäftsführer von Degussa Dental – und später unter DENTSPLY – ANKYLOS zu einem weltweit führenden Implantatsystem aufbaute.
Herr Professor Nentwig, Herr Dr. Moser, es heißt, Sie hätten beim Münchner Oktoberfest 1985 gemeinsam das Prinzip des heutigen ANKYLOS-Implantatsystems erdacht.
Moser: Alles begann damit, dass Professor Nentwig meine Vorlesung „Werkstoffkunde in der biomedizinischen Technik“ besuchte. Er war damals in München Assistent an der Klinik und Poliklinik für Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie, ich selbst Assistent am Institut für Metallkunde. Um uns besser kennenzulernen, verabredeten wir uns „auf der Wiesn“.
Nentwig: Dort besprachen wir, wie ein Implantatsystem aussehen könnte, das technisch und biologisch wirklich gut funktioniert. Mir war damals – 1985 – klar, dass die Implantologie Zukunft hat und ich das Thema weiterverfolgen wollte. Es gab aber noch verschiedene Probleme zu lösen. Zum Beispiel wurde der periimplantäre Knochen häufig in signifikantem Ausmaß abgebaut. Uns war bekannt, dass der Verbindungsbereich zwischen Implantat und Aufbau bei allen zweiteiligen Systemen konstruktionsbedingt mikrobeweglich und undicht war. Hier mussten wir mit unseren Verbesserungsbemühungen ansetzen. Schließlich waren die bis dahin erhältlichen Implantatsysteme indikationsbezogen, konnten also zum Beispiel nur für zahnlose Unterkiefer oder für implantatgetragene Brücken und Einzelkronen verwendet werden. Ziel war deshalb ein zweiteiliges Schraubenimplantat, dessen Körper sich unter Belastung biomechanisch günstig verhält. Die Aufbauverbindung musste hoch belastbar und dicht sein.
Moser: Wir waren uns schnell über das Grundprinzip einig. Aus der Technik ist bekannt, dass eine selbsthemmende Konusverbindung, bei geeigneter Auslegung und Montage, dauerhaft hohe Kräfte spielfrei übertragen kann. Sie ist damit extrem stabil und zuverlässig.
Und warum war ein neues Gewinde notwendig?
Moser: Die Krafteinleitung ist bei Schraubenimplantaten mit konstanten Gewinden im krestalen Bereich am höchsten. Dort ist der Knochen aber auch am wenigsten elastisch. Um die Spannungskonzentration im Durchtrittsbereich des Implantats durch den Knochen zu vermindern, diskutierten wir über ein Gewinde mit nicht konstanter Flankengeometrie und Flankentiefe. Das bedeutet, dass die Tiefe der Gewindegänge von koronal nach apikal zunimmt. Gleichzeitig nimmt auch die Krümmung der Gewindeflanken nach apikal zu. Damit verbunden ist eine sich ändernde Kräftezerlegung an den Gewindeflanken und eine nach apikal vergrößerte projizierte Gewindefläche. Das Ergebnis ist, wie gewünscht, eine geringere Krafteinleitung in die krestale Kompakta und eine größere im elastischen spongiösen Bereich.
Was ist das Besondere an der Konusverbindung?
Moser: Konusverbindungen lassen sich schlank bauen und sind dennoch dauerfest. Ein präzise gefertigter Konus trägt auf der gesamten Mantelfläche und ist nach korrekter Montage mikrobewegungsfrei. Voraussetzung für den sicheren Betrieb ist eine dauerhafte Vorspannung, die Mikrobewegungen auch bei ungünstigsten Lastverhältnissen verhindert. Deshalb haben wir zur dauerhaften Aufrechterhaltung der Konusvorspannung eine Schraube vorgesehen. Diese erfährt keine Betriebskräfte und konnte somit filigran ausgeführt werden. Das Andrehmoment der Schraube ist übrigens mit 15 Ncm nur zirka halb so hoch wie bei konventionellen Implantatverbindungen. Trotzdem ist eine rotationsstabile und mikrobewegungsfreie Verbindung sichergestellt.
Nentwig: Das dritte wichtige Merkmal der Konusverbindung neben der Stabilität und Dauerhaftigkeit ist ihre Dichtigkeit. Ein Konus ist bei hochpräziser Fertigung so dicht, dass bakterielle Mikroorganismen praktisch nicht passieren können. Es ist leicht festzustellen, dass bei ANKYLOS kein unangenehmer Geruch auftritt, wenn ein Aufbauteil gewechselt wird. Sie können die Dichtigkeit also buchstäblich riechen.
Wird im Zuge der Biologisierung von Implantatoberflächen immer ein Gewinde notwendig sein?
Moser: Die Geometrie des ANKYLOS-Implantatgewindes ist technisch und biomechanisch ausgereizt. Ein Gewinde wird aber für eine hohe Primärstabilität immer notwendig sein.
Nentwig: Das sehe ich auch so. Beim ANKYLOS-Implantat kommt hinzu, dass durch den Erhalt des zervikalen Knochens die effektive Knochenverankerung bestehen bleibt. Wir können deshalb mit vergleichbarer Prognose kürzere Implantate einsetzen.
Vor 30 Jahren – also 1986 – wurde das Implantatsystem zum Patent angemeldet. Wann konnte das erste Implantat klinisch eingesetzt werden?
Moser: Das war 1987. Gemeinsam mit der Firma Krupp Medizintechnik hatten wir das System zur Einsatzreife gebracht. Das Implantatsystem hieß zunächst NM (Nentwig-Moser), die Implantate waren in acht Ausführungen erhältlich. Erste Verkäufe an Dritte erfolgten aber erst im Laufe des Jahres 1993. Da die Medizintechniksparte von Krupp im selben Jahr aufgelöst wurde, war diese Phase jedoch schnell wieder beendet.
Nentwig: Im Jahr 1993 trafen wir mit Dr. Werner Groll zusammen, der damals bei Degussa Dental war. Das Unternehmen war daran interessiert, sein zahntechnisch orientiertes Sortiment um zahnärztliche Produkte zu ergänzen. Unser System wurde ab Anfang 1994 unter dem Namen ANKYLOS von Degussa vermarktet. Dr. Grolls Einsatz ist es zu verdanken, dass das ANKYLOS-System zu einem weltweit führenden System aufstieg. Als Ingenieur hat er wertvolle Beiträge zur Evolution der Systemkomponenten geliefert. Insbesondere sind hier die Balance-Linie oder die C/X-Version zu nennen.
Herr Dr. Groll, wie haben Sie die Markteinführung des ANKYLOS-Implantats erlebt? Was waren damals die besonderen Herausforderungen?
Groll: Wir wollten ein Implantatsystem auf einen Markt bringen, der von einigen wenigen Herstellern mit internationaler Vertriebs- und Marketingorganisation beherrscht wurde. Die Philosophie, wie Implantate zu funktionieren und auszusehen haben, war bei Herstellern, Anwendern und Wissenschaftlern definiert. Regeln wie das Dogma vom Knochenabbau nach Belastung waren akzeptiert. Die Mammutaufgabe war nun, ein Implantat zu vermarkten, das mit einigen damaligen Prinzipien brach und Dogmen in Frage stellte – wie zum Beispiel über den erwähnten Knochenabbau. Glücklicherweise gab es bereits klinische Daten, die das bestätigten. Uns war relativ schnell klar, dass die Kunden nur in direkter Ansprache von den Vorteilen des Systems zu überzeugen waren, weshalb wir auf einen exzellent ausgebildeten Außendienst, qualitativ hochwertige Fortbildung, systematische Weiterentwicklung und klinische Dokumentation setzten. Besonders angesprochen haben wir die bereits implantierenden Zahnärzte, die die Vorteile wie eine hohe Primärstabilität oder ein stabiles periimplantäres Gewebe aufgrund ihrer Erfahrung mit bestehenden Systemen am besten wertschätzen konnten.
Wieso fiel die Wahl auf den Namen „ANKYLOS“?
Groll: Wir hatten viele Namen mit vielen verschiedenen Personengruppen diskutiert. Dabei fiel auch das Wort ANKYLOS, das für „unbeweglich“ und „fest“ steht, das international ist und grafische Vorteile hat.
Was waren die Meilensteine bei der Weiterentwicklung des Implantatsystems in den nächsten Jahren?
Groll: In den 23 Jahren nach der offiziellen Markteinführung gab es eine Vielzahl von Neuerungen – immer ohne die zwei wesentlichen und erfolgssichernden Konstruktionsmerkmale zu verändern, nämlich das progressive Gewinde und die selbsthemmende und dichte Konusverbindung. Zu nennen sind zum Beispiel das ANKYLOS C/X, die FRIADENT-plus-Oberfläche mit zusätzlich mikrorauer Oberfläche der Implantatschulter und SynCone, das System zur Sofortversorgung mit einer Doppelkrone. Heute gehören auch die computergestützte Chirurgie mit SIMPLANT und die patientenindividuellen ATLANTIS-Produkte selbstverständlich zu ANKYLOS. Durch die kontinuierliche innovative Weiterentwicklung ist ein hochmodernes und gleichzeitig einfach anzuwendendes Implantatsystem entstanden. Ganz aktuell: Mit den neuen Bohrern ohne Innenkühlung kann ANKYLOS jetzt auch im Washtray maschinell aufbereitet werden.
Welche Vorteile hat das ANKYLOS-System in der heutigen Prothetik?
Nentwig: Es erfüllt alle Ansprüche, die an Implantatprothetik aus damaliger und heutiger Sicht gestellt werden. CAD/CAM-Technologien bei Übertragung und individueller Abutmentgestaltung sind anwendbar. Als Pluspunkt gegenüber anderen Systemen ist hervorzuheben, dass durch die Verwendung indexfreier Abutmentlinien auf einfachste Weise eine parallele Ausrichtung der Pfosten intraoral und am Modell ermöglicht wird. Damit lassen sich beispielsweise Sofortversorgungen bei zahnlosen Patienten einfach und kostengünstig durchführen – denken Sie nur an präfabrizierte Retentionselemente wie zum Beispiel bei SynCone.
Wagen Sie einen Blick in die Zukunft! Wo steht ANKYLOS in zehn Jahren?
Moser: ANKYLOS mit seiner bakteriendichten Konus-Verbindung mit ausgeprägter Platform-Switching-Eigenschaft ist heute mehr ein Konzept als ein einzelnes Produkt. Diese Eigenschaften wurden als wichtig erkannt und haben bei vielen Wettbewerbsprodukten Einzug gehalten, das heißt, sie sind zum Stand der Technik geworden. In zehn Jahren wird ANKYLOS eines unter vielen Systemen mit den Designmerkmalen der selbsthemmenden Konusverbindung sein. Vorausgesetzt, wir passen das System an aktuelle und kommende Anforderungen an, wird der anfangs angezweifelte Pionier dieser Technik sicher auch noch in zehn Jahren als „das Original“ Erfolg haben.
Groll: ANKYLOS ist sicherlich ein ausgereiftes Produkt – mit 30 Jahren Erfolgsgeschichte ist das normal. ANKYLOS hat immer gezeigt, dass es auf neue Herausforderungen reagieren kann, ob es der zunehmende Wunsch nach Ästhetik war, die Integration von Augmentationstechniken, die Sofortbelastung oder die Digitalisierung der Prothetik. Deshalb glaube ich, dass ANKYLOS auch in zehn Jahren noch eine bedeutende Präsenz bei Zahnärzten haben wird, die erstklassige ästhetische und funktionelle Ergebnisse erzielen und diese auch langfristig bewahren wollen.