Prozessstandards und Schnittstellenmanagement im prothetischen Behandlungsteam

Die Fehlerquote sinkt rasant

Die Anforderungen an das prothetische Team Zahnarzt und Zahntechniker wachsen stetig. Für eine nachvollziehbare Ergebnisqualität braucht es abgestimmte Prozesse und Standards zwischen Praxis und Labor.



Eine prothetische Versorgung wird in der Regel patientenindividuell geplant und umgesetzt. Damit dies im Zusammenspiel zwischen Praxis und Labor gelingt, braucht es Standards im prothetischen Behandlungsteam, die über den gesamten Prozess der Therapiephase laufen.
Im Zentrum des komplexen und variablen Therapieprozesses steht der Patient und dessen Wünsche und Erwartungen. Werden diese enttäuscht – und sei es nur durch Nachbesserungen an der Restauration, die in der Wahrnehmung des Patienten als nachträgliches „Herumdoktern“ empfunden werden –, bedeutet das oftmals Vertrauensverlust für das gesamte Behandlungsteam. Um dies zu verhindern, braucht es standardisierte Prozesse in der Praxis und im Labor sowie ein gut abgestimmtes Schnittstellenmanagement – unabhängig davon, ob das prothetische Team im analogen oder im digitalen Workflow zusammenarbeitet – die Schnittstellen bleiben immer die gleichen.
Prof. Reinhad Maxkors hat z. B. – bezogen auf eine analog gefertigte Krone – errechnet, dass mindestens 60 klinische Behandlungsschritte notwendig sind, um zu einer Ergebnisqualität zu gelangen. Je komplexer und variabler die Prozesse sind, umso wichtiger ist deren Standardisierung. Für eine gleichbleibende und nachhaltige Ergebnisqualität der prothetischen Versorgung ist es entscheidend, sowohl die einzelnen Prozesse als auch die Schnittstellen zu zentrieren und von Störgrößen zu befreien. Deshalb sind Standardisierungen so wichtig, denn nur im standardisierten Prozess kann eine zielgerichtete Fehleranalyse durchgeführt werden.

Betriebswirtschaftliche Aspekte

Muss eine Krone wiederholt werden, bedarf es der Anfertigung von vier neuen Konen, um diesen Verlust auszugleichen. Für eine Zahnarztpraxis mit einem durchschnittlichen Praxisstundensatz (laut KZBV-Jahrbuch 2018) von 174 bis 286 Euro bedeutet das: Bringt der Zahnarzt eine Stunde am Tag mit Nachjustierungen aufgrund fehlender Standardisierung und mangelnder Abstimmung an den Schnittstellen zu, dann kostet das in der Woche rund 1430 Euro, im Monat sind das 5720 Euro und im Jahr kommen knapp 69 000 Euro zusammen. Hochgerechnet auf eine Lebensarbeitszeit von 35 Jahren bedeutet das, dass ein Zahnarzt rund drei Jahre seines Berufslebens mit „Nachjustieren“ beschäftigt ist. Diese Zahlen sprechen klar für ein Schnittstellen- und Prozessmanagement.

Schnittstellen im prothetischen Team Zahnarzt/Zahntechniker

Die erste Schnittstelle ist die Auftragserfassung. Da diese im Grunde einer Verordnung gleichkommt, sollten dort alle wichtigen Informationen, am besten in Form einer Checkliste, vorhanden sein – unabhängig davon, ob es sich um einen analogen Auftragszettel in Papierform oder eine digitale Auftragserfassung handelt. Dort hinein gehören alle patientenspezifischen Informationen wie Name, Versichertenstatus, Art der Restauration, zu verwendenden Materialien, klinische und funktionelle Befunde, Okklusionsprotokolle sowie die Erwartung des Patienten im Hinblick auf Ästhetik. Wichtig sind auch Informationen zur Abformung und mitgelieferten Komponenten. Zudem sollten Angaben zur Zahnfarbe beziehungsweise Farbnahme und Terminplanung enthalten sein.
Die zweite Schnittstelle ist die Gerüsteinprobe. Dabei werden wichtige Passungsparameter überprüft und Informationen darüber gesammelt, ob die Unterlagen – im digitalen Wordflow die Scandaten –, auf Basis derer das Gerüst gefertigt wurde, auch der Situation im Mund entspricht. Dort erhält das prothetische Team Antworten auf die Fragen: Gibt es Spannungen im Gerüst, ist ein Fitchecking durchgeführt worden, stimmen die Approximal- und Okklusionskontakte – und wurden diese mit Matrizenband, Zahnseide oder Shimstockfolie überprüft? All diese Details geben dem Zahntechniker Hinweise, in welcher Dimension eventuell nachgebessert werden muss. Leider werden die Exkursionsbewegungen oft nicht überprüft und führen dann im Nachhinein zu Chipping. Hinzu kommen weitere wichtige Parameter, die anhand einer Checkliste chronologisch abgearbeitet werden können.
Danach folgt als dritte Schnittstelle die Rohbrandeinprobe im ästhetischen Bereich. Im Praxisalltag herrscht gerade hier oft Ratlosigkeit – sofern der Zahntechniker überhaupt vor Ort dabei ist. Zwar lässt sich Ästhetik, die ja immer patientenindividuell zu betrachten ist, nicht standardisieren, dennoch können spezifische Zahnmerkmale anhand einer Checkliste erfasst und analysiert werden. Das geht von der fazialen über die dentolabiale und phonetische bis hin zur dentalen Analyse, bei der jeder einzelne Zahn im Fokus steht. Die Checkliste zur Ästhetikeinprobe ist so strukturiert und standardisiert, dass man nach dem Abarbeiten der Punkte feststellen kann, wo es noch einer Korrektur bedarf, damit die gewünschte ästhetische Wirkung und Funktion erzielt werden kann.
Dank der Standardisierung der Schnittstellen können wir in unserem Labor eine Erfolgsquote von circa 90 Prozent erzeugen. Dieser Wert bezieht sich jedoch hauptsächlich auf das konventionelle Prozedere, das wir über viele Jahre mit unseren Kunden optimiert und die Prozesse aufeinander abgestimmt haben.

Checklisten zur Standardisierung für das Dentallabor

Cementation Guide

Incoming Lab Order

Checklisten zur Standardisierung für Die Zahnarztpraxis

Order Form

Try-in fixed restorations

Basic Esthetic

Digitalisierung als Gamechanger

Die sich ändernden Rahmenbedingungen spielen eine wesentliche Rolle bei der Digitalisierung. Das Berufsbild des Zahntechnikers hat sich mit der Digitalisierung signifikant geändert. Zwar schwingt im Hintergrund nach wie vor der „analoge“ Kompetenzbereich mit, aber zukünftig wird es für den Zahntechniker eher um die Fragen gehen, welchem Fertigungsprozess beziehungsweise welcher Fertigungstechnologie die geplante Restauration zugeführt werden soll – steht diese im Labor zur Verfügung oder müssen externe Technologie beziehungsweise Dienstleister, zum Beispiel ein Fräszentrum, in Anspruch genommen werden. Daraus ergibt sich eine zusätzliche Aufgabenstellung bei der Standardisierung der digitalen Prozesse. Zum anderen erfordern die Vielzahl und die ständige Zunahme unterschiedlicher Materialien, die nur digital-gestützt verarbeitet werden können, umfangreiches Wissen und Know-how. Hier entwickelt sich ein neuer Beratungs- und Organisationsbereich auf Seiten des Labors und des Zahntechnikers. Dieser muss sich umfangreiches Wissen aneignen, welches digitale Verarbeitungspotenzial wo und für welchen Prozesschritt zur Verfügung steht, also wo man beispielsweise einen gefrästen Titansteg oder ein lasersintergefertigtes Gerüst in Auftrag geben kann.
Auch im Hinblick auf das Datenmanagement wird sich der Kompetenzbereich des Zahntechnikers und des Labors erweitern. Hier geht es unter anderem um Software- Lösungen, zum Beispiel, wie Daten aus der Praxis empfangen und weiter verabeitet werden können. Hinzu kommt, dass mit der neuen Approbationsordnung kaum noch zahntechnische Grundlagen in der studendischen Ausbildung vermittelt werden. All dies hat zur Folge, dass sich der Zahntechniker mehr zum Prozessmanager entwickeln wird und aktuelles Knowhow über Materialien und Technologien in den Prozess einbringen muss.


Der Experte

Foto: privat

Ztm. Hans-Jürgen Stecher
Fachgruppenleiter der Meisterschule für Zahntechniker in München,
betreibt seit 1994 ein Labor in Wiedergeltingen und ist
zertifiziert für den Tätigkeitsschwerpunkt DGI „Implantatprothetik und ‧Zahntechnik“.