Die perfekte Planung für eine gelungene Wurzelkanalbehandlung

3D Endo: Mehr Sicherheit durch virtuelle Planung

Wie viele Wurzelkanäle sind vorhanden? Wie gestaltet sich die Wurzelkanalanatomie und -morphologie? Gibt es starke Krümmungen und Verzweigungen? Speziell bei Unterkieferprämolaren tappt der Behandler oft im Dunkeln. Hier ist zwar in der Regel nur ein Kanal vorhanden, aber wenn es einen weiteren oder sogar dritten Kanal gibt, dann bringt die Intraoralaufnahme meist keine eindeutige Klärung der anatomischen Verhältnisse. Eine neue Software kann helfen. Sie ermöglicht anhand von DVT-Aufnahmen im Low-Dose-Modus exakte Fallplanungen, selbst bei kritischen Fällen. Dr. Tomas Lang erklärt, wie sie funktioniert.



Aufgrund der hohen Strahlenbelastung sind 3D-Aufnahmen in der Zahnmedizin umstritten. Speziell in der Endodontie gilt die dritte Dimension als too much. Plädieren Sie dennoch dafür?
Lang: Lange Zeit war ich da sehr skeptisch. Aber es hat sich etwas bewegt. Die ersten DVTs kamen vor rund zehn Jahren auf den Markt. Die Aufnahmen wiesen ein Viertel der Strahlenbelastung von dentalen CTs auf. Heute liegen HD-Aufnahmen, wenn man hochauflösend mit kleiner Voxelauflösung arbeitet, bei 50 bis 200 µSv, bei manchen Herstellern wohl auch noch bei 300 µSv. Aber solch hohe Dosen spielen in der Endodontie so gut wie keine Rolle, weil wir auf ein kleineres Feld „einblenden“.

Das bedeutet?
Lang:
Das bedeutet, wir verwenden in der Endodontie in der Regel das kleinste einstellbare Volumen. Bei unserem Gerät, dem Orthophos SL beträgt dieses 5×5 cm. Dieses Einblenden schließt Regionen, die strahlenempfindlicher sind, aus. Die Strahlenbelastung reduziert sich auf 40–80 µSv bei HD-Aufnahmen. In einem speziellen Low-Dose-Modus lässt sich durch einen vorgeschalteten Kupferfilter die Effektive Dosis weiter dramatisch absenken. Diese beträgt dann nur noch 3–6 µSv.

Das scheint aber im Vergleich zu Einzelaufnahmen – und das ist ja der Goldstandard in der Endo – nach wie vor hoch.
Lang:
Bezogen auf das HD-DVT stimmt das. Eine Einzelaufnahme belastet den Patienten mit einer Effektiven Dosis von 2–6 µSv je nach Region und verwendeter Technik. Hoch ist das im Vergleich mit einem HD-DVT nur, wenn man eine Einzelaufnahme zugrunde legt. Im Rahmen einer endodontischen Therapie können aber aufgrund von verschiedenen Fragestellungen schnell acht bis zwölf Einzelbilder entstehen. Allein bevor ein Zahn trepaniert wird, sind schon zwei Aufnahmen in zwei Ebenen nötig. Bei solchen Einzelbildern wird mit sogenannten exzentrischen Röntgentechniken gearbeitet, die einen quasiräumlichen Eindruck vermitteln. Um diese Bilder zu interpretieren, braucht man zudem viel klinische Erfahrung. Im Therapieablauf sind dann oft weitere Aufnahmen erforderlich:

  • Wenn zum Beispiel ein Wurzelkanal nicht dargestellt werden kann, benötigt man weitere Aufnahmen um die Trepanationsrichtung abzusichern. Ist die Trepanation schon relativ tief, lässt sich mithilfe eines solchen Zwischenbilds ausmachen, wo genau man sich in der Wurzel befindet, um die Trepanationsrichtung zu optimieren.
  • Hat man die korrekte Länge eingestellt, erfolgt eine Nadelmessaufnahme.
  • Überlagern sich bei einer solchen Messaufnahme zwei Wurzelkanäle, braucht es eine weitere Nadelmessaufnahme, um die korrekte Länge einzustellen.
  • Nach der Aufbereitung der Wurzelkanals schließen sich die Masterpointaufnahmen an, bei einer thermoplastischen Wurzelfüllung erfolgen eine Downpackaufnahme und eine Backfillaufnahme, die zusätzlich exzentrisch gefertigt werden. So können schnell acht bis zwölf Einzelaufnahmen erforderlich sein, womit natürlich die Dosis kumuliert steigt. Bei Einzelbildern liegt die Summe der Dosis dann zwischen 6 und 72 µSv. Durch die neuen Low-Dose-Modi werden Molaren-Röntgenaufnahmen mit einer Strahlenbelastung von 3–6 µSv möglich, wenn eine Einblendung von 5×5 cm gewählt wird. Hier sehe ich für die Zukunft große Chancen.

Und der Low-Dose-Modus reicht?
Lang:
Unsere ersten Erfahrungen haben gezeigt, dass sich die notwendigen anatomischen Details gut abbilden lassen. Nur sehr selten braucht es die Aufnahme im HD-Modus mit 40–80 µSv. Wir werden in Zukunft den Low-Dose-Modus und seine Eignung zur endodontischen Diagnostik in einer Studie wissenschaftlich untersuchen. Die ersten Erfahrungen, die ich mit der 3D-Planung im Low-Dose-Modus gemacht habe, sind aber sehr gut.

3D-Vorplanung

Was ist der Vorteil einer konsequenten 3D-Vorplanung?
Lang:
Wurzelkanäle sind biologisch gewachsene Strukturen und bei jedem Individuum morphologisch unterschiedlich, dazu gibt es zahlreiche Variationen. Bestes Beispiel: der Unterkiefer-Prämolar (siehe Fallbeispiel): In der Regel besitzt er nur einen Wurzelkanal. Doch mit einer Wahrscheinlichkeit von 5 bis 15 Prozent zwei und mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 2 Prozent sogar drei. Hat der Unterkiefer-Prämolar eines Patienten nun einen zusätzlichen Wurzelkanal, der im zweidimensionalen Röntgenbild nicht zu erkennen ist, wird der bei der Behandlung oft übersehen. Denn der Wurzelquerschnitt ist schmal, man muss mit einer kleinen Trepanationsöffnung auskommen, damit der Zahn restaurierbar bleibt. Kleine Zugänge führen zu einer schlechteren Übersicht im Operationsgebiet.
Bei einem Molaren schaut es günstiger aus. Die Trepanationsöffnung ist zwar relativ groß, die Wurzelkanaleingänge liegen am Pulpenkammerboden wie auf einem Plateau. Aber auch hier gibt es zahlreiche Tücken.

Beim Molaren wäre eine 3D-Aufnahme also nicht so oft nötig?
Lang:
Zwar kommt es seltener zu tieferen Abzweigungen in weitere Kanäle, aber auch hier gibt es den vierten und fünften Kanal sowie C-förmige Kanäle, die Radix entomolaris und oft versteckte multiplanare Wurzelkrümmungen. Daher ist auch hier eine 3D Aufnahme sehr sinnvoll, aber bei Molaren liegt therapeutisch meistens eine größere Übersicht vor. Bei einem mehrwurzeligen Prämolaren startete ein Kanal jedoch meist in der Mitte der Wurzel und teilt sich dann auf in zwei oder drei weitere Wurzelkanäle.

Kann das Mikroskop nicht helfen?
Lang:
Sicher, das ist ein wichtiges und unersetzliches Hilfsmittel. Aber aufgrund der kleinen Zugangskavität und des relativ tief gelegenen Abzweigs kann der Behandler das Mikroskop nicht so einstellen, dass er den Kanalabzweig visuell darstellen kann. Dabei ist das Wissen über die Tiefe des Abzweigs und die Richtung entscheidend. Das liefert mir die 3D-Vorplanung mit der entsprechenden Software.

Also ist die dritte Dimension beim Unterkiefer-Prämolaren ein Muss?
Lang:
Wenn aus der Einzelaufnahme ein Verdacht auf eine komplexe Anatomie abgeleitet wird, dann aus meiner Sicht ja. Mithilfe der neuen 3D Endo Software (Dentsply Sirona) lässt sich anhand dieser Aufnahmen nun eine exakte Fallplanung durchführen. Das steigert den Nutzen bei einer vorhandenen DVT-Aufnahme enorm, weil erstmals der Kanal im Raum dargestellt und vermessen werden kann.

Wie gehen Sie vor?
Lang:
Ich zeichne die einzelnen Kanäle und die ideale Projektion des apikalen Drittels bezogen auf die Kaufläche. Daraus ergibt sich dann die Trepanationsöffnung.

Sie planen also die Ausdehnung der Trepanationsöffnung, bevor Sie mit dem Aufbohren des Zahns beginnen?
Lang:
Korrekt. So weiß ich vorab, wie die Dimension der Öffnung sein muss und in welcher Tiefe die Instrumente vorgebogen werden müssen, um in den ersten, zweiten und dritten Wurzelkanal zu kommen. Das reduziert die übliche Behandlungszeit von gut zwei Stunden auf weniger als eine Stunde. Statt im Dunkeln „stochern“ zu müssen, lässt sich nach präzisem Fahrplan arbeiten (siehe Fallbeispiel).

Der konkrete Fall


Die DVT-Diagnostik in der Endodontie werde überschätzt, urteilt Prof. (CUMC, NY) Dr. Dirk Schulze, Freiburg. Nur bei einer Entzündung am Apex mache die dritte Dimension Sinn. Sehen Sie das ebenso?
Lang:
Das DVT liefert wichtige Befunde, die zusammen mit den anderen Befunden ein diagnostisches Gesamtbild ergeben. Das DVT ist kein universelles Bildgebungswerkzeug, schließt aber wichtige diagnostische Lücken. So werden Befunde in der Kieferhöhle in DVT-Aufnahmen perfekt dargestellt, Veränderungen, die durch Entzündungen hervorgerufen werden, sieht man sofort, im zweidimensionalen Bild dagegen nicht. Eine diagnostische 2D-Lücke ist beispielsweise auch der Unterkiefer-Molaren-Bereich. Dort finden wir so viel gesunden Knochen im Strahlengang bei klassischen 2D-Bildgebungen, dass eine Osteolyse im apikalen Bereich oft zu spät erkannt wird. Und da spielt die DVT genauso ihre Vorteile aus. Für eine gute Planung der endodontischen Therapie ist die Visualisierung der Zahnmorphologie wichtig. Das senkt die therapeutischen Risiken und spart Behandlungszeit. Anhand der 3D-Daten und dank der speziellen Visualisierung in der Endodontie-Software lassen sich fallspezifisch die Anforderungen an die Wurzelbehandlung des Zahns erkennen und Wurzelkanalverläufe gut analysieren.

Aber warum bekommt denn ein Zahn überhaupt eine periapikale Läsion?
Lang:
Dafür gibt es verschiedene Gründe, aber die häufigsten sind eine infizierte Pulpanekrose und eine nicht adäquat durchgeführte Wurzelkanalbehandlung. Nicht entdeckte und unvollständig gefüllte Kanäle sehe ich in meiner Praxis als Haupursachen endodontischer Misserfolge. Und genau da setzt die 3D Endo Software an. Die Vorplanung zeigt, wo die Wurzelkanäle liegen. Bereits vor der Behandlung ist die Längenmessung erfolgt. Natürlich muss der Behandler dann in der Lage sein, es klinisch umzusetzen. Da kann die 3D-Vorplanung sicher auch eine gute Schnittstelle der Generalisten zu den Spezialisten sein. Denn plant ein Generalist eine Wurzelkanalbehandlung in der Software vor, dann wird er erkennen, ober er den Fall selbst gut lösen kann oder lieber gleich zum Spezialisten überweisen sollte.

Wichtige Planungsfunktionen

Und die herkömmliche DVT-Software kann das nicht?
Lang:
Nein, herkömmliche DVT-Software besitzt keine Planungsfunktion. Damit ist lediglich eine Längenmessung innerhalb einer Schicht möglich. Das ist dann meist nicht genau. Informationen zur exakten Lokalisation der Wurzelkanäle fehlen ebenso. Die Standardsoftware berechnet weder bis zu welcher Tiefe mit dem Diamanten gearbeitet werden muss, noch, ab wann mit Endoinstrumenten sondiert werden kann und in welche Richtung die Feile vorgebogen werden sollte, um einen guten Gleitpfad zu realisieren. Plane ich einen Fall in der 3D Endo Software, lässt sich meines Erachtens in den meisten Fällen auf eine Messaufnahme verzichten. Die Visualisierungstools der 3D-Endo-Software zeigen die exakte Morphologie des Zahns.

Wie läuft das in den einzelnen Schritten genau ab?
Lang:
Man kann den Zahn separieren, er wird quasi freigestellt und lässt sich am Bildschirm wie ein extrahierter Zahn von allen Seiten betrachten. Man sieht die Außenkontur der Wurzel, die Wurzelspitze und den Wurzelkanalverlauf inklusive der Lage der initialen Feile. Die normale DVT-Software rendert das gesamte Volumen dreidimensional, 3D Endo rendert separat den zuvor markierten Zahn dreidimensional. Das sorgt für eine klare Übersicht.

Und auf der Grundlage dieser Daten erfolgt die Ausdehnung der Trepanationsöffnung?
Lang:
Die Trepanationsöffnungen lassen sich durch die exakte Berechnungen mit 3D Endo in ihrer Ausdehnung minimieren. Das führt zu weniger Zahnhartsubstanzverlust bei der Behandlung – eine wichtige Grundlage für die Zahnerhaltung.

Stichwort integrierte Feilenbibliothek. Was hat es damit auf sich?
Lang:
Im Fallbeispiel haben wir Feilen aus der Feilendatenbank ausgewählt. Man kann sie in den Kanälen platzieren und räumlich anschauen. Die Dimensionen der Instrumente sind exakt hinterlegt. Die Feilendatenbank hat vor allem dann Vorteile, wenn Wurzeln extrem grazil sind. Bereits vorab lässt sich prüfen, ob die Feile die Wurzel nicht zu stark schwächt, weil zu viel Substanz im Kanal abgetragen wird. Außerdem wird dadurch die notwendige Ausdehnung der Trepanationsöffnung verdeutlicht. Zurzeit sind aber leider nur die von Dentsply Sirona und VDW enthalten.

Bohrschablonen in der Endo sind der nächste Konsequente Schritt


Funktioniert 3D Endo mit allen DVT-Datensätzen?
Lang:
Ja, man kann jeden DICOM-Datensatz importieren. Das Problem: Der DICOM-Standard wird heute in der Version 3.0 angewendet. Dieser wurde seit 1993 nicht mehr verändert. Heutige DVT-Geräte können erheblich mehr Daten erheben und auswerten, als in den DICOM-Containern definiert ist.

Wie ist das zu verstehen?
Lang:
Arbeitet man mit DICOM-Datensätzen, bedeutet das, dass man auf einen Teil der ursprünglichen Bildqualität verzichtet. Deshalb ist die Software auch ein wenig dadurch eingeschränkt, dass sie plattformoffen ist.

Zur Studienlage: Welche Untersuchungen belegen den Erfolg von 3D Endo?
Lang:
Die Software ist noch recht jung. Derzeit läuft eine In-vitro-Studie, die vor der Veröffentlichung steht. Untersucht wurde die Exaktheit der Längenplanung mit der 3D Endo Software mit guten Ergebnissen hinsichtlich der Reproduzierbarkeit. Wir planen in Zukunft wissenschaftliche Untersuchungen zum Low-Dose-Modus in der Endodontie und zu endodontischen Bohrschablonen mit der SICAT ENDO Software. Das ist die nächste konsequente Weiterentwicklung.

Ist die neue Endo-Planung vor allem ein Tool für Praktiker?
Lang:
Ja, vor allem für die ambitionierten Kollegen, die ein DVT-Gerät besitzen. Der Vorteil: Man investiert in Planung und kommt klinisch schneller und sicherer zum Ergebnis. Der Patient wird involviert, er kann die virtuelle Planung verfolgen und erkennt den individuellen Aufwand. So kann diese Innovation auch ein gutes Instrument zur Patientenaufklärung sein. Das ist jedenfalls meine Erfahrung mit der bisherigen Anwendung!

Dr. Tomas Lang
arbeitet auf Überweiserbasis limitiert auf Endodontie in Essen. Er ist in der Forschung und Lehre im eigenen Institut an der Universität Witten-Herdecke engagiert.
www.siriusendo.de