Universalkomposite im Frontzahnbereich



Ein 16-jähriger Patient stellte sich nach Überweisung durch einen Endodontologen in meiner Praxis vor. Die Zähne 11 und 21 wiesen ein schweres Trauma auf, nachdem der Patient im Alter von sieben Jahren von einem Felsen abgerutscht war. Er berichtete über mehrere Versuche der Wurzelkanalbehandlung, bei denen es aufgrund eines koronalen Lecks und einer Rekontamination zu einem Funktionsversagen sowie aufgrund dunkler Zahnverfärbungen durch Hämosiderineinlagerung und Bakterienbesiedelung zu einer ästhetischen Beeinträchtigung kam. Die Zähne 11 und 21 wiesen alte Kompositfüllungen auf, die als verfärbt, unregelmäßig und unzumutbar beschrieben wurden und dem Patienten Kummer bereiteten.

Zusätzlich zu diesem komplexen Sachverhalt bestand im direkten subgingivalen Bereich mesiobukkal eine restaurierte subgingivale Perforation, die zu subgingivalen Unregelmäßigkeiten und einer kürzlich behandelten Parodontaltasche führte. Die distale Seite von Zahn 21 war außerdem unterkonturiert, was mit einer Stufe bzw. einem zurückversetztem Bereich unter dem Zahnfleisch und einem inakzeptablen Emergenzprofil einherging.

Der Patient wünschte sich ebenmäßigere, längere und attraktivere mittlere Schneidezähne. Diesem Wunsch standen jedoch Einschränkungen in finanzieller Hinsicht und in Bezug auf die verbleibende gesunde Zahnhartsubstanz des Patienten entgegen.

Diagnose

Die gezielte Untersuchung begann mit einer extraoralen Untersuchung der Lymphknoten, Speicheldrüsen, Kaumuskulatur und temporomandibulären Gelenkfunktion. Der Bewegungsumfang des Patienten war mit 50 mm im Normbereich.

Die gezielte Sondierung im oberen vorderen Sextanten ergab eine maximale Sondierungstiefe von 4 mm im Bereich von Zahn 21DB. Alle weiteren gemessenen Bereiche ergaben eine maximale Tiefe von 3 mm mit Blutung bei Sondierung. Die Untersuchung des Hartgewebes ergab im Vergleich zu Zahn 11 eine kürzere klinische Krone an Zahn 21. Zahn 21 wies im Vergleich zu Zahn 11 außerdem eine Bukkoversion bzw. Proklination auf. Die distale Seite von Zahn 21 wies einen unterkonturierten Bereich auf, der mit einem subgingivalen Hartgewebedefizit einherging und das Emergenzprofil von distobukkal nach distolingual beeinträchtigte. Die Zähne 13 bis 23 waren weder klopf- noch druckdolent und wiesen keine signifikante klinische Beweglichkeit auf.

Die Röntgenuntersuchung umfasste eine einzige periapikale Röntgenaufnahme des Bereichs. Es zeigten sich ausgedehnte Wurzelkanalfüllungen ohne Wurzelstiftstrukturen. Da nach erneuter Rücksprache mit dem Endodontologen bestätigt wurde, dass vor der weiteren Behandlung kein Wurzelstift notwendig sei, war in diesem Fall eine Präparation erforderlich, bei der die natürliche Zahnsubstanz bestmöglich erhalten wurde.

Im Gespräch mit dem Patienten wurde die Versorgung mit zwei direkt geschichteten, komplexen Kompositverblendungen zur ästhetischen Korrektur, für die nur ein geringer Anteil an Zahnsubstanz entfernt werden muss, erörtert. Außerdem kann das Höhen-Breiten-Verhältnis verbessert werden, sodass es in etwa einem idealen Höhen-Breiten-Verhältnis von 0,8:1,0 entspricht. Eine weitere Behandlungsoption, die dem Patienten unterbreitet wurde, umfasste die Versorgung mit adhäsiven Keramikrestaurationen, da diese zur koronalen Stabilisierung beitragen würden. Obwohl der Patient und seine Mutter an dieser Option interessiert waren, standen dieser der Wunsch des Patienten nach Reparierbarkeit bei etwaigen zukünftigen Unfällen und die finanzielle Situation entgegen. Der Patient nahm meinen Rat an, die Zähne 11 und 21 mit direkt geschichteten Kompositverblendungen zu versorgen.

Der konkrete Fall

Bei dem Patienten handelte es sich um einen 16-jährigen Mann, der von einem Endodontologen zur Durchführung einer kosmetischen Zahnrestauration an meine Praxis überwiesen wurde. Der Endodontologe hatte Wurzelkanalfüllungen an den Zähnen 11 und 21 unter Verwendung von Guttapercha und Roth Sealer abgeschlossen. Für den Stumpfaufbau wurden als Liner Cavit (3M Espe) in der tieferen Schicht sowie B1-Flowable und B2-Komposit unbestimmter Marke verwendet. Nach der gezielten Untersuchung, Diagnose, Behandlungsplanbesprechung und Einwilligung nach Aufklärung wurde der Patient zur Präparation und Fertigstellung der zwei direkt geschichteten, komplexen Kompositverblendungen an den Zähnen 11 und 21 zu einem zweiten Termin einbestellt (Abb. 1). Vor der Isolation (Split-Dam-Technik, Abb. 2) erfolgte die Farbbestimmung.

Es wurde eine Gingivektomie mittels Diodenlaser (Ezelase 940 nm, Biolase, 1,5 W Dauerstrahl) durchgeführt, um an der distoaxialen Oberfläche überschüssiges Gewebe im zuvor beschriebenen subgingivalen unterkonturierten Bereich mit einem Laser zu entfernen (Abb. 3). Auf diesem Foto sind die subgingivale Perforation und Restauration sowie das transluzente Komposit, das der Zahnarzt für den ursprünglichen Stumpf verwendet hat, gut sichtbar. Es wurde entschieden, dass die komplette Entfernung des vorhandenen Kompositmaterials der verbliebenen Zahnstruktur möglicherweise zusätzlich schaden würde, sodass die Präparation an diesem Punkt abgebrochen wurde. Zur Darstellung und Entfernung verbliebener Bakterien wurde anschließend ein Karies-Detektorfarbstoff (Caries Detector, Kuraray) appliziert. Auf diese Weise wird eine harte und saubere Dentinbasis sichergestellt.

Nach dem Legen eines trockenen Retraktionsfadens der Stärke 0 (Ultrapak, Ultradent) in den bukkalen Sulkus in kontinuierlicher Stopftechnik wurde eine Micro-Air-Abrasion mit 50 Mikrometer Aluminiumoxid durchgeführt, um die bestmögliche mikromechanische Verankerung zu gewährleisten (Abb. 4). Ätzvorgang mit 33-prozentiger Orthophosphorsäure, anschließend Drei-Schritt-Applikation eines Total-Etch-Adhäsiv-Systems der 4. Generation (Optibond FL, Kerr).

Schichtung

Die Schichtung beginnt mit der Platzierung der lingualen Lamelle, die sowohl für Zahn 11 als auch 21 freihändig mithilfe eines Mylar-Matrizenbandes erstellt wurde (Abb. 5). Mithilfe eines durch diagnostisches Wax-up erstellten Silikonschlüssels hätte die Basisschicht leichter platziert werden können. Der Patient wollte diesen Schritt aus Kostengründen jedoch auslassen. Die ca. 0,3 mm dicke Basisschicht dient zur Wiederherstellung der gewünschten Zahnlänge und -proportionen und wird mit einer transluzenten, milchigweißen Schmelzfarbe erstellt. Für dieses Gerüst wurde Amaris (VOCO) in der Farbnuance TN (Translucent Neutral) verwendet.

Die nächste Schicht diente zur bestmöglichen Abdeckung des transluzenten Hintergrunds mit Opakdentinmasse. Die Opazität wird so eingestellt, dass die Übergangslinien abgedeckt werden. Andernfalls wäre ein weniger ästhetisches Ergebnis die Folge. Eine Erschwernis bei diesem Fall waren Größe und Transluzenz des Reststumpfs wegen der zuvor verwendeten Materialien.

Die opake Grundfarbe Amaris O3 wurde für die tieferen Schichten im distoaxialen Bereich angewendet, um zu prüfen, ob diese Farbe mit der Farbe des Zahnstumpfs übereinstimmt (Abb. 6).

Nach der Aushärtung wurde deutlich, dass für die äußeren Schichten eine etwas hellere Opakfarbe (O2) erforderlich war, um eine bestmögliche Anpassung an den Zielfarbton zu erreichen (Abb. 7). Diese Modifizierbarkeit von Amaris erleichtert die direkte ästhetische Zahnheilkunde und macht einfach Freude. Diese Schicht spielt noch eine weitere wichtige Rolle, da Dentin den Grundton des Zahns vorgibt und Fluoreszenz und Chroma der fertigen Restauration optimal ausbalanciert. Die äußere Dentinschicht wurde in den Randbereichen nach zervikal modelliert und ausgearbeitet, um die bukkale subgingivale Perforation zu verdecken. Der Inzisalbereich wurde durch ein weiteres Inkrement Amaris O2 erstellt und nach inzisal ausgearbeitet. Ein typisches Merkmal dieser Schicht sind die unregelmäßigen Dentinfinger, die die Grundlage für die inzisalen Effekte des Endprodukts bilden. Vor dem endgültigen Aushärten werden in diese äußere Dentinschicht außerdem Dentinlappen geformt. Für die nächste Schicht wird eine hochtransluzente Farbnuance verwendet. Sie wird als Füllmaterial für die Bereiche zwischen den inzisalen Dentinfingern und Dentinlappen eingesetzt (Abb. 8). Die Verwendung einer hellen, transluzenten Farbe erhöht Lichteinfall, -durchlässigkeit, -reflexion und -brechung in diesem Bereich des Endprodukts.

Farbbestimmung

Die Farbnuance wird nun anhand der Farbnuance des benachbarten dehydrierten Zahns bestimmt. Dabei ist zu beachten, dass eine intraoperative Modifikation nach abgeschlossener Farbbestimmung nicht bzw. nur in sehr geringem Umfang möglich ist. Das hellere Erscheinungsbild von über einen längeren Zeitraum dehydrierten Zähnen kann irreführend sein und viele Kliniker lassen sich dazu verleiten, Zähne so zu gestalten, dass diese nach der Rehydratation der Nachbarzähne zu weiß erscheinen.

In diesem Fall hatte der Patient um einen leicht helleren Farbton gebeten, denn er wollte zu einem späteren Zeitpunkt ein Bleaching an den vitalen Nachbarzähnen durchführen lassen. Da die mittleren Schneidezähne von Natur aus häufig etwas heller als die seitlichen Schneidezähne sind, haben wir uns anstelle der geplanten Farbnuance TN (Translucent Neutral) für eine hellere Schmelzfarbe TL (Translucent Light) entschieden. Auch hier ermöglicht die Modifizierbarkeit von Amaris während der unterschiedlichen Phasen des Aufbaus eine Farbtonkontrolle des Endprodukts.

An Zahn 11 werden zwei lichtgehärtete Amaris-Kompositkugeln platziert, die intraoperativ als Farbschlüssel dienen: Die weiter inzisal platzierte Kugel ist die Farbnuance TN (Translucent Neutral) und die weiter zervikal platzierte Kugel TL (Translucent Light). Die ausschließliche Applikation von TL in einer dicken Schicht würde dazu führen, dass der Farbwert des Zahns unseren Zielwert überschreitet (Abb. 9). Aus diesem Grund ist es unerlässlich, die Dicke und Morphologie der applizierten Dentinschichten von inzisal zu beurteilen. In diesem Fall war lediglich eine abschließende dünne Schicht schmelzfarbenen Komposits erforderlich, um Emergenzprofil und Kantenlinien voll auszugestalten. Daher wurde TL verwendet, um den Farbwert der Dentinschicht leicht zu erhöhen (Abb. 10). Nach dem endgültigen Aushärten wurden die Kontaktpunkte unter Anwendung einer leichten interdentalen Separationskraft („Mopper Pop“) entfernt.

Finale Ausarbeitung

Das Finieren erfolgte unter Anwendung von mittleren und feinen Finierstreifen aus Metall (GC) und Epitex Finierstreifen aus Kunststoff (GC). Mit einem Stift wurden Markierungen auf die labialen Flächen aufgebracht, um die zu erhaltenden Kantenlinien und das Emergenzprofil zu kennzeichnen. Die finale Ausarbeitung der primären und sekundären Anatomie wurde unter Anwendung von grobkörnigen Schleifscheiben (Soflex, 3M ESPE) und feinkörnigen, nadelförmigen Diamantschleifern (Mani Dia-Burs) durchgeführt. Die Hochglanzpolitur erfolgte mit dem zweistufigen Double Diamond-System (Clinician’s Choice) bei 5000 U/min, gefolgt von der abschließenden Glanzpolitur mit auf einer Filzscheibe (Flexibuff, Cosmedent) applizierter Aluminiumoxidpaste (Enamelize, Cosmodent, Abb. 11). Der Patient wurde nach Hause entlassen, damit das Zahnfleisch vor der finalen Politur beim Kontrolltermin ausheilen konnte (Abb. 12).

Bei dem 16-jährigen Patienten mit multiplen strukturellen koronalen Defekten der oberen mittleren Schneidezähne war es wichtig, ein Kompositsystem auszuwählen, das sowohl über hervorragende physikalische Eigenschaften als auch ein modernes Farbsystem verfügt, um die optischen Nuancen naturgetreu wiederherstellen zu können.

Biomimetisches Resultat

Ziel dieser Behandlung war ein biomimetisches Ergebnis durch Restauration des natürlichen Zahnvolumens und Wiederherstellung der individuellen Effekte und Anatomie. In diesem Fall war nur eine geringe Zahnreduktion erforderlich, etwa 15 bis 20 Prozent des gesamten Zahnvolumens. Das verbleibende Zahnvolumen umfasste eine feste Verbindung von Stumpfmaterial und unregelmäßiger Zahnstruktur. Es wurde als sinnvoll erachtet, diese Verbindung nicht zu unterbrechen, da kein Hinweis auf tieferen Kariesbefall vorlag und ein hohes Risiko bestand, noch mehr wertvolle Dentinstruktur zu verlieren. In diesem Fall wies Zahn 21 eine Restzahnstruktur von weniger als 40 Prozent auf und hätte somit idealerweise eine adhäsive Keramikrestauration erhalten, wenn diesem Vorgehen nicht die finanzielle Situation des Patienten entgegengestanden hätte. Ein optimal planbares ästhetisches Symmetrieergebnis wäre außerdem durch die Platzierung einer adhäsiven Keramikrestauration an Zahn 11 gegeben, was jedoch, wie bereits erläutert, in diesem Fall nicht möglich war. Es wurde vor Beginn festgestellt, dass es zu einer Abweichung von der Farbe des verbliebenen Zahnstumpfs kommen würde, wenn der Zahn intaktes Dentin aufweist. Daher war die Möglichkeit zur intraoperativen Farbanpassung unverzichtbar. Die Lösung war die Anwendung eines modernen Universalkomposits, das nicht nur über hervorragende physikalische Eigenschaften, sondern auch über ein intelligentes Farbsystem verfügt, das in jeder Phase eine Modifikation des Farbtons erlaubt. In diesem Fall wurde die Newton-Fahl-Technik mit achromatischer Schmelzfarbe angewendet. Für die Schmelzschicht wurde eine „Non-Vita“-Farbnuance (Amaris TN: Translucent Neutral) verwendet, wobei sich das Chroma aus zwei Dentinfarben zusammensetzte (Amaris O3 und O2). In diesem Fall wurde der Farbwert O3 im Hinblick auf unseren Zielfarbwert als zu niedrig erachtet. Durch den Einsatz des von VOCO geprägten, intelligenten Farbsystems bestand die Möglichkeit zur Modifikation mit einer helleren Dentinfarbe (O2). Der Farbwert wurde durch die Verwendung einer Schmelzfarbe, die heller war als zuvor geplant, weiterhin verändert (Amaris TL: Translucent Light). Um eine optimale Farbübereinstimmung zu erzielen, muss die inkrementelle Anpassung der Schichtdicke mit höchster Präzison erfolgen. Eine zu dicke Schmelzschicht führt zu einem Farbwert, der niedriger ist als geplant. Eine zu dicke Dentinschicht wirkt sich auf Farbwert, Farbton und Chroma aus. Im Verlauf des schrittweisen Volumenaufbaus wurde dies häufig und systematisch von inzisal aus kontrolliert.

Fazit

Im beschriebenen Fall war die Notwendigkeit zum Erhalt des verbliebenen intakten Dentins ausschlaggebend für die Entscheidung, den Großteil der Stumpfstruktur intakt zu lassen. Die Anwendung eines intelligenten Kompositsystems, das die Möglichkeit zur Modifizierbarkeit bietet, war in diesem Fall, bei dem es zu einer intraoperativen Farbveränderung des Stumpfs kam, unverzichtbar. Amaris ermöglicht die Wiederherstellung von zerstörtem Zahnvolumen sowie der Konturen und optischen Nuancen in nur einem einzigen intelligenten System, mit dem unvorhergesehene intraoperative ästhetische Komplikationen leicht überwunden werden können. Die gute Polierbarkeit in Kombination mit minimaler Oberflächenrauigkeit und 3-Körper-Abrasion sorgte bei diesem Patienten für ein funktionelles, hochästhetisches und haltbares Ergebnis.

Dr. Clarence Tam
führt eine Praxis in Newmarket, Auckland (Neuseeland), mit dem Schwerpunkt kosmetische und restaurative Zahnheilkunde. Die gebürtige Kanadierin hat eine Facharztausbildung als Allgemeinzahnärztin an der Universität Toronto absolviert und ist Vorsitzende der New Zealand Academy of Cosmetic Dentistry.
Kontakt: clarence.tam@gmail.com