Schmelzmatrixproteine: Fast 20 Jahre im Einsatz

Emdogain: erfolgreiche regenerative Therapie

Emdogain ein gut erforschtes, einfach anzuwendendes Gel, das Schmelzmatrixproteine aus embryonalen porcinen Zahnkeimen in einer Propylenglykolalginat-Trägersubstanz enthält. Mit Schmelzmatrixproteinen lassen sich gingivale Rezessionen, vertikale Defekte und Furkationsdefekte leichter und kostengünstiger therapieren als mit Membranen. Die Wiederherstellung aller Strukturen des Parodonts startet unmittelbar nach der Applikation. Erfolgsgaranten sind die richtige Operations- und Nahttechnik, die systematische Infektionskontrolle, eine sehr gute Mundhygiene sowie die strikte postoperative Nachsorge.



Wird Emdogain auf die gereinigte Wurzeloberfläche eines parodontal erkrankten Zahns appliziert, begünstigt es die Regeneration von Wurzelhaut, Wurzelzement und Alveolarknochen, indem es Prozesse, die während der Zahnentwicklung stattfinden, nachahmt (Mimikry) [7–10]. Die Wiederherstellung aller Strukturen des Parodonts beginnt unmittelbar nach der Behandlung mit dem Präparat und setzt sich über mehrere Monate bis zu drei Jahren fort [4–6].

Das 1996 von der schwedischen Firma biora eingeführte und seit der Firmenübernahme durch Straumann im Jahr 2003 unter dem Dach des Unternehmens hergestellte Präparat Emdogain ist ein Komplex aus nativen Proteinen wie Amelogenin (ca. 90 Prozent) und Ameloblastin, die wichtig für die Entwicklung der zahnstützenden Gewebe sind. Sie schließen sich zu einer unlöslichen Matrix zusammen, die bis zu vier Wochen auf der Wurzeloberfläche nachweisbar ist und die Bildung von Wurzelzement vermittelt [2, 21, 22].

Voll funktionsfähiger Zahnhalteapparat wiederhergestellt

Die Entwicklung ist Prof. Dr. Lars Hammarström (Karolinska Institut, Stockholm, Schweden) und seinem Team zu verdanken. Die schwedischen Forscher waren es, die ein Schmelzmatrixderivat nutzten, um in einem Parodontitismodell am Affen die natürlichen Prozesse der Zahnentwicklung nachzubilden. Dabei gelang es, einen voll funktionsfähigen Zahnhalteapparat wiederherzustellen [7–10]. Die Proteinfamilie ermöglicht die Bildung von zellfreiem Zement, ein Prozess, der auch bei der normalen Zahnentwicklung vorkommt und eine wichtige Voraussetzung für die nachfolgende Wiederherstellung eines funktionsfähigen parodontalen Ligaments und Alveolarknochens ist.

Heute ist Emdogain ein gut erforschtes, einfach anzuwendendes Gel, das Schmelzmatrixproteine aus embryonalen porcinen Zahnkeimen in einer Propylenglykolalginat-Trägersubstanz enthält. In der ersten Phase der Wundheilung wirkt Emdogain antibakteriell und begünstigt die Anziehung von Progenitorzellen auf die Wurzeloberfläche. Anlagerung von Zellen, Umbau und Konsolidierung von Gewebe und Proliferation werden gefördert [2, 3].

Nach der Phase der Proliferation differenzieren sich Progenitorzellen (Vorläuferzellen) in Zementoblasten bildende Zellen. In dem Maße, in dem neuer Zement auf der Wurzeloberfläche gebildet wird, entstehen zeitlich versetzt ein neues parodontales Ligament und neuer Alveorlarknochen, das heißt ein neues Attachment. Darüber hinaus verhindert Emdogain epitheliales Tiefenwachstum, ein weiterer wichtiger Aspekt für die parodontale Regeneration [11–14, 17, 18, 31].

Emdogain: Indikation und Einflussfaktoren

Emdogain lässt sich nach eigener klinischer Erfahrung in allen Bereichen der Parodontalchirurgie einsetzen. Verglichen mit der Membrantechnik, die lange als Goldstandard der regenerativen Parodontalchirurgie galt, handelt es sich um eine leicht anwendbare Technik. Es gibt inzwischen genügend wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass die Regenera‧tionsrate bei Emdogain mit derjenigen von Membranen vergleichbar ist – es ist nur viel leichter und kostengünstiger anzuwenden. Gleichwohl gilt: Die richtige Operations- und Nahttechnik, eine systematische Infektionskontrolle sowie eine sehr gute Mundhygiene und eine strikte postoperative Nachsorge, tragen wesentlich zum Erfolg der regenerativen Parodontaltherapie mit Emdogain bei [16, 19].

Die aktuellen Indikationsbereiche für Emdogain nach Herstellerangaben sind:

  • ein- bis dreiwandige intraossäre Defekte
  • mandibuläre Furkationsdefekte (Grad-I- und Grad-II-Furkation)
  • Rezessionsdefekte

Je nach Defektmorphologie empfiehlt es sich, Emdogain in Kombination mit Knochenersatzmaterial als Stützfunktion einzusetzen; nämlich dann, wenn aufgrund des Defektausmaßes zu erwarten ist, dass der präparierte Lappen in einen knöchernen Defekt hineinkollabiert. So kann der Defekt ausreichend stabilisiert und das Weichgewebe vom Defekt ferngehalten werden.

Erste eigene Erfahrungen bei der Behandlung von Rezes‧sionsdefekten mit Emdogain wurden schon zu einem früheren Zeitpunkt gesammelt. In einer bislang nicht veröffentlichten Studie aus dem Jahr 2000 zur Behandlung gingivaler Rezessionen mit einem koronalen Verschiebelappen und dem Einsatz von Emdogain wurden Werte erzielt, die sich mit denen von BGT- und GTR-Verfahren im Hinblick auf die Deckung einer Rezession, als gleichwertig erwiesen [28, 30].

Der konkrete Fall

Eine 23-jährige Frau wandte sich mit dem Wunsch an unsere Praxis, den an Zahn 23 entstandenen Zahnfleischrückgang zu beheben. Die 5 mm tiefe und 6 mm breite Gingivarezession entsprach einer Miller-Klasse I. Das heißt, die Rezession reichte nicht bis zur mukogingivalen Grenze und interdentales Gewebe war nicht verloren gegangen. Befestigte (unverschiebliche, attached), keratinisierte Gingiva fehlte nahezu.

Dem Wunsch der Patientin entsprechend war es das Ziel, eine komplette Rezessionsdeckung herzustellen. Klinisch ergab sich eine ideale Ausgangssituation für einen koronalen Verschiebelappen und den Einsatz von Emdogain.

Eine mögliche Behandlungsalternative wäre die Entscheidung für ein Bindegewebstransplantat gewesen. Dies hätte jedoch einen Zweiteingriff zur Transplantatgewinnung aus dem Gaumen notwendig gemacht und zusätzliche größere postoperative Beschwerden für die Patientin bedeutet. Darüber hinaus hätte es sich um einen korrektiven, nicht jedoch um einen regenerativen parodontalchirurgischen Eingriff gehandelt.

Einsatz der Membrantechnik als weitere Alternative

Der Einsatz der Membrantechnik als weitere Alternative hätte zusätzlich befestigte keratinisierte Gingiva erzielen können; diese sensible Technik birgt aber grundsätzlich die Gefahr der Membranexposition. Außerdem sind die nachgewiesene geringere postoperative Gingivaretraktion und die geringere postoperative Komplikationsrate Argumente, die für den Einsatz von Emdogain sprechen. Darüber hinaus ist es oft im Sinne des Patienten, dass eine Behandlung mit Emdogain im Vergleich zu Membranen aufgrund verschiedener Darreichungseinheiten (0,15 ml, 0,3 ml und 0,7 ml) wirtschaftlicher ablaufen kann.

Nach möglichst atraumatischer trapezförmiger Schnittführung, Präparation und Mobilisation des Lappens wurde Straumann Emdogain in Gelform auf die gesäuberte und mit 24%-iger EDTA (Ethylendiamintetraessigsäure; z. B. Straumann PrefGel zwei Minuten einwirken lassen) konditionierte (vorbehandelte) Wurzeloberfläche aufgetragen. Die zweiminütige Einwirkzeit von PrefGel wurde zur Durchführung der Umschlingungsnaht genutzt.

Nach zwei Minuten wurde sorgfältig mit physiologischer Kochsalzlösung (PrefGel) abgespült und Emdogain sofort auf die blut- und speichelfreie Wurzeloberfläche aufgetragen. Grundsätzlich muss bei der Applikation von Emdogain eine erneute Kontamination der konditionierten Wurzeloberflächen mit Blut oder Speichel vermieden werden.

Anschließend wurde der durch Periostschlitzung verlängerte Mukoperiostlappen (Periostschlitzung so lange durchführen, bis sich der Lappen spannungsfrei zur Schmelz-Zement-Grenze verschieben lässt) dem Zahnhals möglichst dicht anliegend (Einzelknopfnähte) mit atraumatischem Nahtmaterial fixiert. Ein stabiler Wundverschluss ist für den Erfolg mit entscheidend.

Geringere Blutungsneigung in postoperativer Phase

Bei Anwendung von Emdogain kommt es postoperativ zu einer geringeren Blutungsneigung und zu reduzierten Entzündungszeichen. Anlagerung von Zellen, Umbau und Konsolidierung von Gewebe und Proliferation werden deutlich gefördert. Außerdem hat Emdogain bei der Wundheilung einen direkten oder indirekten angiogenen Effekt. [15, 19]. Eine Zahnreinigung im operierten Gebiet ist für mindestens drei Wochen und im Sulkus oder Approximalbereich für mindestens drei bis vier Wochen postoperativ obsolet (vgl. Periodontal Treatment Guide, Straumann).

In dieser Phase spülte die Patientin drei Wochen mit einer antiseptischen Mundspülung (z. B. 0,1–0,2 Prozent Chlorhexidindigluconat-Lösung). Anschließend begann sie mit vorsichtigem, durch das Prophylaxeteam der Praxis veranschaulichtem Putzen. Eine Interdentalbürste darf nach frühestens sechs Wochen eingesetzt werden. Die Patientin befand sich im engmaschigen Recall, wobei sich bereits nach drei Monaten postoperativ eine vollständige Rezessionsdeckung zeigte. Nach regenerativer Behandlung intraossärer Defekte erfolgt eine Sondierung im operierten Bereich frühestens nach zwölf Monaten.

Weitere Erfolgsparameter von Emdogain

Als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche regenerative Therapie mit Emdogain galten eine gute Patientenführung und die gesicherte Umsetzung eines parodontologisch ausgerichteten Konzepts in der Praxis, das eine engmaschige Nachsorge (mind. 4× jährlich!) umfasst. Der Therapie gehen eine professionelle Zahnreinigung und eine geschlossene Parodontalbehandlung (erfolgreiche Vorbehandlung) voraus, mit dem Ziel, eine relative Entzündungsfreiheit der Gingiva zu erreichen. Das A und O für den Langzeiterfolg jeder Parodontaltherapie ist die Etablierung und Aufrechterhaltung einer guten Mundhygiene. Fehlende Compliance wirkt sich negativ wirkt auf das Ergebnis aus und führt zu weiterer parodontaler Schädigung.

Die Bestimmung der Defektmorphologie bei knöchernen Defekten gehört zu einer präzisen Indikationsstellung. Auf dieser Grundlage wird entschieden, ob Emdogain allein oder in Kombination mit einem Knochenersatzmaterial als Stütze angewendet wird.

Fazit

Für den Einsatz von Schmelzmatrixproteinen ist eine chirurgische Herangehensweise erforderlich [24–27, 29]. Nach Aufklappung wird Emdogain auf die geglättete, blutleere sowie speichelfreie Wurzeloberfläche aufgetragen. Dabei sind eine möglichst minimalinvasive und eine atraumatisch durchgeführte Operationstechnik sowie der dichte primäre Wundverschluss von entscheidender Bedeutung.

Ein unsauber durchgeführter chirurgischer Eingriff und vor allem ein insuffizienter Wundverschluss gehören zu den häufigsten Fehlern. Häufigster Fehler in der Nachsorge ist das Unterschätzen der Bedeutung einer guten Mundhygiene und der unterstützenden Parodontaltherapie für das Langzeit‧ergebnis der parodontalen Regeneration [20]. Das lässt sich auf alle regenerativen Behandlungstechniken übertragen.

Emdogain erleichtert dem Chirurgen die Arbeit, denn die Anwendung verläuft sehr viel einfacher und komplikationsloser als zum Beispiel die Membrantechnik. Diese Erkenntnis beruht auf einer nunmehr 20-jährigen persönlichen Erfahrung mit dem Präparat und wird u. a. in einer multizentrischen Studie um Mariano Sanz [23] belegt.

So können den Patienten in vielen Fällen invasivere, zeitaufwendigere und kostenintensivere Vorgehen erspart werden. Darüber hinaus entfallen mögliche Operationsrisiken, die mit Bindegewebstransplantaten oder Membrantechniken einhergehen. Das Präparat begünstigt eine ausgezeichnete Wundheilung und stimuliert gleichzeitig Knochenneubildung und Angiogenese.

Eine gewisse Geduld gehört in der regenerativen Parodontologie dazu: Aufgrund des verzögerten Potenzials von Emdogain lässt sich das Ausmaß der Regeneration röntgenologisch erst nach drei Jahren definitiv beurteilen [4–6]. Dann ist das regenerative Ergebnis absolut überzeugend und kann bei guter Patientencompliance über einen langen Zeitraum stabil aufrechterhalten werden.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es keine Alternative zu diesem Produkt, die in vergleichbarem Umfang von wissenschaftlichen Belegen unterstützt wird. Es wäre zu wünschen, dass das große Potenzial von Emdogain, das mit Sicherheit weit über die Zahnheilkunde hinausgeht, noch intensiver erforscht würde.

Dr. Bernd Heinz
ist niedergelassen in eigener Praxis in Hamburg. Der Experte für Parodontologie setzt seit 1997 in der regenerativen PA-Therapie auf Schmelzmatrixproteine.
info@praxis-dr-heinz.de

 

Literatur