Expertenzirkel

Kurze Implantate – das sagen die Experten

Je länger, desto besser – das war einmal. 6-mm-Implantate liegen klar im Trend, selbst über noch kürzere Modelle wird derzeit diskutiert. Welche Vorteile haben die „Kurzen“? Inwieweit lassen sich Augmentationen vermeiden? Welche Bedeutung hat das Platform-Switching bei solch geringen Implantatlängen? Darum geht es im aktuellen Expertenzirkel des DENTAL MAGAZINs mit Fachleuten aus Hochschule, Praxis und Industrie.



Im DENTAL MAGAZIN diskutieren:

Dr. Paul Weigl studierte Zahnheilkunde in München und ist als OA in der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der Universitätsklinik Frankfurt a. M. tätig. Über seine neue Abteilung für Postgraduierte Ausbildung wird der Masterstudiengang „MSc of Oral Implantology“ (www.moi.uni-frankfurt.de) durchgeführt. weigl@em-uni-frankfurt.de

Dr. Mischa Krebs studierte Zahnmedizin in Mainz und ist niedergelassen in der Gemeinschaftspraxis Dres. Krebs, Alzey. Außerdem ist er als OA in der Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie und Implantologie der Goethe-Universität Frankfurt a. M. tätig und Dozent der Zahntechniker Meisterschule Frankfurt a. M. Kontakt: mischa@dr-krebs.net

Dr. Ricarda Jansen studierte Zahnmedizin in Gießen und arbeitete von 1998 bis 2000 als Ausbildungsassistentin, anschließend stieg sie bei DENTSPLY Friadent ein, wo sie unter anderem die Positionen Senior Manager Scientific Marketing/Medical Writing bekleidete. Seit April 2013 ist sie Director Global Clinical Affairs Education bei DENTSPLY Implants. Kontakt: ricarda.jansen@dentsply.com

Dr. Helmut Steveling studierte nach Abschluss einer zahntechnischen Ausbildung Zahnmedizin an der Universität Würzburg. Dort war er zunächst Assistenzarzt, dann Oberarzt. 1992 wechselte er zur Uni Heidelberg. Seit 2009 ist er niedergelassen in eigener Praxis in Gernsbach. Schwerpunkte: Implantologie, Ästhetik. Kontakt: helmut.steveling@t-online.de


Herr Dr. Krebs, Sie arbeiten sowohl in einer Zahnarztpraxis als auch in einer Poliklinik. Liegen kurze Implantate im Trend?

Krebs: Absolut, Jahr für Jahr inserieren wir in unserer Poliklinik mehr kurze Implantate bzw. kürzere Implantate.

Worauf führen Sie das zurück?

Krebs: Auf den Wunsch der Patienten. Während wir Chirurgen zwar oftmals das Augmentieren vorziehen, schrecken viele Patienten vor diesem doch invasiveren Eingriff eher zurück. Kurze Implantate sind da eine gute Alternative.

Bitte nennen Sie die konkreten Vorteile.

Jansen: Ein wesentlicher Vorteil kurzer Implantate liegt in der potenziellen Vermeidung aufwendiger chirurgischer Eingriffe. So lassen sich bei begrenztem Knochenangebot größere Augmentationen wie Sinusbodenelevationen umgehen und anatomische Strukturen schonen, etwa die Kieferhöhle oder der N. alveolaris inferior. Positiv sind vor allem die kürzeren Behandlungszeiten, der Verzicht auf umfangreiche diagnostische Maßnahmen, die Patientenakzeptanz und die geringeren Behandlungskosten.

Wann gilt ein Implantat als „kurz“?

Steveling: Vor einigen Jahren verstand man darunter Implantate von unter 10 mm. Heute messen „Kurze“ weniger als 8 mm. Bei der Europerio 2009 in Stockholm haben wir aus der Heidelberger MKG-Chirurgie Zehnjahresergebnisse mit 8- und 9-mm-Implantaten vorgestellt. In Bezug auf den Erhalt des marginalen Knochens schnitten diese Implantate besser ab als längere. Damit werden die theoretischen Berechnungen von Pierrisnard aus dem Jahr 2003 klinisch bestätigt.

Jansen: Den Status „kurz“ erhalten bei DENTSPLY Implants Implantate im Bereich von zirka 6 mm. Ein Blick in die Literatur zeigt aber, dass unter „kurz“ ganz unterschiedliche Implantatlängen verstanden und untersucht werden. Teilweise gelten noch immer Implantate von 10 mm Länge als kurz [9]. In unserem Produktportfolio zählen wir heute die 8-mm-Implantate zu den Standardlängen.

Herr Dr. Steveling, seit wann setzen Sie 6-mm-Implantate ein?

Steveling: Seit 2008. In allen Indikationsbereichen werden die Ergebnisse von Blanes (2007) und Kotsovilis et al. (2009) bestätigt. Wichtig bei der Verwendung kurzer zweiteiliger Implantate ist die mikrobewegungsfreie Implantat-Abutment-Verbindung. Das möchte ich ausdrücklich betonen.

In welchen konkreten Fällen inserieren Sie kurze Implantate?

Steveling: Bei einem zweizeitigen Vorgehen lassen sie sich in fast allen Fällen nutzen. Die Voraussetzung ist ein ausgeheiltes und suffizientes Knochenareal.

Krebs: Auch wir verwenden die „Kurzen“ bei nahezu allen Indikationen. Bei sehr starken vertikalen Defiziten steigen allerdings die Belastungen auf die Implantat-Abutment-Verbindung stark an. Diese Fälle sind nur mit Implantaten zu versorgen, die hochfeste konische Verbindungen haben. Das sehe ich wie Dr. Steveling. Sonst steigt das Risiko von mechanischen Komplikationen stark an.

Wie sieht es mit Kontraindikationen aus?

Steveling: Bei Sofortimplantationen sind kurze Implantate meiner Meinung nach klar kontraindiziert!

Herr Dr. Weigl, wann raten Sie von „Kurzen“ ab?

Weigl: Bei Einzelzahn- oder Schaltlücken im Frontzahnbereich mit starker vertikaler Kieferkammatrophie. In diesen Fällen ist eine vertikale Augmentation indiziert – aber nicht etwa, um die Insertion langer Implantate zu ermöglichen, sondern um eine physiologische Länge einer implantatverankerten Krone zu erzielen.

Wie sieht es bei Sofortimplantationen aus?

Weigl: Aufgrund der reduzierten Primärstabilität lassen kurze Implantate keine Sofortbelastungsprotokolle zu. Da stimme ich Dr. Steveling zu. Für die verbleibenden Indikationen sind kurze Implantate zu empfehlen, wenn dadurch eine Vergrößerung des vertikalen Knochenangebots durch Augmentation oder Distraktion vermieden werden kann.

In der Literatur werden Implantatlängen von mindestens 5 mm beschrieben, geht es auch noch kürzer? Funktionieren 3- oder 4-mm-Modelle?

Steveling: Gemäß den Berechnungen von Pierrisnard findet die Belastung des Knochens in den ersten 3 mm statt. Von der praktischen Seite ist die Unterbringung der Innenverbindung des Abutments der limitierende Faktor. Daher wird die kürzeste mögliche Länge – je nach dem Design der Verbindung – bei 4 bis 6 mm liegen. Von 5 und 6 mm langen Implantaten gibt es bereits von verschiedenen Systemen auch klinische Daten.

Je länger, desto besser, hieß es lange. Gilt das bei keiner Indikation mehr?

Krebs: Jedenfalls nicht so generell. Heute werden in unserer Poliklinik regelmäßig 6 und 8 mm lange Implantate inseriert. Eigene Langzeitstudien zeigen, dass es statistisch keine Unterschiede in den Erfolgsraten von 8 mm, 9,5 mm und 11 mm langen Implantaten mit konischer Verbindung gibt. Auch 6 mm lange Implantate funktionieren in Bezug auf die Osseointegration zuverlässig und zeigen vielversprechende Ergebnisse.

Warum geht es nicht noch kürzer?

Krebs: Noch kürzere Implantate mit stabilen Implantat-Abutment-Verbindungen sind nur schwer herzustellen. Hier ist die Grenze also nicht die Biologie, sondern der Raum für die Mechanik der Verbindung. Wie bereits erwähnt, ist die Stabilität der Verbindung gerade bei großen vertikalen Defekten der limitierende Faktor. Diese Fälle sind oft nur mit riskanten vertikalen Augmentationen oder kurzen Implantaten zu lösen.

Welche Rolle spielt die Implantatlänge für die Stabilität?

Jansen: Generell hängt die Stabilität eines Implantats im Knochen von der Osseointegration ab. Für diese wiederum ist nicht allein die Implantatlänge ausschlaggebend, sondern die Gesamtoberfläche des Implantats, an die sich der Knochen anlagern kann. Somit kommt neben der Oberfläche selbst auch dem Durchmesser und dem Implantatdesign große Bedeutung zu. Bezogen auf die Höhe des prothetischen Aufbaus und die somit auf das Implantat wirkende Belastung bei Krafteinwirkung scheinen sich Implantatlängen von mindestens 5 mm zu bewähren [11].

Die Mechanik setzt hier die Grenzen, nicht etwa die Biologie, sagt Dr. Krebs. Stimmen Sie zu?

Jansen: Ja, schließlich ist bei Implantaten mit innenliegender Verbindung aus technischen Gründen eine Mindestlänge notwendig, um die Innengeometrie, die sich in der Regel bei längeren Implantaten bereits bewährt hat und die zudem eine prothetische Kompatibilität ermöglicht, im Implantat unterzubringen.

Haben Sie auch 4-mm-Modelle im Sortiment?

Jansen: Nein, ab Sommer kann DENTSPLY Implants aber neben dem bereits erfolgreich etablierten ASTRA TECH Implant System OsseoSpeed TX 6 mm auch ein kurzes ANKYLOS mit 6,6 mm Länge anbieten.

Kommen wir zum Inserieren. Worauf muss der Zahnarzt beim Setzen kurzer Implantate besonders achten?

Steveling: Das chirurgische Vorgehen ist genau das gleiche wie bei längeren Implantaten. Nach meinen klinischen Erfahrungen zeigen Implantate nach möglichst atraumatischem Einbringen die besten Langzeitergebnisse. Ich nutze daher beim Eindrehen von Implantaten nur 20 bis maximal 25 Ncm.

Das Prozedere ist also identisch?

Jansen: Für den Einsatz von kurzen Implantaten gelten zunächst die gleichen Regeln wie für Standardimplantate. Natürlich muss auch für die suffiziente Positionierung eines kurzen Implantats das horizontale und vertikale Knochenangebot ausreichend sein. Entgegen früheren Annahmen spielt die Kronen-Implantat-Ratio jedoch eine untergeordnete Rolle.

Bitte konkretisieren Sie das.

Jansen: Interessanterweise ist die Kronenhöhe viel entscheidender für den Langzeiterfolg von dentalen Implantaten, wie unter anderem Nissan et al. zeigen konnten [6]. Allerdings werden kurze Implantate meist dann eingesetzt, wenn nur noch wenig Restknochen vorhanden ist, was eine exzessive Ausdehnung der Krone nötig machen würde. Dementsprechend müssen sinnvolle prothetische Konzepte zur Kompensation des vergrößerten intermaxillären Abstands angewendet werden.

Wie „steil“ ist die Lernkurve?

Krebs: Hier sehe ich kaum besondere Herausforderungen für geübte Implantologen. Kurze Implantate können chirurgisch, wie auch prothetisch grundsätzlich genauso inseriert und versorgt werden wie längere Implantate.

Weigl: Eine exakte Aufbereitung der Knochenkavität ist für die Erzielung einer gewissen Primärstabilität erforderlich. Allerdings arbeitet ein Implantatsystem ohne Primärstabilität.

Was ist darüber hinaus zu beachten?

Jansen: Die prothetische Versorgung ist ausschlaggebend für den Langzeiterfolg bei Implantaten, die im stark atrophierten Kiefer eingesetzt werden. Das Präparationsprotokoll unterscheidet sich aber nicht von den Implantaten größerer Länge. Lediglich bei weichem Knochen der Klasse 4 sollte zur Verbesserung der Primärstabilität beim ANKYLOS Implantat kein Gewinde vorgeschnitten werden. Bei Anwendung des OsseoSpeed TX Implantats mit 6 mm Länge wird eine geschlossene Einheilung empfohlen.

Kommen wir zur Relevanz des Platform-Switchings im Praxisalltag …

Weigl: Platform-Switching in Kombination mit einer dichten Implantat-Abutment-Verbindung und einer krestalen oder leicht subkrestalen (0,5 mm) Platzierung der Implantatplattform erhöht grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit enorm, dass der periimplantäre krestale Knochen nach der Implantatinsertion überleben kann. Mit anderen Worten tritt im Vergleich zu anderen Implantat-Abutment-Verbindungstypen der ca. 2,5 mm betragende vertikale Knochenverlust sehr selten auf. Das Platform-Switching beeinflusst zusammen mit weiteren Faktoren das postoperative Remodeling des krestalen Knochens positiv, sowohl bei kurzen als auch bei Standard-Implantaten.

Wie wirkt sich das aus?

Weigl: Es gibt weniger marginalen Knochenabbau nach Insertion und prothetischer Versorgung. Bei kurzen Implantaten sind 2,5 mm Knochenverlust in Relation zur im Knochen verbleibenden Implantatlänge sehr viel bzw. zu viel. Daher sollten Implantate mit oder weniger als 6 mm Länge dieses Platform-Switching aufweisen.

Aber im Grunde ist Platform-Switching ja nicht neu …

Steveling: Korrekt, der positive Effekt einer Änderung des Durchmessers oberhalb der Knochenkante ist eigentlich seit den Zeiten des Tübinger Sofortimplantats bekannt. Schulte nannte die Änderung des Durchmessers einfach Rille, die einen Halbmesser von 1 mm hatte. Diese Rille diente zur Adaptation der Weichgewebsmanschette. Nach der Kreisformel beträgt die Länge dieser Rille 3,1415 mm, hat also etwa das Maß der 1961 von Garguilo beschriebenen biologischen Breite. Diese Dimension scheint auch klinisch gut zu funktionieren.

Wann hat sich dieser Effekt als „Platform-Switching“ etabliert?

Krebs: Als Lazzara und Porter das Platform-Switching 2006 als „a new concept in implant dentistry for controlling postrestorative crestal bone levels“ beschrieben haben – da war das Platform-Switching eigentlich schon mehr als 20 Jahre alt, wurde nur nicht so bezeichnet. Bei verschiedenen Implantat-Systemen mit konischer Verbindung ist ohnehin Platform-Switching systemimmanent und so schon seit den 80er-Jahren in der klinischen Anwendung.

Sind die Vorteile inzwischen wissenschaftlich belegt?

Weigl: Neuere Studien festigen mehr und mehr die klinische Beobachtung, dass Platform-Switching einen statistisch signifikanten Einfluss auf das Ausmaß des krestalen Knochenabbaus in der ersten Belastungsphase des Implantats hat.

Jansen: Dennoch, trotz aller Vorteile, es gibt auch widersprüchliche Ergebnisse [2; 4].

Wie viel Platform-Switching sollte es denn sein?

Weigl: Die horizontale Länge der Stufe, die durch das Platform-Switching entsteht, spielt in vielen tierexperimentellen und klinischen Studien eine Rolle. Dabei verringert sich der krestale Knochenabbau mit zunehmender Stufenlänge. Bei genauerer Analyse dieser Literatur wurden aber nicht-konische Implantat-Abutment-Verbindungen angewandt. Bei konischen Implantat-Abutment-Verbindung zeigt das Ausmaß der Stufe keinen Einfluss auf das Verhalten des peri-implantären Knochens.

Was lässt sich daraus ableiten?

Weigl: Folgendes hypothetisches Erklärungsmodell lässt sich hierzu formulieren: Das Platform-Switching führt ab der ersten Belastung des Implantats zu einer Verringerung der Spannung am Knochen-Interface, weil eine Spannungskonzentration an der durch das Platform-Switching entstehenden Ecke eine günstige örtliche Umverteilung der auftretenden Spannungen verursacht. Ist das Implantat eingeheilt, ist diese Umverteilung nicht mehr nötig, weil die dreidimensionale Struktur der Knochentrabekel für eine gleichmäßige Spannungsverteilung im Alveolarkamm sorgt. Daher tritt der ca. 2,5 mm betragende krestale Knochenverlust bei nicht platform-geswitchten Implantaten ausschließlich in der Einheilphase auf – später wird auch kein krestaler Knochenabbau mehr beobachtet, weil auch hier die optimal verlaufenden Knochentrabekel eine krestale Spannungsüberlastung vermeiden. Der Einfluss der Länge der horizontalen Stufe beim Platform-Switching kann durch ein etwas vermehrtes Leakage am Implantat-Abutment-Interface erklärt werden. Je weiter der Austrittsort der knochenschädigenden Flüssigkeit aus dem Implantatinneren entfernt ist, desto weniger Knochenabbau tritt auf. Verbindungen mit einer zusätzlichen Abdichtung durch einen Konus scheinen diesen Effekt wegen verbesserter Dichtigkeit zu eliminieren.

Wie viel Platform-Switching braucht es, Herr Dr. Krebs, Frau Dr. Jansen?

Krebs: Schon relativ kleine „Stufen“ wie bei dem ASTRA TECH Implant System können ausreichen, um den vertikalen Knochenabbau zu minimieren, wenn sie mit weiteren Faktoren, unter anderem einer mechanisch stabilen konischen Verbindung, kombiniert werden. Bei konischen Systemen wird die Größe der Stufe bereits durch die Wandstärke des Implantats vorgegeben.

Jansen: Die Studienlage ist auch hier nicht einheitlich. Allerdings konnten Romanos et al. in einer jüngst veröffentlichten Untersuchung zeigen, dass über den Beobachtungszeitraum der krestale Knochen an allen in der Studie verwendeten ANKYLOS-Implantatdurchmessern sehr stabil war [8]. Somit scheint das Ausmaß des sogenannten „mismatch“ zwischen Aufbau und Implantat nicht unbedingt ausschlaggebend zu sein.

Was ist denn ausschlaggebend?

Jansen: Vieles weist darauf hin, dass Platform-Switching als Maßnahme zur Verbesserung der Gewebestabilität nicht isoliert betrachtet werden sollte. Zum marginalen Gewebeerhalt bei Implantaten tragen neben dem Platform-Switching weitere Faktoren wie Mikro- und Makrostruktur der Implantatoberfläche sowie ein dichter Verschluss der Implantat-Abutment-Verbindung und damit das Fehlen von Mikrobeweglichkeit gleichermaßen bei (TissueCare-Konzept von ANKYLOS/BioManagement-Complex von ASTRA TECH Implant System). Aber natürlich sind auch wir daran interessiert, dem Geheimnis hinter dem erfolgreichen Konzept des Platform-Switching noch weiter auf die Spur zu kommen, und unterstützen daher verschiedene Studien zu diesem Thema.

Es bleibt also spannend?

Jansen: Auf jeden Fall! Neuere Veröffentlichungen beispielsweise von Telemann et al. oder Koutouzis und Kollegen scheinen den geringeren krestalen Knochenverlust erneut zu bestätigen [5, 10]. Interessant sind auch die kürzlich von der Arbeitsgruppe um Rodriguez und Vela präsentierten Beobachtungen: Offenbar scheint Platform-Switching die zirkuläre Orientierung der Fasern im Plattformbereich zu fördern [7].

Hilft neben der geringeren Länge auch das Implantatdesign, Augmentationen zu vermeiden?

Krebs: Ja, durch die Auswahl der passenden Implantatdimension lassen sich Augmentationen vermeiden. Neben den Kurzen, die beispielsweise vertikale Augmentationen oder Sinusliftoperationen vermeiden können, möchte ich auch durchmesserreduzierte Implantate nennen. Eigene Langzeitstudien belegen, dass es keinen signifikanten Unterschied bezüglich der Erfolgsraten von Implantaten mit 3,5 mm im Vergleich zu größeren Durchmessern gibt. So können beispielsweise laterale Augmentationen durch durchmesserreduzierte Implantate vermieden werden. Auch eine abgeschrägte Implantatschulter kann, bei basal größerer Knochenbreite, eine laterale Augmentation ersetzen.

Weigl: Um trotz geringer Länge eine ausreichende Primärstabilität erzielen zu können, sollte neben dem Platform-Switching ein aggressives Implantatgewinde ein zusätzliches Designmerkmal für ein kurzes Implantat sein.

Steveling: Das Design sollte ermöglichen, das Implantat auch subkrestal zu platzieren, vor allem bei dünner Schleimhautdecke. Nach Beginn der funktionellen Belastung etabliert sich immer die biologische Breite, was dann mit Knochenverlust verbunden ist. Bei epikrestaler Platzierung kann dies nur durch eine Bindegewebstransplantation vermieden werden. Die Oberflächentextur muss also bis zur Implantatschulter vorhanden sein, das Implantat sollte keinen polierten Hals aufweisen. Besonders bei der Verwendung von kurzen Implantaten müssen bei der funktionellen Belastung natürlich eine gleichmäßige Belastung des umgebenden Kochen und eine Vermeidung von Spannungsspitzen gewährleistet sein. In der Natur gilt das von C. Mattheck beschriebene Axiom der gerechten Spannungsverteilung. Auch für Dentalimplantate gilt es auftretende Spannungen möglichst genau zu analysieren, um dann dort, wo hohe Spannungen auftreten, entweder das Design zu modifizieren, um damit Spannungen zu reduzieren, oder das Implantat materialtechnisch in diesen Bereichen zu verstärken. Durchmesserreduzierte Implantate versuche ich möglichst zu vermeiden.

Jansen: Prinzipiell sollte die Entscheidung für oder gegen eine Augmentation basierend auf der individuellen klinischen Situation getroffen und nicht allein vom Implantatdesign abhängig gemacht werden. Teilaspekte des Implantatdesigns wie Implantatlänge oder -durchmesser können zwar dazu beitragen, dass sich augmentative Eingriffe vermeiden lassen. Allerdings sind bei der Behandlungsplanung immer Parameter wie Material und Belastungsvorgaben zu beachten, die gewisse Mindestwandstärken und -durchmesser bedingen und somit ggf. eine Augmentation unumgänglich machen. Dem Behandler steht mittlerweile eine Vielzahl von evidenzbasierten Konzepten zur Verfügung, um abgestimmt auf die Patientensituation eine optimale Behandlungslösung auszuwählen.

Herr Dr. Krebs, was raten Sie dem Praktiker?

Krebs: Kurze und durchmesserreduzierte Implantate können in der Praxis bedenkenlos angewandt werden, auch wenn die Zahl der Studien für Implantate mit weniger als 6 mm Länge noch relativ klein ist.

Braucht es weitere Studien?

Krebs: Langzeitstudien, die den langfristigen Erfolg von kurzen, abgeschrägten Implantaten unter 8 mm Länge belegen, sollten durchgeführt werden.

Herr Dr. Steveling, in welchen Bereichen sehen Sie als Praktiker noch Forschungsbedarf bzw. Verbesserungsmöglichkeiten?

Steveling: Vor allem im Bereich der Abutmentoberflächen innerhalb des Weichgewebes. Dort gilt es, die optimale Oberflächenstruktur für den langfristigen Erhalt der Weichegewebeadaptation zu gestalten, gleichgültig ob wir kurze oder Standardimplantate verwenden. Zurzeit wissen wir nur, dass in diesem Bereich die polierte Oberfläche nicht das Optimum darstellt, wie jahrelang vermutet wurde. Bei den CAD/CAM- hergestellten individuellen Abutments sollten heute daher die maschinierten Oberflächen nicht bearbeitet werden. Ob weitere Modifikationen eine Verbesserung ermöglichen, muss vor allem klinisch erprobt werden.

Zusammenfassung

  • Mit kurzen Implantaten lassen sich bei begrenztem Knochenangebot Augmentationen wie Sinusbodenelevationen umgehen. Anatomische Strukturen werden geschont.
  • Als kurz gelten Implantate von zirka 6 mm. 8-mm-Implantate zählen heute bereits zu den Standardlängen.
  • Kontrandiziert sind die „Kurzen“ bei Einzahn- oder Schaltlücken im Frontzahnbereich mit starker vertikaler Kieferkammatrophie sowie bei Sofortimplantationen.
  • Nicht die Biologie, sondern die Mechanik setzt derzeit Grenzen für noch kürzere Implantate: Stabile Implantat-Abutment-Verbindungen lassen sich bei unter 4 mm Länge nur schwer realisieren.
  • Fürs Inserieren der Kurzen gelten die gleichen Regeln wie für Standardimplantate.
  • Das Platform-Switching beeinflusst das postoperative Remodeling des krestalen Knochens sowohl bei Kurzen als auch bei Standardimplantaten positiv.
  • Der krestale Knochenverlust bei nicht platform-geswitchten Implantaten tritt ausschließlich in der Einheilphase auf. Später wird kein Knochenabbau mehr beobachtet.
  •  Neue Veröffentlichungen bestätigen den geringeren krestalen Knochenverlust erneut. Interessant: Platform-Switching scheint offenbar auch die zirkuläre Orientierung der Fasern im Plattformbereich zu fördern.
  •  Die Stabilität eines Implantats hängt nicht in erster Linie von der Länge, sondern von der Osseointegration ab.

Literatur Dr. Ricarda Jansen

1. Atieh MA, Ibrahim HM, Atieh AH: Platform Switching for Marginal Bone Preservation Around Dental Implants: A Systematic Review and Meta-Analysis. Journal of periodontology 2010;

2.Becker J, Ferrari D, Herten M, Kirsch A, Schaer A, Schwarz F: Influence of platform switching on crestal bone changes at non-submerged titanium implants: a histomorphometrical study in dogs. J Clin Periodontol 2007;34:1089–1096

3 Becker J, Ferrari D, Mihatovic I, Sahm N, Schaer A, Schwarz F: Stability of crestal bone level at platform-switched non-submerged titanium implants: a histomorphometrical study in dogs. J Clin Periodontol 2009;36:532–539

4. Cochran DL, Bosshardt DD, Grize L, et al.: Bone response to loaded implants with non-matching implant-abutment diameters in the canine mandible. Journal of periodontology 2009;80:609–617

5.Koutouzis T, Fetner M, Fetner A, Lundgren T: Retrospective evaluation of crestal bone changes around implants with reduced abutment diameter placed non-submerged and at subcrestal positions: the effect of bone grafting at implant placement. Journal of periodontology 2011;82:234–242

6.Nissan J, Ghelfan O, Gross O, Priel I, Gross M, Chaushu G: The effect of crown/implant ratio and crown height space on stress distribution in unsplinted implant supporting restorations. Journal of oral and maxillofacial surgery : official journal of the American Association of Oral and Maxillofacial Surgeons 2011;69:1934–1939

7. Rodriguez X, Vela X, Calvo-Guirado JL, Nart J, Stappert CF: Effect of platform switching on collagen fiber orientation and bone resorption around dental implants: a preliminary histologic animal study. Int J Oral Maxillofac Implants 2012;27:1116–1122

8. Romanos GE, Gaertner K, Nentwig GH: Long-Term Evaluation of Immediately Loaded Implants in the Edentulous Mandible Using Fixed Bridges and Platform Shifting. Clin Implant Dent Relat Res 2013;

9.Sanchez-Garces MA, Costa-Berenguer X, Gay-Escoda C: Short Implants: A Descriptive Study of 273 Implants. Clin Implant Dent Relat Res 2012;14:508–516

10. Telleman G, Raghoebar GM, Vissink A, Meijer HJ: Impact of platform switching on inter-proximal bone levels around short implants in the posterior region; 1-year results from a randomized clinical trial. J Clin Periodontol 2012;39:688–697

11. Urdaneta RA, Daher S, Leary J, Emanuel KM, Chuang SK: The survival of ultrashort locking-taper implants. Int J Oral Maxillofac Implants 2012;27:644–654