Keramikimplantate: zweiteilig und sicher
Um den Patientenwünschen nach biologisch orientierten Lösungen gerecht zu werden, haben sich einteilige Keramikimplantate bereits etabliert. Zweiteilige galten vielen Herstellern bislang als zu risikoreich. Das hat sich geändert. Am Beispiel des zweiteiligen Keramikimplantats AXIS Hexalobe demonstrieren Christian Rähle, Mitglied der CAMLOG-Geschäftsleitung in Basel, und Fréderic Wehrli, Leiter F&E von AXIS biodental SA, die technischen Finessen.
Bereits auf der IDS 2009 wurde über zweiteilige Keramikimplantate diskutiert. Doch bis heute konnten sie sich nicht durchsetzen. Die Risiken galten als zu hoch. Was hat sich seither getan?
Rähle: In der Klinik hat sich der Werkstoff Zirkoniumdioxid bewährt. Werkstoffe und Produktionstechniken sowie Methoden zur Oberflächenbehandlung haben sich kontinuierlich weiterentwickelt. So werden Frakturen oder Implantatlockerungen heute nicht mehr beobachtet. Wie immer bei neuen Technologien oder Materialien braucht es seine Zeit, bis die Akzeptanz in der breiteren Masse vorhanden ist. Zunächst werden sie nur von Innovatoren und den Early Adopters eingesetzt. Wenn diese auf lange Sicht gute Erfahrungen gesammelt haben und diese wissenschaftlich basiert publizieren, steigen immer mehr Anwender ein.
Neben Startup-Firmen haben sich in den letzten Jahren auch namhafte etablierte Unternehmen mit dem Thema Keramikimplantat beschäftigt, nicht nur weil es der Markt unter ästhetischen Gesichtspunkten verlangt, sondern weil es auch medizinisch relevante Gründe für metallfreie Versorgungen gibt.
Um die Anforderungen zum Wohle der Patienten zu erfüllen, beschäftigt sich CAMLOG seit einigen Jahren intensiv mit Keramikimplantaten und hat im Sommer 2016 die Mehrheit an AXIS biodental SA, einem innovativen Keramikspezialisten, erworben. AXIS betreibt seit 2004 intensive Forschung und Entwicklung in Kooperation mit renommierten Universitäten wie zum Beispiel der ETH Lausanne und der Universität Genf. Seit Anfang 2012 wird das einteilige Keramikimplantat vertrieben. Ein zweiteiliges Implantat mit reversibel verschraubbaren Prothetikkomponenten ist in seiner heutigen Form seit 2013 im klinischen Einsatz. Die langjährige Erfahrung gibt uns, unseren Kunden und deren Patienten Sicherheit und Vertrauen.
Wie viele Hersteller bieten zurzeit zweiteilige Keramikimplantate an. Nach welchen Kriterien soll sich der Praktiker zwischen den unterschiedlichen Angeboten entscheiden?
Rähle: Die Herausforderungen des zweiteiligen Keramikimplantats konnten bis jetzt erst wenige Hersteller erfolgreich meistern. AXIS biodental SA war das erste Unternehmen, das reversibel verschraubbare Implantate einführte.
Wichtig zu wissen: Zweiteilig ist nicht gleich zweiteilig. Einzelne Systeme werden verklebt und sind somit nach der prothetischen Versorgung einem einteiligen Implantat gleichzustellen. Dies ist eine wesentliche Einschränkung. Wir sind überzeugt, dass langfristig nur zweiteilig reversibel verschraubte Keramiksysteme eine hohe Akzeptanz erhalten werden. Letztlich entscheidet jeder Anwender für sich, welches System seinen Anforderungen genügt. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Kontinuität des Designs und der Oberfläche. Forschungen und Weiterentwicklungen sind unumgänglich. Um aber Langzeiterfahrungen zu sammeln, sollte das Produkt eine gewisse Beständigkeit haben und nicht innerhalb kürzester Zeit mehrmals überarbeitet werden.
Seit wann ist das zweiteilige Implantat von AXIS auf dem Markt, seit wann läuft es unter dem CAMLOG Label?
Rähle: Das Hexalobe ist in seiner jetzigen Form mit dem einzigartigen Abutment aus dem Hochleistungspolymer (PEKK) seit Anfang 2013 auf dem Markt verfügbar. Ab der IDS 2017 werden die Implantate mit dem Systemnamen CERALOG als die keramische Lösung von CAMLOG vertrieben.
Welche Rolle spielt das Implantatdesign, welche die Implantatoberfläche?
WEHRLI: Das Implantatdesign, insbesondere die Form und die Auslegung des Gewindes, ist einerseits zum Erreichen einer genügenden Primärstabilität und andererseits für die allgemeine mechanische Langzeitstabilität entscheidend. Die Oberfläche hingegen spielt für die Integration in den Knochen und zum Erreichen einer optimalen Sekundärstabilität eine wichtige Rolle. Zahlreiche Studien belegen, dass Zirkoniumdioxidimplantate ähnlich gut im Knochen osseointegrieren wie Titanimplantate [1–5].
RÄHLE: Keramik ist aus mechanischer Sicht ein anderer Werkstoff als Titan. Dies gilt es bei der Designfindung zu berücksichtigen, denn es müssen keramikgerechte Formen zum Zuge kommen. AXIS hat dies von Anfang an konsequent berücksichtigt und insbesondere bei der Implantat-Abutment-Verbindung exzellent umgesetzt.
Durchmesserreduzierte Keramikimplantate gelten als No Go. Warum?
Rähle: In der Tat sind diesem Material bei zweiteiligen Lösungen heute noch gewisse Grenzen bezüglich mechanischer Festigkeit bei kleinen Durchmessern gesetzt. Dies wird sowohl bei der Dimensionierung als auch bei den Indikationen berücksichtigt. Aber die Entwicklung steht nicht still, und es darf berechtigterweise angenommen werden, dass wir auch im Bereich der durchmesserreduzierten Implantate Lö¬sun¬gen anbieten werden.
Gibt es Materialunterschiede − oder ist Zirkon gleich Zirkon?
Wehrli: Wie bei allen Materialien hängen auch bei Zirkoniumdioxid die Eigenschaften von der genauen Zusammensetzung, der Mikrostruktur und einer fachgerechten Herstellung ab. Für Zirkoniumdioxid ist die Stabilisierung der sogenannten tetragonalen Phase durch Zugabe von Yttriumoxid besonders wichtig. Dieser Trick zusammen mit einer sehr feinen Kornstruktur ist Grundvoraussetzung für die hervorragenden Eigenschaften von Zirkoniumdioxidkeramiken. Wie bei allen Keramiken ist eine genaue Prozessführung bei der Herstellung entscheidend, um Spannungen innerhalb des Materials und Fehlstellen zu vermeiden. Nahezu alle am Markt verfügbaren Implantate sind geschliffen. Die AXIS biodental hat als erste Firma konsequent auf Spritzgussverfahren (Ceramic Injection Molding CIM) gesetzt. Derzeit sind weltweit nur eine Handvoll Firmen in der Lage, solche Produkte in der geforderten Qualität zu liefern. Die CIM Technologie ermöglicht es, auf der Oberfläche ohne Nachbehandlung unterschiedliche Strukturen aufzubringen. Jedes einzelne AXIS Implantat wird in Bezug auf Maßtreue und mechanische Stabilität einer Hundert-Prozent-Prüfung unterzogen.
Zirkon altert
Zirkon altert, die Oberfläche wird nach Jahren immer rauer, was sind die Folgen? Ist das bei Titan ähnlich?
Rähle: Es ist richtig, dass mit Yttriumoxid stabilisiertes Zirkoniumdioxid bei hohen Temperaturen und feuchter Umgebung (zum Beispiel bei Dampfsterilisation) einer Alterung unterworfen ist. Dabei wandeln sich Zirkoniumdioxidkörner von der tetragonalen in die monokline Phase um. Das hat in der Vergangenheit bei Hüftprothesenköpfen aus Zirkoniumdioxid, die mehrmaliger Autoklavierung unterworfen wurden, zu einer erhöhten Oberflächenrauheit geführt. Für die Anwendung, für die eine polierte Oberfläche entscheidend ist, war das natürlich fatal. Die sogenannte „hydrothermale Alterung“ ist für Zahn¬implantate aus Zirkoniumdioxid kein Thema, solange die Implantate nicht dampfsterilisiert werden.
Welche Studien belegen den Erfolg der zweiteiligen Keramikimplantate von AXIS biodental SA? Prof. Dr. Wael Att, Freiburg, spricht von gerade einmal drei Studien, Langzeitdaten fehlten völlig. Kann das sein?
Rähle: Zu AXIS Implantaten laufen mehrere Studienprojekte; die entsprechenden Publikationen dazu wurden eingereicht. Eine Vergleichsstudie zeigt beispielsweise keine statistisch signifikanten Unterschiede bezüglich der Primärstabilität von AXIS Implantaten im Vergleich zu Titanimplantaten [6]. Eine weitere Publikation berichtet über eine systematische Bewertung der Primärstabilität der zweiteiligen Implantate während einer Heilungsperiode von 16 Wochen. Die Implantate wurden anschließend für einen Zeitraum von zwölf Monaten nach der Platzierung der endgültigen Versorgung auf PEKK-Abutments verfolgt 7] . Weitere entsprechende präklinische und klinische Studien zur breiteren Abstützung der positiven Resultate wurden initiiert.
Sofortbelastung: Manche Hersteller empfehlen nach der Insertion von Keramikimplantaten das Tragen spezieller Schutzschienen, um das Implantat während der Einheilungsphase zu schützen. Ist das ein Muss? Was empfehlen Sie?
Rähle: Bei spezifischen Indikationen wird bei einteiligen Implantaten das Tragen einer Schutzschiene empfohlen, um eine Überbelastung während der Einheilphase zu vermeiden. Für die zweiteiligen CERALOG Implantate gilt dies nicht. Die Einheilung erfolgt wie bei Titanimplantaten offen oder gedeckt. Auch die Einheilzeiten sind dank der innovativen Oberflächenstrukturen mit Titanoberflächen vergleichbar. Die Anwendungen, Indikationen beziehungsweise Kontraindikationen der Keramikimplantate sind in den Systemunterlagen sehr gut beschrieben.
Wann konkret sind zweiteilige Keramikimplantate indiziert, wann kontraindiziert?
Rähle: Für unsere Keramikimplantate gelten die gleichen Indikationen respektive Kontraindikationen wie für Titanimplantate. Vorteil der Keramik ist die Metallfreiheit, Nachteil ist das noch eingeschränkte Produktportfolio beispielsweise in Bezug auf Implantatdurchmesser.
Lässt sich im Frontzahnbereich mit zweiteiligen Titanimplantaten mit Zirkonabutment einfacher ein ästhetisches Ergebnis erzielen als mit einteiligen Zirkonimplantaten?
Rähle: Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab: Ein Vollzirkonabutment sollte aus unserer Sicht nicht in einem Titanimplantat verschraubt werden. Bei auftretenden Mikrobewegungen beschädigt das härtere Zirkoniumdioxid das Interface des Titanimplantats. Ein Hybridabutment, also ein auf einer Titanbasis verklebter Zirkonaufbau, wäre in diesem Fall zu bevorzugen. Falls es möglich ist, die Implantate in der Achse so zu platzieren, dass ein einteiliges Implantat prothetisch optimal versorgt werden kann, ist dies eine Indikation. Dann ist jedoch die Frage zu klären, ob einteilige Zirkondioxidimplantate beschliffen werden dürfen? Wenn ja, können minimale Korrekturen vorgenommen werden. Bei anatomisch anspruchsvollen Fällen kann ein zweiteiliges Implantat einem einteiligen überlegen sein. Dies ist mit ein Grund, weshalb wir auf ein zweiteiliges, reversibles System setzen.
Wie steil ist die Lernkurve? Was läuft beim Inserieren anders, worauf muss man im Gegensatz zu Titanimplantaten achten?
Rähle: Wir empfehlen generell ein schonendes Einbringen des Implantats. Zirkoniumdioxidimplantate sind im chirurgischen Eingriff allerdings etwas sensitiver als Titanimplantate, da der Werkstoff Keramik eine niederige Wärmeleitfähigkeit als Titan besitzt. Deshalb sind die maximale Eindrehgeschwindigkeit von 15 U/min und das Drehmoment beim Inserieren zu beachten.
Was läuft bei der prothetischen Versorgung anders als bei Titan? Haben Sie spezielle Tipps?
Rähle: Dank der einzigartigen Verbindung des CERALOG Hexalobe Implantats entstehen keine Einschränkungen, da es sich um eine rein verschraubte und reversible Verbindung handelt. Einzig anzumerken ist, dass das Portfolio der Prothetikkomponenten noch nicht so umfassend ist.
WEHRLI: Dafür bietet das PEKK Abutment neue hochinteressante Eigenschaften wie beispielsweise die dämpfende Charakteristik.
Ein Blick in die Zukunft: Werden Keramikimplantate über kurz oder lang Titanimplantate ersetzen?
Wehrli: Meiner Ansicht nach werden die Keramikimplantate Titanimplantate in naher Zukunft nicht ersetzen, sich aber als wesentliches Marktsegment etablieren. Viele unserer Kunden betrachten das Keramikimplantat als eine wertvolle Ergänzung insbesondere im Bereich der Ästhetik und bedienen damit anspruchsvolle sowie ganzheitlich orientierte Patientengruppen. Insgesamt sehen wir für Keramikimplantate eine positive Zukunft.
RÄHLE: Aus den Ergebnissen unserer Untersuchungen lässt sich ableiten, dass beide Systeme gut funktionieren. Positiv fielen unseren Anwendern eine schnelle Wundheilung und eine gute Anhaftung des Weichgewebes auf.
Fréderic Wehrli
studierte Maschinenbau, Schwerpunkt Mikrotechnik, in Lausanne und leitet die Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Unternehmens AXIS biodental SA, deren Teilhaber er seit 2014 ist. CAMLOG hält 51 Prozent der AXIS-Anteile.
Christian Rähle
studierte Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Medizintechnik in Zürich und ist seit 2006 in der oralen Implantologie tätig. Seit 2012 ist er Mitglied der Geschäftsleitung der CAMLOG Biotechnologie AG in Basel, Schweiz. Er verantwortet die Bereiche Produktmanagement, Entwicklung & Regulatory Affairs.
* Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung von Dr. Frederic Hermann, MSc, CH-6200 Zug, Schweiz www.team15.ch