Ästhetik in der Front – jeder Zahn zählt
Um ein ideales Behandlungsergebnis zu erreichen, sollten alle Fachdisziplinen der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde sowie die Zahntechnik in die Diskussion einbezogen werden. Das gesamte Team muss die Zahngröße, die Lachlinie und den Gingivaverlauf des Patienten kennen. Nur dann gelingen ästhetische Ergebnisse.
Die Ansprüche und Erwartungen unserer Patienten stellen uns bei komplexen Fällen vor eine große Herausforderung. Die Planung der Behandlung muss zusammen mit dem Patienten erfolgen, sodass das Ziel der Therapie gemeinsam festgelegt werden kann. Dies sollte den Erwartungen des Patienten entsprechen.
Mit moderner Technik
Dazu können wir mit modernen Techniken unseren Patienten vor der Behandlung zeigen, was möglich ist und welches Ziel erreicht werden kann. Dies können wir beispielsweise mit dem Digital Smile Design, entwickelt von Christian Coachman, voll digital unserem Patienten am Computer präsentieren. Nicht in allen Fällen kann unserem Patienten dies in Form eines Mock-ups direkt im Mund gezeigt und somit als Testdrive probegetragen werden. Komplexere Fälle ermöglichen es nicht immer, das gemeinsame Ziel darstellen zu können. Um ein ideales Behandlungsergebnis zu erreichen, müssen alle Fachdisziplinen der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und die Zahntechnik einbezogen und es muss mit unseren Patienten diskutiert werden. Unserem Patienten vor der Behandlung zeigen zu können, wie das Ergebnis aussehen könnte, ist nicht nur eine Motivation für unsere Patienten, sondern auch ein Abgleich der Erwartungen, zum einen von Patientenseite und zum anderen vonseiten des Behandlers.
Häufig sind neben der funktionellen, parodontalen und ästhetischen Analyse weitere Teilschritte notwendig, um das Behandlungsergebnis gemeinsam definieren zu können. Für diese Analysen sind mittlerweile Videoaufzeichnungen der Patienten am besten geeignet. Damit können Sprachmuster, Lachlinienverlauf und funktionelle Bewegungen aufgezeichnet werden. Neben der digitalen Welt können auch in einer simplen Keynote-Präsentation die notwendige Zahngröße, die Lachlinie und der gingivale Verlauf eingezeichnet und zusammen mit dem Zahntechniker besprochen werden. Das Weichgewebe ist in den meisten Fällen für den ästhetischen Erfolg entscheidend.
Der konkrete Fall
In unserem Fallbeispiel stellt sich eine Patientin mit 45 Jahren bei uns in der Zahnklinik vor. Ihr Anliegen war eine Verbesserung der Ästhetik in der Front. Nach der ersten Besprechung wurde eine funktionelle, parodontale und ästhetische Analyse durchgeführt. Der intra- und extraorale Fotostatus zeigt deutlich die Ausgangssituation (Abb. 1 und 2). Daraufhin wurden Röntgenbilder, in diesem Fall ein Orthopantomogramm, erstellt (Abb. 3). Im Folgenden ebenso eine dreidimensionale Aufnahme des Oberkiefers, da eine implantologische Lösung in das Gesamtbehandlungskonzept einbezogen wurde.
Nach der ersten Analyse wurden alle alten Kronen entfernt. Nach Begutachtung der Situation der Zahnstümpfe wurden erneut Abformungen gemacht, um ein definitives Wax-up erstellen zu können (Abb. 4 und 5). Wir beschlossen gemeinsam, alle Zähne zu erhalten und die insuffizient endodontisch behandelten Zähne zu revidieren.
Kieferorthopädische Vorbehandlung
Nach der erfolgreichen endodontischen Behandlung wurde mit der Patientin eingehend eine kieferorthopädische Vorbehandlung diskutiert. Dabei wurde der Zahntechniker eng mit einbezogen. Da das mögliche Behandlungsziel ohne diese Behandlung ein kompromittiertes Ergebnis zur Folge hätte, war dies ein wichtiger Schritt, um der Patientin vermitteln zu können, wie das Ergebnis ohne diesen Therapieschritt aussehen könnte.
Aufgrund der zahntechnischen Vorbereitung konnten wir die Patientin mit einem ersten Provisorium versorgen und unsere Analyse weiterführen (Abb. 6 und 7). Die Lachlinie erfordert eine Korrektur des gingivalen Verlaufs (Abb. 8). Dazu wurde eine Operationsschablone für einen apikal repositionierten Lappen hergestellt (Abb. 9).
Erster plastisch ästhetischer mukogingivalchirurgischer Eingriff
Im nächsten Schritt erfolgte der erste plastisch ästhetische mukogingivalchirurgische Eingriff. Das Provisorium wurde abgenommen und die Operationsschablone eingesetzt (Abb. 10). Dadurch kann der gingivale Verlauf bei ausreichender keratinisierter Gingiva reduziert werden. Das Anzeichnen mit einem Elektrotom und dem Mikroskalpell stellt den gewünschten neuen gingivalen Verlauf dar. Mit der Parodontalsonde wird durch das sogenannte Bonesounding der dentogingivale Komplex und somit der Abstand der Präparationsgrenze und des knöchernen Verlaufs gemessen (Abb. 11). Es wird ein mikrochirurgischer Spaltlappen gebildet, bei dem das Periost auf dem Alveolarkamm belassen wird. Anschließend wird an allen nötigen Stellen der Knochen reduziert. Dazu können Kugelfräsen, Ultraschallinstrumente oder Handküretten verwendet werden. Anschließend wurde an der Position 024 ein Implantat mit dem Durchmesser 3,5 inseriert. Der Lappen wurde mit einer Mikronaht 6/0 – 15 Seralene dicht verschlossen (Abb. 12 und 13). Auf dem Kontrollröntgenbild sind die revidierten endodontisch behandelten Zähne und das Implantat gut zu erkennen (Abb. 14). Nach der ersten Wundheilungsphase wurden zehn Tage postoperativ die Fäden entfernt (Abb. 15). Nach weiteren drei Monaten konnte nachpräpariert und das Provisorium unterfüttert werden (Abb. 16 und 17). Das Ergebnis wurde erneut mit der Patientin diskutiert und die Rezession am Zahn 13 störte sie noch sehr. Daraufhin wurde ein zweiter plastischer parodontalchirurgischer Eingriff durchgeführt.
Mit der Tunneltechnik wurde mikrochirurgisch ein Spaltlappen über die beiden Nachbarzähne hinaus präpariert. Dazu wurden ein Mikroskalpell und Tunnelinstrumente verwendet. Nachdem im Spaltlappen genügend Mobilität erreicht wurde, konnte das Bindegewebstransplantat entnommen werden. Dies wurde palatinal regio 27 nach der intraoralen Deepithelialisierung mit dem Diamanten entnommen (Abb. 18). Die Einbringung des Transplantats erfolgte mithilfe von Haltenähten durch den sulkulären Zugang der Nachbarzähne 14 und 12 (Abb. 19).
Komplikation Narbenbildung
Aufgrund einer Wundheilungsstörung konnte leider kein ideales Ergebnis erzielt werden. Eine Narbenbildung ist als Komplikation nach einer mukogingivalen Korrektur anzusehen und nur durch das vestibuläre Abschleifen der narbigen Furche zu verbessern. Nach einer erneuten Heilungsphase von drei Monaten wurde das Provisorium verbessert, um eine ideale Ausgangssituation für die finale prothetische Versorgung zu haben. Das Provisorium muss so gut sein, dass nur noch eine Kopie dessen in Keramik erfolgen muss (Abb. 20). Die finale Versorgung erfolgte in Keramik, bei der nur die Zähne 11 und 21 verblockt wurden. Dadurch soll eine erneute Öffnung des Diasthemas vermieden werden (Abb. 21).
Diskussion
Die Planung in komplexen Fällen ist für den Erfolg der Behandlung ganz entscheidend. Dabei müssen wir ganz eng mit dem Zahntechniker zusammenarbeiten und versuchen, alle Fachdisziplinen miteinzubeziehen. In dem vorgestellten Fall konnte mit dem Erhalt aller eigenen Zähne und einem zusätzlichen Implantat, ein für die Patientin sehr schönes Ergebnis erzielt werden. Die Alternativen mit Kieferorthopädie und implantologischem Ersatz wurden im Vorfeld ausführlich diskutiert und abgewägt. Am Ende war die Patientin mit der neuen Versorgung äußerst glücklich.
Dr. Paul Leonhard Schuh
implaneo Dental Clinic, München
p.schuh@implaneo.de
Prof. Dr. Hannes Wachtel
implaneo Dental Clinic, München
ZTM Andreas Schenk
implaneo Dental Clinic, München